Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat schon vier kritische Medien aufgelöst, sagt die sozialdemokratische Oppositionschefin Agnes Kunhalmi im Interview. Bei den nächsten Wahlen 2022 will sie „nicht nur die Regierung, sondern auch das System ändern“.
Seit elf Jahren ist Viktor Orbán mit seiner rechtspopulistischen Partei FIDESZ in Ungarn an der Macht. Einige Nicht-Regierungsparteien haben sich zu einer sogenannten „demokratischen Opposition“ zusammengeschlossen. Sie wollen bei den nächsten Parlamentswahlen 2022 die Mehrheit erobern.
Der größte Oppositions-Block ist jener aus der sozialdemokratischen Partei MSZP und Ungarns Grünen. Die MSZP-Parteichefin Ágnes Kunhalmi sagt im NeueZeit-Interview: „Wir wollen nicht nur die Regierung, sondern auch das System ändern.“ Sollte Orban die Wahlen 2022 wieder gewinnen, drohen dem Land „noch aggressivere Maßnahmen“.
NeueZeit: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán regiert Ungarn immer autoritärer. Die Demokratie wird schrittweise abgebaut, kritische Stimmen eingeschüchtert. Können Sie offen und ehrlich mit uns sprechen, ohne Nachteile befürchten zu müssen?
Ágnes Kunhalmi: Orbán baut die Demokratie tatsächlich Schritt für Schritt ab. Oppositionspolitiker können offen mit der ausländischen Presse sprechen, werden aber von den regierungsnahen Medien oft als Feinde Ungarns oder Verräter der Nation bezeichnet. Gleichzeitig tut die Regierung alles in ihrer Macht Stehende, um die Möglichkeiten von Oppositions-Abgeordneten im Parlament oder in öffentlichen Institutionen zu minimieren.
„Reporter ohne Grenzen“ reiht Ungarn im Pressefreiheits-Ranking nur mehr auf Platz 92. Würde eine ungarische Zeitung abdrucken, was Sie hier über Orban und seine FIDESZ sagen?
Das würde sie immer noch tun, ja. Allerdings versucht die Regierung, kritische Medien schrittweise aufzulösen – so hat sie es mit origo.hu, index.hu, Népszabadság und Klubrádió gemacht. Die kritischen Medien, die noch existieren, stehen definitiv unter Druck. Die Regierung versucht, sie einzuschüchtern und bedroht sie immer wieder. Noch aggressivere Maßnahmen sind zu erwarten, wenn der Fidesz die Wahlen 2022 gewinnen sollte.
Orban ist seit elf Jahren an der Macht, unter ihm entwickelt sich das Land immer weiter von Europa weg. Wo wird Ungarn in fünf Jahren stehen?
Wenn die demokratische Opposition die Wahlen im Jahr 2022 gewinnt, wird Ungarn definitiv eine Rolle bei der progressiven Reform der EU spielen, vor allem bei der Integration. Andernfalls würde Orban seine Politik der Kehrtwende auf dem Weg der Integration fortsetzen – im Bündnis mit anderen rechten und rechtsradikalen Kräften.
Wenn es nach Ihrer sozialdemokratischen Partei MSZP geht: Was muss sich in Ungarn ändern?
Die demokratische Opposition, und in ihr die MSZP, will nicht nur die Regierung, sondern auch das System ändern. Das würde radikale Änderungen in mehreren Bereichen bedeuten. Die wichtigsten drei sind: das Verfassungssystem, Bildung und Steuern, aber auch im Gesundheitswesen und bei den Pensionen sind große Reformen erforderlich.
Box Agnes Kunhalmi
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