Gesellschaft

Heimatpop-Sängerin Anna Buchegger streut mit neuem Album „Soiz“ in die Wunden Ewiggestriger 

„Wir sollten uns alle weniger ernst nehmen“, findet Anna Buchegger im NeueZeit-Interview. Wir finden das gut und trafen die in Wien wohnhafte und aus Abtenau/Salzburg stammende Sängerin zum Gespräch.  Während die Rechten seit Jahren unsere gemeinsamen Traditionen und Werte für ein veraltetes Weltbild kapern, knöpft sie sich den Heimatbegriff konsequent vor. 364 Tage nach ihrem Debüt-Album „Windschatten“ erscheint am 3. Oktober ihr zweites Album „Soiz“.

NeueZeit: Fast genau auf den Tag nach deinem Debütalbum am 4.10.2024, bringst du jetzt am 3.10.2025 dein 2. Album raus. Mit diesem Tempo machst du bald Taylor Swift Konkurrenz! Dürfen wir uns in 364 Tagen schon auf deinen 3. Album-Release freuen?

Anna Buchegger: Ja, ich glaub tatsächlich schon. Aber ich hätt’ mir jetzt beim zweiten Album gewünscht, dass ich noch mehr Zeit hätte lassen. 

Warum?

Ich glaub, ich hätt noch gern so ein bisschen mehr geforscht. Also auch mal so wieder Blödsinn gemacht. Also es war gleich so, wir gehen ins Studio und machen den nächsten Song für das zweite Album. Und es war aber nicht,” wir gehen ins Studio und machen irgendwas”. Davon wünsch ich mir mehr. Und ich hab auch schon Lieder für’s 3. Album aufgenommen…

Welche Message möchtest du mit deiner Musik senden? Und was willst du den HörerInnen vermitteln? Wie sie vor allem in dieser politischen Zeit den Heimatbegriff reclaimen können von den Rechten? Das ist ja auch ein Thema.

Ja, ich habe das Gefühl, Heimat wird immer dann relevant, wenn zu viele Veränderungen auf einmal sind. Und es war schon in der Industrialisierung so, dass während der Industrialisierung extrem viele Heimatbewegungen entstanden sind. Dann ist Heimat zur Ideologie geworden, zurück ins Reich geholt worden, die Nazizeit war angebrochen. Und seitdem ist der Heimatbegriff irgendwie für Demokrat:innen unbrauchbar geworden. Das ist so ein Begriff, der ständig total politisierend ist.

Heimat ist ein Konzept, an dem man arbeiten muss und nix, wo man sich „hinflüchten“ kann, wenn die Welt unsicher wird. Und es ist vor allem kein abgeschlossenes System. Mit der Veränderung mit der Zeit passt sich das an und es gibt immer neue Anforderungen und neue Bedürfnisse und es ist die Verantwortung von allen, die gemeinsam in einem „Konzept Heimat“ leben wollen.  

Warum tust du, was du tust? Was ist dein Antrieb und deine Inspiration für deine Musik?

Weil ich ganz fest daran glaube, dass Kunst und Kultur einen Unterschied machen können. Dass Kunst und Kultur einen Einfluss haben auf verschiedene Menschen, einen Diskurs starten können, eine neue Perspektive geben können. Und ich glaub, dass Musik, die Kunst und die Kultur etwas ins Rollen bringen können, was dann vielleicht Weiterentwicklungen, positive Veränderungen verursacht.

Veränderungen bezüglich welcher Aspekte zum Beispiel? 

Allgemeinwohl, Rücksichtnahme, Solidarität. Vielleicht auch, um Ungerechtigkeiten bewusster anzusprechen. Vielleicht auch Mut. Also ich glaube schon, dass es auch mutig machen kann und dass es motivieren kann. Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Und ich glaube, dass es auch ein Ort sein kann, wo man die Emotionen auch mal loslassen kann und wo man auch traurig sein kann. Quasi „Music to cry to“.

Apropos weinen: Machst du Musik für deine Hörerinnen und Hörer oder ist Musik etwas, was du für dich selbst machst? 

Also ich mache schon viel für mich selber, muss ich gestehen, aber es macht dann erst richtig Sinn, wenn sich andere auch darin wiederfinden und ihre eigene Geschichte da hinein interpretieren können.

Was sind Dinge oder Aspekte, die dich in deinem Arbeitsalltag traurig machen oder wo erkennst du – auch als junge Frau – Hürden? 

Ich glaube, dass es als Frau in dem Business eine Hürde sein kann, weil man immer noch das Gefühl hat, es kann nur „Eine“ geben. So dieses Motto, das irgendwie so lange gesellschaftlich reproduziert worden ist. Und ich finde, es dauert auch voll lang und es erfordert extrem viel Kraft und Energie, dass man sich aus diesem Kreis befreit und dass man auch „supportiv“ ist gegenüber anderen selbstständigen Frauen.  

Im Alltag ist man ständig konfrontiert mit der Polykrise, in der wir gerade sind. Dass man ständig mit einer Informationsflut konfrontiert ist, dass man ständig damit konfrontiert ist, dass eine Positionierung oder Einschätzung oder Meinung von einem erwartet wird.

Findest du, dass Kunst immer politisch sein muss?

Ich glaube, alles ist politisch. Also es gibt ja auch die Aussage „the private ist political“. Und ich glaube, auch wenn man ein unpolitisches Statement machen will, ist diese Einstellung an sich, ja auch schon politisch.

Hast du das Gefühl, dass du mit deinen Botschaften und auch mit deinen feministischen Messages, die du senden möchtest, manchmal anstehst? Oder sagst du bewusst: Nein, die Künstlerin und auch die Privatpersonen Anna Buchegger die gibt’s nur inklusive politischer Ansagen?

Ja, also ich glaube, wenn man mich kennt, dann buchen mich gewisse Gruppen vielleicht gar nicht oder wollen gar nicht in eine Kommunikation mit mir treten und das ist auch okay. Die, mit denen ich bisher zusammengearbeitet hab’, die haben gewusst, sie kriegen „the whole package“. 

Aber das Geile ist ja auch, wenn man Dialekt singt oder sich viel mit Brauchtum beschäftigt, kommt man schon nochmal in einen anderen Mikrokosmos und das ist voll spannend, weil da gibt es dann doch Widerstand, da gibt es dann doch auch Menschen, die sagen, du nimmst uns die Tradition weg, oder „das gehört nicht so,“ „das ist falsch“.

Und das ist eigentlich schon, das ist ja auch der erste politische Move von mir gewesen, Dinge miteinander zu verbinden, die absolut gar nichts miteinander zu tun haben. Oder ein volksmusikalisches Instrument in einen popkulturellen Kontext zu setzen. Das sind schon Dinge, die sind politisch und die mach ich gern.

Inspiration für ihr künstlerisches Schaffen hat sich Anna Buchegger von vielen geholt: Als Vorbilder nennt sie Hubert von Goisern, Sabine Kapfinger, die Auseer Hardbradler oder Aniada a Noar. // Bildcredits: Sarah Marchant, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Was bedeutet „Erfolg“ für dich?

Ich glaube erfolgreich ist man, wenn man Konzerte spielen kann. Und es kommen tatsächlich Menschen, die das interessiert sind.

Oder die das vielleicht auch scheiße finden. Das ist ja auch eine Reaktion. *lacht*

Reaktionen wird’s auf jeden Fall in den nächsten Wochen genug für dich geben, denn am 3. Oktober erscheint dein neues neues Albums „Soiz“. Welche Songzeile ist für dich das Herzstück des neuen Albums?

Okay, boah, das ist ja voll die oage Frage. Ich glaub, der allerletzte Satz vom Album, der letzte Song, trägt den Titel „kloa“ also übersetzt „klein“. Und der letzte Satz ist: „De Wöd is so winzig kloa.“

Die Welt ist so winzig klein -i ch glaube, das ist ein Satz, den ich öfters sagen muss. Weil ich hab ich manchmal das Gefühl, dass man sich selbst zu ernst nimmt, oder sich zu wichtig nimmt.

Ich glaube, es wär’ alles ein bisschen leichter, wenn wir uns alle nicht so ernst nehmen würden.

Was hat’s mit dem Song „Maria“ auf sich?

Also Maria ist eine Hommage an dieses Klischee von Sound of Music: Alpenidylle, Hollywood-Movie-Ding… mit dem man ja irgendwie spätestens in der Salzburger Innenstadt ständig konfrontiert wird. Weil dort sind überall nur Touristengruppen unterwegs, die auf den Spuren der Sound of Music-Szenarien wandeln.

Und was ich voll spannend finde an Sound of Music ist, dass es irgendwie doch so in dieses Heimatfilm-Genre fällt. Aber Heimatfilme sind ja schon dafür bekannt, dass sie den Nationalsozialismus verklärt haben, oder gar nicht erst behandelt haben. In Sound of Music geht es aber schon sehr viel um die NS-Zeit und auch um Diaspora, also um Flucht.

Deshalb finde ich es spannend, sich damit auseinanderzusetzen. Ich hab die Protagonistin, also Maria von Trapp, cool gefunden, weil sie doch viele Stereotype reproduziert und irgendwie auch einfach die ganze Care-Arbeit – in dem Film geht’s ja quasi nur um’s sich um andere kümmern – lebt. Aber trotzdem stellt sie die Stereotype infrage, weil sie als wilde, mutige, laute, lustige, unordentliche und ungehorsame Frau vorgestellt wird. Und dann hab ich mir die Frage gestellt, wie wär’s denn, wenn diese Maria von Trapp heute allgegenwärtig wär. Und dann hab ich sie beschrieben. Bisschen zugeschnitzt vielleicht, aber genau, so ist der Song „Maria“ entstanden.

Heißt das, laut Anna Buchegger muss Frau heute ungehorsam sein? 

Nein, glaub ich nicht. 

Sondern? 

Ich glaub, Frau darf sein, was sie will. Und dass das auch dann akzeptiert wird. Das ist natürlich etwas, wofür man dann einstehen muss. Oder was wir einfordern müssen.


Konzerttermine: 

Am 17.10. findet im WUK die Release-Show zum neuen Album „Soiz“ statt.

Weitere Konzerttermine quer durch Österreich sind hier zu finden.

NeueZeit Redaktion

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Tags: Anna Buchegger featured Heimatpop Soiz Solidarität

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