Katar - NeueZeit.at https://neuezeit.at/tag/katar/ Nachrichten, Analysen, Hintergründe Wed, 14 Dec 2022 16:06:13 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.1 https://neuezeit.at/wp-content/uploads/2022/07/cropped-NZ-Tab-Img-32x32.png Katar - NeueZeit.at https://neuezeit.at/tag/katar/ 32 32 116639545 Fußball-WM in Katar: Dunkle Schatten statt fröhlichem Fußballfest https://neuezeit.at/fussball-wm-katar-kommentar-hannes-heide/ https://neuezeit.at/fussball-wm-katar-kommentar-hannes-heide/#respond Wed, 14 Dec 2022 16:06:13 +0000 https://neuezeit.at/?p=17226 Würden die Fans für jeden der verstorbenen Bauarbeiter eine Schweigeminute abhalten, müssten sie während der gesamten 64 Spiele des Turniers schweigen. Nicht nur das zeigt: Die Qualifizierung einer WM-Austragung muss künftig zwingend an die Einhaltung demokratischer und menschenrechtlicher Grundrechte geknüpft sein. Gastkommentar von Hannes Heide. Hannes Heide ist Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. […]

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Würden die Fans für jeden der verstorbenen Bauarbeiter eine Schweigeminute abhalten, müssten sie während der gesamten 64 Spiele des Turniers schweigen. Nicht nur das zeigt: Die Qualifizierung einer WM-Austragung muss künftig zwingend an die Einhaltung demokratischer und menschenrechtlicher Grundrechte geknüpft sein.

Gastkommentar von Hannes Heide.
Hannes Heide ist Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Als Fußballfan setzt er sich für Fair Play in allen Bereichen des Sports ein.

Bald steigt das Finale der Fußballweltmeisterschaft in Katar. Kaum ein sportliches Großereignis war je so von Kritik überschattet, angefangen von Schlagzeilen um tote Arbeiter auf den Stadionbaustellen, offener Homophobie und groben Menschenrechtsverletzungen. Doch Katar ist längst nicht der einzige problematische Austragungsort in der WM-Geschichte.

Vor vier Jahren hatte der damalige Gastgeber Russland bereits völkerrechtswidrig die Krim annektiert. Bereits vergessen scheint der Tiefpunkt der FIFA mit der Vergabe an Argentinien 1978. Unvorstellbar einer Militärdiktatur, deren Verbrecherregime mehr als 30.000 Menschen in Konzentrationslagern erschoss, ertränkte und folterte, mit der Ausrichtung einer Fußballweltmeisterschaft zu betrauen. Blickt man noch weiter zurück, ist das aber kein Einzelfall. Auch Faschistenführer Benito Mussolini, der 1934 auf dem Höhepunkt seiner Macht stand, ließ sich für den Titel von Italien bei der Heim-Weltmeisterschaft feiern.

Korruption und Betrug

Offensichtlich haben die Funktionäre des internationalen Fußballverbands nichts aus der Vergangenheit gelernt. Nachdem die FIFA 2010 Katar als Gastgeber ausgewählt hatte, beschuldigte und verhaftete die US-Bundesstaatsanwaltschaft 2015 etwa zwei Dutzend Offizielle des Weltverbandes wegen Betrugs- und Korruptionsdelikten im Zusammenhang mit der Bewerbung Katars. FIFA-Präsident Sepp Blatter, damals federführend am Vergabeprozess beteiligt, gesteht mittlerweile ein, es sei ein Fehler gewesen die Austragung der Weltmeisterschaft an Katar zu vergeben.

Die jüngsten Korruptionsvorwürfe gegen die mittlerweile abgesetzte griechische Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili, legen den Verdacht nahe, dass sich Katar durch Bestechung von Abgeordneten Einfluss in Europa erkaufen möchte. Das Vertrauen in das Europäische Parlament ist durch kriminelle Machenschaften und Geldgier erschüttert.

Die Vorgänge um die Vergabe der WM gehören ebenso lückenlos aufgeklärt, wie die Korruptionsvorwürfe gegen die beschuldigten Abgeordneten. Die rasche Reaktion des Europäischen Parlaments zeigt, dass die Kontrollmechanismen grundsätzlich funktionieren. Es braucht jedoch mehr verbindliche Transparenzregeln, besonders im Umgang mit Drittländern und einen konsequenten Kurs im Umgang mit Korruption in den Mitgliedstaaten.

6.500 Tote auf WM-Baustellen

Die Liste an massiven Verfehlungen des katarischen Regimes ist lang. Gesellschaftlich sind die Verhältnisse verheerend. Politisch Andersdenkende haben ebenso wie Frauen und Homosexuelle praktisch keine Rechte, Menschenrechtsverletzungen sind eher die Regel denn die Ausnahme. Und eine freie Berichterstattung über die zahlreichen Defizite ist den Mächtigen völlig fremd.

Um in kürzester Zeit aus dem Wüstenstaat ein Fußballmekka zu machen, wurden südasiatische Wanderarbeiter ausgebeutet. Mindestens 6.500 Arbeiter starben beim Bau der WM-Stadionen in Katar, die meisten an Hitzschlag, während sie 12 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche arbeiteten, manchmal ohne Trinkwasser. Allein für die WM wurden 30.000 Arbeiter rekrutiert und mithilfe des inzwischen verbotenen Kafala-Systems wie Leibeigene gehalten.

„Kafala“ ist ein Bürgschaftssystem für Arbeitsimmigranten, in dem oft europäische oder amerikanische Unternehmen als Sponsoren auftreten. Häufig werden die Pässe der Arbeiter zurückhalten, um sie davon abzuhalten, vor den widrigen Arbeitsbedingungen zu fliehen.

Würden die Fans für jeden der Verstorbenen eine Schweigeminute abhalten, müssten sie während der gesamten 64 Spiele des Turniers schweigen.

Imagepolitur für Katar

Die FIFA hat das größte Sportereignis des Jahres in die Hände eines totalitären Systems gelegt, dass die völkerverbindende Kraft des Fußballs missbraucht, um finanzielle Interessen durchzusetzen und das Image eines repressiven Staates loszuwerden. Der Wüstenstaat möchte nicht nur seinen Ruf aufpolieren, sondern seine Wirtschaft diversifizieren. Noch verfügt Katar über die drittgrößten Erdgasreserven der Welt und der Westen ist mehr denn je von Öl und Gasimporten aus der Region abhängig. Doch wenn diese Quellen irgendwann versiegen, oder die westlichen Nationen sich durch alternative Energien aus der Abhängigkeit befreien können, braucht Katar Verbündete, denn die Beziehungen zu den mächtigen Nachbarländern sind zerrüttet.

Verantwortung der FIFA

Der Profisport, insbesondere Fußball, ist mittlerweile tief in geopolitische Entwicklungen involviert. Die FIFA trägt dabei eine große Verantwortung und sollte ihre mächtige Position für die gute Sache nutzen: Sich klar für die Einhaltung von Grundrechten, Demokratie und Menschlichkeit einsetzen. Um die Glaubwürdigkeit bei den Fans zurückzugewinnen muss die FIFA als gemeinnütziger Verband dringend reformiert und demokratisiert werden. Ein erster, kleiner Schritt in die richtige Richtung wurde mit dem Einsatz eines Menschenrechtsausschusses, dem Expertinnen und Experten der Vereinten Nationen angehören, bereits gesetzt.

Eines ist jedoch klar: Die Qualifizierung einer WM-Austragung muss künftig zwingend an die Einhaltung demokratischer und menschenrechtlicher Grundrechte geknüpft sein.

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„Ängste für die eigene Politik ausnutzen ist wie Fußball in der Wüste: sinnlos und gefährlich“ https://neuezeit.at/katar-menschenrechte-peter-kaiser/ https://neuezeit.at/katar-menschenrechte-peter-kaiser/#respond Mon, 12 Dec 2022 10:21:07 +0000 https://neuezeit.at/?p=17149 Nicht nur die Fußball-WM in Katar zeigt: Die Mächtigen herrschen über die Machtlosen und zwingen der Welt mit Geld und Gewalt ihren Willen auf. Die Menschenrechte sind das sichtbare Signal, dass wir daran glauben: Eine bessere Welt ist möglich! Der internationale Tag der Menschenrechte am 10. Dezember liegt knappe zwei Wochen nach dem Start der […]

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Nicht nur die Fußball-WM in Katar zeigt: Die Mächtigen herrschen über die Machtlosen und zwingen der Welt mit Geld und Gewalt ihren Willen auf. Die Menschenrechte sind das sichtbare Signal, dass wir daran glauben: Eine bessere Welt ist möglich!

Bild: LPD Kärnten


Gastkommentar
von Landeshauptmann Peter Kaiser
zum internationalen Tag der Menschenrechte

Der internationale Tag der Menschenrechte am 10. Dezember liegt knappe zwei Wochen nach dem Start der Fußball-WM in Katar. Ein Bewerb, von dem wir wissen, dass er mit horrenden Bestechungsgeldern ins Land geholt wurde. In ein Land, in dem Frauen keine Rechte haben und Homosexualität verboten ist. Ein Land, das bereit war, zehntausende Gastarbeiter den Hitzetod sterben zu lassen, um vollklimatisierte Stadien in die Wüste zu stellen.

Ich sage bewusst Land, denn was wissen wir schon, wie die Menschen von Katar die Fußball-WM sehen? Sie leben nicht in einem Land der Pressefreiheit, der Wahlfreiheit oder der Meinungsfreiheit.

Was hilft die Erinnerung an Menschenrechte den Gastarbeitern in Katar?

Und doch begehen wir den Tag der Menschenrechte. Aber was hilft das Erinnern daran den toten Gastarbeitern und ihren Familien? Was hilft es, aus tiefstem Herzen und Überzeugung solidarisch mit den Frauen im Iran zu sein, wenn keine Realpolitik da ist, um zu unterstützen, zu drohen und zu sanktionieren? Was hilft es an den Tag der Menschenrechte zu erinnern, wenn wir täglich erleben, wie die Mächtigen über die Machtlosen herrschen, wie sie mit Brutalität, Geld und nackter Gewalt der Welt ihren Willen aufzwingen? Viele stellen sich heute die Frage – sind wir gescheitert mit dem Versuch eine bessere Welt zu bauen?

Andere, aber das sind die Zyniker, haben eh schon immer gewusst, dass die Welt schlecht und der Mensch am Schlechtesten ist. Als Humanist und Menschenfreund teile ich dieses Weltbild nicht. Aber ich kann durchaus verstehen, auch angesichts der Zeiten, die wir gerade erleben, wie verlockend es ist, sich einer pessimistischen Grundstimmung zu ergeben.

Die Realität ist viel komplexer

Sie werden sagen, dass sei kein Pessimismus, sondern Realismus. Da widerspreche ich. Die Realität ist viel komplexer, als wir sie gerne hätten. Es fängt beim Fußball an. Ich liebe diesen Sport. Als Kind habe ich sonntags in der Kirche ministriert, um mit meinen Freunden Spielzeit auf dem Fußballplatz der Kirche zu bekommen. Ich wohne zehn Gehminuten vom Stadion entfernt und wann immer möglich, sitze ich als Fan auf der Bühne. In Klagenfurt bei der Austria, in Wolfsberg beim WAC.

Zuseher vor den Bildschirmen begehen keine Menschenrechtsverletzung

Ich behaupte, als leidenschaftlicher Fußballer und Fußballfan, diese WM in Katar hat gar nichts mit dem Sport zu tun, den ich liebe. Doch gleichzeitig behaupte ich auch: Die Profis, die dorthin fliegen, um zu spielen, sind nicht böse. Die Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen begehen keine Menschenrechtsverletzung, wenn sie sich die Spiele anschauen, mitfiebern und mitjubeln. Und die Freude über ein Tor ist echt, auch dann, wenn sie in der künstlichsten Umgebung stattfindet, die je Bühne für Fußball war.

Die Realität ist viel komplexer, als wir sie gerne hätten. In der Realität wissen wir, dass es nicht die Welt an sich, Katar, die FIFA, der eine oder anderer Menschen ist, der böse und schlecht ist – sondern dass es Zeit ist für eine Systemwechsel, für eine Nachbesserung, für ein Update unserer Prioritäten als Gesellschaft.

Ausrede für Gier

Mehr Demokratie, mehr Nachhaltigkeit, mehr Fairness und ja – weniger vom immer höher, größer, mehr – das sind die Aufgaben, denen wir uns stellen müssen. Warum verlassen wir uns nicht wieder auf den viel bemühten „Hausverstand“? Wir wissen, dass es keine nachvollziehbare, rationale Rechtfertigung für eine WM in der Wüste gibt. Wir wissen, jede Rechtfertigung, ist eigentlich nur eine schlechte Ausrede für Gier, Verantwortungslosigkeit und kurzfristiges Denken. Eine Ausrede, von der Einige profitieren, die meisten aber verlieren. Und vor allem: niemand glaubt mehr an diese Ausreden, niemand hat mehr Verständnis für diese Scheinheiligkeit, für das freche Aushebeln aller Grund- und Freiheitsrechte im Namen des lieben Geldes.

Da haben wir sie wieder – die Menschenrechte. Die Menschenrechtskonvention wurde 1950 als Reaktion auf Krieg und Holocaust geschaffen und verpflichtet die europäischen Staaten, die Menschenrechte und Grundfreiheiten im eigenen Hoheitsgebiet und untereinander anzuerkennen. Das ist fundamental. Das ist demokratisch. Demokratie – eine Staatsform, in der weltweit nur 25 Prozent der acht Milliarden Menschen leben.

Die Menschenrechte waren und sind das sichtbare Signal: wir glauben daran, ja wir träumen davon – eine bessere Welt ist möglich!

Deshalb dürfen wir auch nicht den Fehler machen, eine Asyl- und Fluchtdebatte bei den Menschenrechten zu starten. Das wäre, als würde man ein Haus sanieren und erst einmal die tragenden Mauern abreißen. Das ist nicht notwendig. Es ist nicht notwendig, Menschen auf der Flucht ihre Menschlichkeit abzusprechen – weil es in Österreich und auf europäischer Ebene verabsäumt wurde, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

Es gibt Möglichkeiten

Es gibt Lösungen, wenn sie politisch gewollt sind. Es gibt Möglichkeiten – immer voraussetzt, dass die bestimmenden bundespolitischen Kräfte unseres Landes Interesse an Lösungen haben. Ich habe mir gemeinsam mit Hans-Peter Doskozil und beraten von Expertinnen und Experten Gedanken darüber gemacht, wie diese Lösungen aussehen können und müssen. Sie finden sie hier.

Es ist halt leichter und für die Wahlen besser, wenn ich behaupte, die „Balkanrouten zu schließen und „Grenzen dicht“ schreie. Es ist leichter aus der Angst der Menschen politisches Kapital zu schlagen, als Lösungen zu erarbeiten. Aber langfristig gesehen ist diese Art von Politik wie ein Fußballspiel in der Wüste: sinnlos und gefährlich.

Eine Welt ohne Menschenrechte, ohne den Traum von Gerechtigkeit für alle, scheint mir genauso sinnlos und gefährlich. Ich sag es ganz ehrlich und offen: Ich träume diesen Traum von einer besseren Welt. Und ich bin vieles, aber kein Träumer. Ich bitte Sie, träumen Sie mit mir. Wenn wir uns diesen Traum verbieten, wenn wir aufgeben, dann wird es eine schwere und ungerechtere Welt für unsere Kinder und Kindeskinder.

Diese Frauen sind bereit dafür zu sterben …

Vor fast genau 60 Jahren stand ein Mann in Washington auf einer Bühne und sagte vier Worte, die die Welt verändert haben, bis zum heutigen Tag: “I have a dream.“ Die Frauen im Iran glauben an diesen Traum. Sie glauben so stark daran, dass sie bereit sind dafür zu sterben. Was sind wir bereit zu tun? Let us dream together …

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6.500 Tote auf den WM-Baustellen in Katar, aber die FIFA verdient 6 Mrd. an der Weltmeisterschaft https://neuezeit.at/wm-katar-todesfaelle/ https://neuezeit.at/wm-katar-todesfaelle/#respond Fri, 11 Jun 2021 05:31:12 +0000 https://neuezeit.at/?p=5538 Die Fußball-EM startet. Die nächste Weltmeisterschaft findet nächstes Jahr im arabischen Katar statt. Seit 2010 sind dort mehr als 6.500 Arbeiter auf den WM-Baustellen ums Leben gekommen. Das liegt unter anderem am sogenannten „Kafala-System“: Ausländische Arbeiter müssen bei der Ankunft in Katar ihre Pässe abgeben und werden zum Arbeiten im Land „gefangen“ gehalten. Der Fußball-Verband […]

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Die Fußball-EM startet. Die nächste Weltmeisterschaft findet nächstes Jahr im arabischen Katar statt. Seit 2010 sind dort mehr als 6.500 Arbeiter auf den WM-Baustellen ums Leben gekommen. Das liegt unter anderem am sogenannten „Kafala-System“: Ausländische Arbeiter müssen bei der Ankunft in Katar ihre Pässe abgeben und werden zum Arbeiten im Land „gefangen“ gehalten. Der Fußball-Verband FIFA beschönigt die Todesfälle vor der WM in Katar.

Der Artikel ist in englischer Sprache auf Scoop.me verfügbar und kann frei weiterverbreitet werden.

Fußball-WM in Katar: Über 6.500 Todesfälle auf WM-Baustellen

Die WM 2022 findet in Katar statt. Bisher gab es 6.500 Todesfälle auf den Baustellen.
Der arabische Staat Katar war bisher nicht als Fußball-Hochburg bekannt. 2022 findet dort erstmals die WM statt.

Seit der umstrittenen Entscheidung, die Fußball-Weltmeisterschaft (WM) 2022 im arabischen Katar auszutragen, sind über 6.500 Arbeiter auf den WM-Baustellen gestorben. Die Dunkelziffer der Todesfälle dürfte noch wesentlich höher sein. Denn bei den Verstorbenen wird die große Anzahl an ausländischen Arbeitskräften aus Ländern wie Kenia nicht mitgezählt.

Die Wanderarbeiter haben die Aufgabe, die katarische Infrastruktur in Vorbereitung auf die WM 2022 in Schuss zu bringen. Viele der verstorbenen Arbeiterinnen und Arbeiter kamen bei WM-bezogenen Projekten wie Stadion- Flughafen- oder Hotelbauten ums Leben.

Das „Kafala-System“ kontrolliert die ausländischen Arbeiter

Die Arbeitskräfte sind an das sogenannte „Kafala-System“ gebunden, das den Arbeitgebern die Kontrolle über die Pässe der Arbeiter gewährt. Sie sind gezwungen, im arabischen Staat zu bleiben. Ihre Löhne werden oft monatelang einbehalten oder gar nicht erst ausbezahlt.

Das „Kalafa-System“ zwingt die ausländischen Arbeitskräfte dazu, bei der Ankunft in Katar ihre Pässe abzugeben. Die Arbeitnehmer werden wie Gefangene im Land gehalten – und müssen bei hochsommerlichen Temperaturen tagelang durchschuften. Viele von jenen, die beim Bau der Stadien starben, sind ganz einfach vor Erschöpfung zusammengebrochen. Auch Fälle von Selbstmorden gibt es.

Arbeiten bei 45 Grad

Die hohe Zahl der Todesfälle ist nur ein Teil des Problems in Katar. Die Wanderarbeiten müssen oft mehr als 1.000 Dollar zahlen, um überhaupt arbeiten zu dürfen. Sie leben unter “erbärmlichen” und “bedrückenden” Bedingungen, wie ein kenianischer Arbeiter gegenüber der britischen Nachrichten-Seite BBC berichtet.

Der Arbeitstag beginnt um 04:00 Uhr Früh und dauert den ganzen Tag. Zur Verpflegung gibt´s nur warmes Trinkwasser. Sind die Arbeiter abends fertig, kehren sie in überfüllte Lager zurück. Sie leben in überfüllten Schlafsälen mit schmutzigen Sanitäranlagen. Ohne Klimaanlage bei Außentemperaturen von 45 Grad Celsius.

Ein britischer Bauleiter einer der WM-Baustellen beschreibt die Arbeitsbedingungen im BBC-Gespräch. Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften seien „nicht existent. Ich bin entsetzt über die Risiken, die jeden Tag auf der Baustelle eingegangen werden“.

Katar macht nur langsam Zugeständnisse

Die Reaktion der katarischen Regierung ist, vorsichtig formuliert, begrenzt. 2018 legte Katar einen Plan zur Reform seines „Kalafa-Systems“ vor – die Reform wurde nie umgesetzt. Zwar trat der arabische Staat 2018 einem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte bei. Die Rechte und Schutzmaßnahmen, die den Wanderarbeitern durch den Pakt eigentlich zustehen würden, verweigert Katar aber nach wie vor.

Lama Fakih, stellvertretende Direktorin der NGO Human Rights Watch, erklärt, dass “Katar zwar einige wichtige Schritte zum Schutz der Menschenrechte unternommen hat. Aber es ist noch ein langer Weg, bis Wanderarbeiter vor Missbrauch und Ausbeutung geschützt sind.”

FIFA redet Todesfälle vor der WM in Katar schön

Die Situation in Katar offenbart mehr als nur den Bedarf an innenpolitischen Reformen. Sie macht deutlich, dass der internationale Fußball-Verband FIFA die Menschenrechte missachtet. Nach der WM 2018 in Russland hilft die FIFA auch 2022 in Katar das zu machen, was als „Sportwashing“ bezeichnet wird. Der Begriff beschreibt, dass eine Nation – oft eine, die wegen Menschenrechts-Verletzungen in der Kritik steht – den Sport nutzt, um das eigene Image aufzupolieren.

Die FIFA zählt zu den wichtigsten Sportverbänden der Welt und pflegt enge Sponsoring-Partnerschaften mit Riesen-Konzernen wie Coca-Cola, Visa, McDonald´s oder Adidas. Zu den schlechten Arbeitsbedingungen in Katar hat der Fußballverband aber überraschend wenig zu sagen. Und wenn doch, widersprechen die FIFA-Aussagen den Berichten der Arbeiter vor Ort. Eine FIFA-Sprecherin meint:

“Durch die sehr strengen Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen (…) war die Häufigkeit von Unfällen auf den Baustellen der FIFA-WM im Vergleich zu anderen großen Bauprojekten auf der ganzen Welt gering.”

Es ist schwierig, das wahre Ausmaß der schrecklichen Arbeitsbedingungen in Katar zu erfassen. Die Todesfälle werden schlecht dokumentiert. Klar ist: Eine Änderung des „Kafala-Systems“ ist dringend notwendig. Die FIFA hat eine Verantwortung und muss sich dem Problem stellen – sie hat die WM an Katar vergeben und darf jetzt nicht schweigen. Sonst wird die FIFA zur Mittäterin bei der Missachtung der Menschenrechte und der Ausbeutung der Arbeiter auf den WM-Baustellen. Immerhin verdient die FIFA auch ordentlich an der Weltmeisterschaft: Mit der letzten WM 2018 machte der Verband 6,1 Milliarden Euro Umsatz.

Autor: Harry Markham.

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