Diesmal sind es keine geheimen Chats, sondern ein öffentliches Interview des Ex-ÖVP-Politikers Andreas Khol, das Einblick in das Weltbild der Türkisen gibt. Khol rät jungen Politikern, SMS „jeden Tag“ zu löschen. Und Politiker seien in Wahrheit arm dran: „Ohne Brotberuf wird man als Politiker schnell zum Sozialfall.“
Der ehemalige ÖVP-Klubchef und Nationalratspräsident Andreas Khol nimmt in einem Kurier-Interview ausführlich Stellung zu den aktuellen Ermittlungen gegen Kanzler Kurz und Co – und gibt dabei seinen Parteifreunden absurde Tipps. Der Bundeskanzler etwa müsse den „Rechtsstaat ertragen“ und jungen Nachwuchs-Politikern rät Khol: „SMS jeden Tag löschen, heikle Gespräche im Festnetz führen“.
Andreas Kohl war 23 Jahre lang Parlamentsabgeordneter für die ÖVP, vier Jahre davon als Präsident des Nationalrates. Bei der letzten Bundespräsidentschaftswahl 2016 trat er für die ÖVP an. Allerdings mit mäßigem Erfolg: Mit 11,12% belegte er Platz 5 von 6, nur Richard Lugner erhielt noch weniger Stimmen als Khol.
Das hält den eingefleischten ÖVPler nicht davon ab, sich immer wieder politisch zu Wort zu melden. Ein Interview in der Tageszeitung „Kurier“ sorgt jetzt für viel Aufregung.
Darin verteidigt Khol etwa Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), als der sich anfangs weigerte, Akten an den Untersuchungs-Ausschuss auszuliefern. Erst nach der drohenden Exekution durch den Verfassungsgerichtshof lenkte Blümel ein. Ex-ÖVP-Politiker Khol nimmt seinen Parteifreund in Schutz: Er hätte nicht wissen können, dass er die Akten sofort ausliefern muss, denn „Blümel ist Master of Business Administration, er musste es nicht wissen“.
Die Regeln eines Untersuchungs-Ausschusses sind seit Jahren unverändert – und wohl auch dem amtierenden Finanzminister bewusst. Ein U-Ausschuss darf Unterlagen von allen Organen des Bundes, der Länder und der Gemeinden anfordern. Und die Organe müssen auch liefern.
Das trifft auch auf E-Mails oder Chat-Protokolle zu, wenn sie für den Untersuchungsgegenstand wichtig sind. Auch dazu hat Andreas Khol einen Tipp parat. Jungen Nachwuchs-Politikern rät er:
„Es gibt ein Grundgesetz: SMS jeden Tag löschen, heikle Gespräche im Festnetz führen. Man muss die Regeln des Spiels kennen.“
Das, was ÖVPler Khol als Spiel bezeichnet, hat in den letzten Wochen viele Menschen verärgert. In den ÖVP-Chats wurde etwa bekannt, dass sich Thomas Schmid mit Hilfe von Kurz und Blümel selbst an die Spitze der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAB hievte. Ein Posten, der mit einem Jahresgehalt bis zu 610.000 Euro aus Steuergeld dotiert ist.
Während Khol österreichischen Politikerinnen und Politikern das Löschen ihrer Nachrichten rät, will man in Großbritannien einen ganz anderen Weg einschlagen. Dort diskutiert die Politik derzeit über einen Gesetzesvorschlag, der Regierungsmitgliedern das Löschen von Chats ausdrücklich verbietet, wenn es darin um wichtige politische Entscheidungen geht.
Die Idee hinter dem Vorstoß: Parlamentarische Untersuchungen über die Corona-Politik der britischen Regierung sollen auch im Nachhinein transparent sein. Nur so könne man in dieser „nationalen Notlage“ Entscheidungen prüfen und aus Fehlern lernen. Die Initiatoren berufen sich auf das Recht auf Informationsfreiheit – das gilt auch in Österreich.
Die aktuellen Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz bezeichnet Khol als „Lern- und Reifeprozess, den er jetzt einfach durchstehen muss“. Sein Ratschlag an Kurz: „Weitermachen, Regieren, das Notwendige tun und den Rechtsstaat ertragen.“
Politiker, die die unabhängige Justiz „ertragen“ und das „Spiel“ kennen müssen – Khol zeichnet in seinem Interview ein völlig verdrehtes Bild, in dem Politiker die eigentlich armen im politischen System sind.
„Politiker ist ein sehr unsicherer Beruf geworden“, sagt Kohl. „Ich bedauere, dass es kaum mehr Ärzte, Richter, Rechtsanwälte oder Spitzenbeamte im Parlament gibt, weil das Risiko zu groß ist. Ohne Brotberuf wird man als Politiker sehr schnell zum Sozialfall.“
Es gibt im Parlament übrigens auch kaum Arbeiterinnen und Arbeiter. Und vom Gehalt eines Nationalratsabgeordneten – 9.228 Euro brutto pro Monat – können viele nur träumen.
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