Globalisierung - NeueZeit.at https://neuezeit.at/tag/globalisierung/ Nachrichten, Analysen, Hintergründe Mon, 29 Jan 2024 17:02:12 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.1 https://neuezeit.at/wp-content/uploads/2022/07/cropped-NZ-Tab-Img-32x32.png Globalisierung - NeueZeit.at https://neuezeit.at/tag/globalisierung/ 32 32 116639545 Die Geschichte der ATB in Spielberg zeigt: Privatisierungen enden oft als Pleiten https://neuezeit.at/atb-geschichte-spielberg/ https://neuezeit.at/atb-geschichte-spielberg/#comments Tue, 08 Sep 2020 21:05:34 +0000 https://neuezeit.at/?p=2147 Seit 1974 produzierte die ATB in der Obersteiermark Elektromotoren. Nun steht das Werk vor der Schließung, 400 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Die Geschichte der Belegschaft der ATB in Spielberg zeigt deutlich, was fehlgeleitete Globalisierung und Privatisierungswahn für die Menschen bedeuten. 1974 eröffnete das spätere ATB-Werk in Spielberg seine Pforten. Damals als Tochterunternehmen des deutschen Bauknecht-Konzerns. […]

The post Die Geschichte der ATB in Spielberg zeigt: Privatisierungen enden oft als Pleiten appeared first on NeueZeit.at.

]]>
Seit 1974 produzierte die ATB in der Obersteiermark Elektromotoren. Nun steht das Werk vor der Schließung, 400 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Die Geschichte der Belegschaft der ATB in Spielberg zeigt deutlich, was fehlgeleitete Globalisierung und Privatisierungswahn für die Menschen bedeuten.

1974 eröffnete das spätere ATB-Werk in Spielberg seine Pforten. Damals als Tochterunternehmen des deutschen Bauknecht-Konzerns. Es war seine zweite Fabrik in Österreich. Man produzierte Elektromotoren für Bauknecht, Haushaltsgereäte und kleinere Industriemotoren. Und es lief gut: Nach und nach wurde die Produktion anderer Werke übernommen. Immer mehr Arbeitsplätze bescherten der gesamten Region um Spielberg spürbaren Aufschwung.

Bauknecht-Pleite reißt Spielberg mit

1982 dann der Schock: Bauknecht war pleite und wollte das Werk schließen. Der damaligen Bundesregierung unter Bruno Kreisky und Fred Sinowatz (beide SPÖ) waren die Belegschaft, ihre Familien und die Obersteiermark aber nicht egal. Deshalb wurde die Fabrik verstaatlicht. Mit den klaren Zielen „Auffangen – Sanieren – Verwerten“ übernahmen 1983 die Gesellschaft für Bundesbeteiligungen an Industrieunternehmen (GBI) 66,6 % und die Steirische Beteiligungsfinanzierungs-Gesellschaft 33,3 % des Werkes. Damals entstand auch der Name ATB: er steht für “Antriebstechnik Bauknecht”. Die Sanierung glückte und das Werk lief wieder gut.

ATB-Privatisierung führt zur nächsten Katastrophe

Im Jahr 1990 erzielte die ATB Rekordergebnisse und wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. So stand 1992 ein neuer Mehrheitseigentümer vor den Werkstoren: die deutsche Flender-Gruppe. Doch die Belegschaft blieb nicht lange von den Turbulenzen internationaler Aktienmärkte verschont. Im Jahr 1996 schlitterte die Flender-Gruppe in die Krise. Und wieder kam die ATB  zum Handkuss: Flender wollte das Werk in Spielberg verkaufen, ansonsten zusperren. Der unermüdliche Einsatz des Betriebsrats mit Unterstützung der SPÖ und der steirischen Politik, machte sich schließlich bezahlt: Die Republik verstaatlichte die ATB 1997.

ATB Geschichte Spielberg
Die Gschichte der ATB in Spielberg ist ereignisreich. Mehrmals war die Belegschaft Spielball internationaler Konzerne. // Foto: Betriebsrat/Screenshot

Schwarz-Blau wiederholen den Fehler

Doch drei Jahre später kam die erste ÖVP-FPÖ-Regierung an die Macht und plötzlich konnte es nicht schnell genug gehen. Was privatisiert werden konnte, wurde oft ohne Rücksicht auf Verluste privatisiert. „Mehr privat, weniger Staat“ lautete das Credo. Die Regierung hatte außerdem ein Nulldefizit versprochen. Deshalb verkaufte sie kurzerhand Staatsbesitz – so auch die ATB. Im Dezember 2001 übernahm so die A-Tec-Gruppe von Mirko Kovats das Unternehmen. Diesmal dauerte es zehn Jahre bis zum nächsten Crash: Die A-Tec ging 2011 in Konkurs und riss ihre Tochterunternehmen mit. Die Geschichte wiederholte sich: Auch die ATB in Spielberg stand neuerlich vor dem Aus.

ÖVP und Grüne ignorieren 400 Kündigungen

Noch einmal konnte die Werkschließung abgewendet werden. Doch viele hatten beim Investor kein gutes Gefühl. Die chinesische Wolong-Gruppe kaufte ATB zum Schnäppchenpreis. Mit vollmundigen Zusagen: Sie versicherte, das Werk zu erhalten und auszubauen. Die Wahrheit sah anders aus. Wolong investierte kaum mehr in Spielberg und exportierte lieber Know How nach China. Im Juli 2020 schickte der chinesische Konzern die ATB in Spielberg schließlich in die Insolvenz. Wolong will das Werk schließen, 400 MitarbeiterInnen kündigen und die Maschinen nach Polen verlagern. Dort will der Konzern billiger produzieren. Von der Schwarz-Grünen Bundesregierung kam bisher keinerlei Unterstützung.

Ob es wirklich das letzte Kapitel in der ereignisreichen Geschichte der ATB in Spielberg war? Die Belegschaft gibt den Kampf um ihre Arbeitsplätze nicht auf!

The post Die Geschichte der ATB in Spielberg zeigt: Privatisierungen enden oft als Pleiten appeared first on NeueZeit.at.

]]>
https://neuezeit.at/atb-geschichte-spielberg/feed/ 4 2147
ATB in Spielberg: Kanzler „übersieht“ 300 Kündigungen https://neuezeit.at/atb-spielberg/ https://neuezeit.at/atb-spielberg/#respond Fri, 28 Aug 2020 12:21:49 +0000 https://neuezeit.at/?p=1837 +++ Update: Die Wolong versucht nun auch die Betriebsrätinnen und Betriebsräte zu kündigen. Das erfuhr neueZeit am Wochenende. Scheinbar will der chinesische Konzern Kritikerinnen zum Schweigen bringen. 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ATB in Spielberg wurden am Montag gekündigt. Die chinesischen Eigentümer brachten bereits die Maschinen aus dem Werk nach Polen. Dafür nützen sie eine […]

The post ATB in Spielberg: Kanzler „übersieht“ 300 Kündigungen appeared first on NeueZeit.at.

]]>
+++ Update: Die Wolong versucht nun auch die Betriebsrätinnen und Betriebsräte zu kündigen. Das erfuhr neueZeit am Wochenende. Scheinbar will der chinesische Konzern Kritikerinnen zum Schweigen bringen.

300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ATB in Spielberg wurden am Montag gekündigt. Die chinesischen Eigentümer brachten bereits die Maschinen aus dem Werk nach Polen. Dafür nützen sie eine Lücke im Insolvenzrecht aus. Von der Bundesregierung kommt weiterhin keine Unterstützung.  

Am Montag kehrten die ATB-Mitarbeiterinnen aus dem Betriebsurlaub zurück. Vor dem Tor zum Werk empfingen sie bereits 250 solidarische Menschen aus der Region. Sie wollten gemeinsam mit ihnen demonstrieren. Doch Vorstand Rolf Primigg hatte noch eine letzte Überraschung für seine Mitarbeiterinnen auf Lager: er zog die Kündigungen in die Länge. Ohne Essen und Trinken im ganzen Haus. Geschlagene sieben Stunden lang. Sogar die Rettung musste anrücken.
Arbeiterkammer und Gewerkschaft hatte der Vorstand von der Versammlung ausgeschlossen. Insgesamt wurden 300 Menschen auf diese Weise gekündigt. Menschen, die oft seit Jahrzehnten im ATB-Werk in Spielberg arbeiten.

Insolvenzrecht ausgetrickst

Sie stehen nun vor dem Nichts. Für ihre Abfertigungen hat die Eigentümerin der ATB, die chinesische Wolong-Gruppe, kein Geld. Deshalb muss der Insolvenzausgleichsfonds einspringen. Der Konzern stellt lieber 30 Millionen Euro für andere Gläubiger bereit. Mit Zustimmung dieser Gläubiger gelang es der Wolong-Gruppe, eine Lücke im Insolvenzrecht auszunützen und die Maschinen des Werks nach Polen zu bringen. Sonst hätte es für die Belegschaft die Chance gegeben, dass ein anderer Eigentümer das Werk weiter betreibt. Die Arbeiterkammer hat beim Oberlandesgericht Einspruch dagegen eingelegt. Im Parlament will die SPÖ will nun eine Gesetzesänderung durchsetzen und diese Lücke schließen.

Fast 1000 demonstrieren für ATB-Werk in Spielberg

Am Mittwoch demonstrierten knapp 1000 Beschäftigte der ATB, ihre Familien, Freunde und solidarische Menschen aus der ganzen Region. Dabei zeigte sich erneut, wie ungeniert die Eigentümer der ATB vorgehen: Während der Proteste warteten LKW mit polnischen Kennzeichen darauf, die Maschinen der ATB abzutransportieren. All das gedeckt vom österreichischen Konkursrecht. Der steirische SPÖ-Landtagsabgeordnete Wolfgang Moitzi fand für die Ereignisse klare Worte:

“Denn mit der Flucht in die Insolvenz mit Eigenverwaltung hat Wolong nicht nur günstig den Maschinenpark zur Verschiebung innerhalb des Konzerns vorbereitet, er will auch den Insolvenzentgeltfonds, also uns alle, die Abfertigungen der gekündigten Beschäftigten zahlen lassen.”

Bundesregierung handelt nicht

Bereits vor Wochen hatten sich die Beschäftigten an den Bundeskanzler gewandt, berichtet Betriebsrat Michael Leitner kontrast.at: “Wir wollten mit dem Bundeskanzler reden, haben ihm geschrieben, aber er hat uns vier Wochen nicht einmal geantwortet.” Früher seien bei Krisen zumindest Regierungsvertreter hier gewesen und hätten sich bemüht. Von der Türkis-Grünen Regierung ließ sich niemand blicken.

Mittwoch kam dann doch noch ein Anruf aus dem Bundeskanzleramt mit einer Erklärung dafür: Kanzler Kurz und sein Team haben die Anliegen der fast 400 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer “übersehen”.

 

The post ATB in Spielberg: Kanzler „übersieht“ 300 Kündigungen appeared first on NeueZeit.at.

]]>
https://neuezeit.at/atb-spielberg/feed/ 0 1837
ATB-Belegschaft wehrt sich gegen Schließung: Wir ketten uns an die Maschinen https://neuezeit.at/streik-atb-mitarbeiter-wehren-sich/ https://neuezeit.at/streik-atb-mitarbeiter-wehren-sich/#respond Sat, 01 Aug 2020 13:03:43 +0000 https://neuezeit.at/?p=1666 Seit der Hersteller von Elektromotoren in Spielberg von der chinesischen Wolong-Gruppe übernommen wurde, kannte die Belegschaft das Management nicht mehr. Die neuen Eigentümer investierten auch kaum in das Werk. Jetzt wollen sie die ATB-Fabrik in Spielberg ganz schließen. Von Wirtschaftsministerin Schramböck kam bisher keine Unterstützung. Die Belegschaft hat ihr Schicksal nun selbst in die Hand […]

The post ATB-Belegschaft wehrt sich gegen Schließung: Wir ketten uns an die Maschinen appeared first on NeueZeit.at.

]]>
Seit der Hersteller von Elektromotoren in Spielberg von der chinesischen Wolong-Gruppe übernommen wurde, kannte die Belegschaft das Management nicht mehr. Die neuen Eigentümer investierten auch kaum in das Werk. Jetzt wollen sie die ATB-Fabrik in Spielberg ganz schließen. Von Wirtschaftsministerin Schramböck kam bisher keine Unterstützung. Die Belegschaft hat ihr Schicksal nun selbst in die Hand genommen und streikt.

In einer Versammlung informierte der Interimsgeschäftsfüher der ATB die 410 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter plötzlich, dass sie 360 von ihnen beim AMS zur Kündigung anmelden wird. Die ATB-Fabrik ist einer der führenden europäischen Hersteller von Elektromotoren und der größte Arbeitgeber in Spielberg. Seit 2011 befindet sie sich im Besitz der chinesischen Wolong-Gruppe. Die will nun die Produktion in der Steiermark beenden und das Werk zusperren.

ATB-Management wollte seit Jahren nicht investieren

Bei der Übernahme klang das noch ganz anders: Die chinesischen Eigentümer hatten den Ausbau des Standortes versprochen. Sogar ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Spielberg stellten sie in Aussicht. Doch schnell haben die Beschäftigten gemerkt, dass es Wolong auf etwas anderes abgesehen hatte: Über Jahre wurden wichtige Investitionen nicht getätigt, die Mitarbeiter mussten mit „museumsreifen Maschinen“ produzieren, während der Konzern in China High-Tech Parks aufbaute. „Es ging den chinesischen Eigentümern ausschließlich darum, die Technologie im Bereich der Elektromotoren zu lernen“, schreibt der steirische SPÖ-Politiker Max Lercher dazu auf Facebook.

Seit Jahren auf Werkschließung hingearbeitet

Auch ATB-Betriebsrat Michael Leitner ist der Meinung, dass der Plan, das Werk zu schließen, „nicht erst heute oder vor ein paar Monaten entstanden ist. Auf diesen Tag hat man seit einigen Jahren hingearbeitet.“ Eine Unternehmensführung vor Ort habe es ohnehin schon lange nicht mehr gegeben, sagt der Betriebsrat. Die Kündigungen für den Standort Spielberg hat einer verkündet, den die Mitarbeiter im steirischen Traditionsbetrieb kaum kannten: Rolf Primigg, der erst seit wenigen Tagen in der Geschäftsführung sitzt. Primigg ist ein „Interimsmanager“, ein sogenannter „Sanierer“. Überhaupt gab es seit Jahren kein Management mehr, das mit der Region Murtal oder den Menschen im Werk verbunden gewesen wäre. „Seit Jahren sitzen die Geschäftsführer entweder in Polen, China oder Deutschland. Aus Österreich oder überhaupt aus der Steiermark kommt da niemand mehr“, kritisiert Leitner.

Kündigung statt Abfertigungen für treue Kolleginnen

Offiziell begründet Wolong die Werkschließung mit Corona-bedingten Auftrags- und Umsatzrückgängen. Doch ähnlich wie bei der Kündigungswelle bei Swarovksi in Wattens dürfte das ein Vorwand sein. Zumindest im Juli war die Auslastung im ATB Werk „super“, wie die Mitarbeiter berichten. Auch für den Herbst war die Auftragslage nicht schlecht.

Die chinesische Firma, so wird vermutet, wollte vor allem den Marktzugang nach Österreich, Know How und die Marke. Ein Konzept für den Standort gab es scheinbar nie. Und das obwohl eine Arbeiterin bei ATB im Werk Spielberg das dreifache ihrer Kosten an Umsatz erarbeitet. Doch selbst das ist Wolong offenbar zu wenig. Und auch die Dienstnehmeransprüche auf Abfertigung muss nun der Insolvenzentgeltfonds statt des chinesischen Eigentümers finanzieren. Dafür fühlt sich die Wolong nicht mehr verantwortlich. Für die Maschinen im Werk allerdings sehr wohl. Die will der Konzern offenbar schon im Lauf des anstehenden Betriebsurlaubes ab 10. August nach Polen in ein anderes Werk transportieren. Ein Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, der für die chinesische Unternehmensgruppe scheinbar normal ist.

Streik: Die ATB-Belegschaft wehrt sich

Doch Betriebsrat Leitner reicht es jetzt: “Wir werden in Spielberg keine chinesischen Verhältnisse zulassen! Wir werden verhindern, dass die Maschinen klammheimlich abgebaut werden. Wenn es sein muss, ketten wir uns an die Maschinen!” Am Freitag beschlossen Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte einstimmig zu streiken. Viele waren eigens aus dem Urlaub zurückgekehrt, um an der Abstimmung teilnehmen zu können.

Auch Lercher erneuerte seine Unterstützung: “Jetzt liegt es an uns allen gemeinsam, die Eigentümer nicht aus der Verantwortung zu entlassen!” Der SPÖ-Politiker aus der Region verdeutlichte in seinem Video-Statement, was auf dem Spiel steht: “Denn wer sind die Nächsten? Und die Nächsten werden folgen! Weil das System, so wie es jetzt funktioniert, nicht mehr für die Fleißigen, für die Realwirtschaft, für einen Standort in der Obersteiermark funktioniert, sondern nur noch für irgendwelche Gewinninteressen irgendwo auf der Welt. So kann’s nicht weitergehen!”

Wirtschaftsministerin Schramböck schweigt

Auch die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) sicherte Unterstützung zu. Mit Hochdruck soll an Maßnahmen für die Betroffenen gearbeitet werden.

ATB hat mittlerweile ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eingeleitet, die Gespräche zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung laufen. „Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, alle Mittel und Wege nutzen. Das ist noch nicht verloren“, zeigt sich Leitner kämpferisch.

Von der Bundesregierung erwarten sich die Beschäftigten zumindest mediale Unterstützung: „So kann chinesisches Engagement in Österreich nicht ausschauen, dass man sich einkauft, Know How abzieht und dann alle raushaut.“ Allerdings ist von Seiten der zuständigen Wirtschaftsministerin Schramböck (ÖVP) noch keine Unterstützungserklärung gekommen.

Staatliche Sanierung als Lösung

Eine Möglichkeit wäre auch, dass der Staat einspringt und durch eine Auffanggesellschaft für die Sanierung sorgt. Als Vorbild in Spielberg gilt die staatliche Pleite-Holding GPI, die Betriebe wieder sinnvoll hochgefahren hat. Lercher forderte deshalb einen staatlichen Beteiligungsfonds am Unternehmen: „Wirtschaftsministerin Schramböck hat angekündigt, dass sie Österreichs Schlüsseltechnologie verstärkt im Land behalten möchte. ATB stellt Elektromotoren her. Mehr Schlüssel- und Zukunftstechnologie geht gar nicht.“ Schramböck müsse jetzt „schlaue Wirtschaftspolitik“ betreiben und für eine Sanierung sorgen. „Vielleicht gibt es aber auch einen Privatinvestor, der es mit uns probieren will“, sagt Leitner.  

Solidarische Belegschaft von der Bundesregierung im Stich gelassen

Wenn der langjährige Betriebsrat nun davon spricht, dass die ATB-Belegschaft zu “Kampfmaßnahmen gezwungen” werde, ist das keine leere Floskel. Die Beschäftigten haben seit Jahren alles für den Standort getan. Ein Beispiel zeigt die Verbundenheit der Mitarbeiter mit dem Werk ganz besonders: 2003 sollten über 100 Arbeitsplätze aus der Wickelei nach Serbien verlagert werden. Alle Mitarbeiter haben sich kurzerhand auf Lohn- und Gehaltskürzungen eingelassen, um die Arbeitsplätze in Spielberg zu erhalten. Mit Erfolg – die Wickelei hat sich zum Kompetenzzentrum entwickelt, 2016 übernahm sie sogar Aufgaben vom deutschen Standort.

Update: Solidarität aus der Bevölkerung, Schikanen durch Wolong

Am Montag kamen die ATB-Mitarbeiterinnen aus dem Betriebsurlaub zurück. Vor dem Tor zum Werk erwarteten sie 250 Menschen aus der Region und wollten sie unterstützen. Vorstand Rolf Primigg hatte allerdings noch eine letzte Überraschung für seine Mitarbeiterinnen auf Lager: er zog die Kündigungen in die Länge. Ohne Essen und Trinken im ganzen Haus. Geschlagene sieben Stunden lang. Sogar die Rettung musste anrücken.
Arbeiterkammer und Gewerkschaft wurden vom Vorstand von der Versammlung ausgeschlossen.

Update: Insolvenzrecht ausgetrickst

Die meisten Beschäftigten waren seit Jahrzehnten im Betrieb. Für ihre Abfertigungen hat die Wolong-Gruppe kein Geld. Darum muss der Insolvenzausgleichsfonds einspringen. Die chinesischen Eigentümer der ATB stellen lieber 30 Millionen Euro für andere Gläubiger bereit. So gelang es ihnen, eine Lücke im Insolvenzrecht auszunützen und die Maschinen des Werks nach Polen zu bringen. Die Arbeiterkammer will hat beim Oberlandesgericht Einspruch eingelegt. Doch während am Mittwoch draußen die Belegschaft demonstrierte, transportierten LKW mit polnischen Kennzeichen die Maschinen ab. Die SPÖ will nun im Parlament eine Gesetzesänderung durchsetzen und die Lücke schließen. Denn so etwas soll nicht noch einmal passieren.

Update: Bundesregierung “übersieht” ATB-Belegschaft

Bereits vor Wochen hatten sich die Beschäftigten an den Bundeskanzler gewandt, berichtet Betriebsrat Leitner kontrast.at: “Wir wollten mit dem Bundeskanzler reden, haben ihm geschrieben, aber er hat uns vier Wochen nicht einmal geantwortet.” Früher seien bei Krisen zumindest Regierungsvertreter hier gewesen und hätten sich bemüht. Von der Türkis-Grünen Regierung ließ sich niemand blicken.

Mittwoch kam dann doch noch ein Anruf aus dem Bundeskanzleramt mit einer Erklärung dafür: Kanzler Kurz und sein Team hab die Anliegen der fast 400 Beschäftigten “übersehen”.

The post ATB-Belegschaft wehrt sich gegen Schließung: Wir ketten uns an die Maschinen appeared first on NeueZeit.at.

]]>
https://neuezeit.at/streik-atb-mitarbeiter-wehren-sich/feed/ 0 1666