Von Masken-Importen über Laptop-Spaziergänge bis hin zu Razzien und mutmaßlicher Inseraten-Korruption: Die ÖVP hat einige Skandale zu verantworten. Die sollen künftig verhindert werden. Das Antikorruptions-Volksbegehren fordert eine unabhängige Justiz und mehr Transparenz in der Politik. Über 300.000 Menschen haben das Volksbegehren unterschrieben – jetzt muss es im Parlament behandelt werden!
Vom 02. bis 09. Mai konnte man das „Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehren“ unterschreiben. Insgesamt unterstützten es 307.620 Österreicherinnen und Österreicher. Weit mehr als die 100.000, die notwendig sind, damit ein Volksbegehren in den Nationalrat kommt. Initiiert hatten es Politikerinnen und Politikern aus verschiedenen Lagern, sowie Juristinnen und Juristen. Mit 72 „Anregungen“ wollen sie die Demokratie in Österreich stärken.
Dabei handelt es sich um Reformen für mehr Anstand in der Politik, einen stärkeren Rechtsstaat und tatsächliche Unabhängigkeit der Justiz. Außerdem fordert das Volksbegehren moderne Antikorruptions- und Transparenzgesetze und mehr Pressefreiheit. Seine 72 Forderungen seien „eigentlich selbstverständlich“, stellt die ehemalige Präsidentin des obersten Gerichtshofes Irmgard Griss fest. Dass „anständige Menschen in der Politik sind, die Gerichte unabhängig, Staatsanwälte keine politische Weisungsspitze haben, Medien unabhängig berichten und nicht mit Inseraten gefüttert werden für eine bestimmte Berichterstattung“ sollte laut Griss außer Frage stehen. Sie zählt zu den Proponentinnen des Volksbegehrens.
Wenn ein solches Volksbegehren überhaupt nötig ist, zeige das, dass Österreich „nicht gerade den höchsten Standard hat“. Das sagt kein erklärter Gegner der regierenden Volkspartei, sondern der frühere ÖVP-Politiker Franz Fischler. Im letzten internationalen Demokratieindex ist Österreich tatsächlich nur auf Platz 18 zu finden, im Korruptionsindex auf Platz 13. „Die Tendenz ist fallend“, so Fischler. Das kürzlich veröffentlichte Pressefreiheits-Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ zeigt auch: Österreich ist von Platz 17 auf 31 abgerutscht.
Offiziell haben alle Parlamentsparteien ihre prinzipielle Zustimmung zu den Anliegen des Volksbegehrens signalisiert. Die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens wollten es aber genauer wissen. Deshalb forderten sie die Parlamentsparteien dazu auf, zu den 72 Forderungen Stellung zu beziehen – und zwar konkret. ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos sollten darlegen, wie sie zu den jeweiligen Forderungen stehen.
Von der „prinzipiellen Zustimmung“ der ÖVP war dann aber doch nicht mehr viel übrig. Sie hält von allen Parlamentsparteien am wenigsten von den Antikorruption-Maßnahmen. Gerade einmal 51 % der Forderungen des Volksbegehrens kommen für sie infrage. „Wieder einmal zeigt sich, dass die ÖVP aktuell den größten Nachholbedarf hat, was den Umgang mit dem Rechtsstaat und dem Thema Antikorruption betrifft. In Interviews wird so getan, als würde man die Forderungen des „Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehrens“ unterstützen, aber sobald es konkret wird, ist davon wenig zu merken“, kritisiert Verfassungsexperte Heinz Mayer, ein weiterer Proponent des Volksbegehrens. Spitzenreiterin in diesem Vergleich ist die SPÖ: Sie unterstützt über 97 % der Anregungen des Antikorruption-Volksbegehrens.
Das Antikorruption-Volksbegehren will vor allem den Rechtsstaat stärken. Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass der Staat allgemein verbindliches Recht schafft – und zwar für alle. Die staatlichen Organe, die dieses Recht ausüben (z.B. Bundeskanzler, Bundespräsident, Polizei, etc.) müssen sich genauso daran halten, wie alle anderen auch. Währenddessen sorgt die Gewaltentrennung dafür, dass das auch kontrolliert wird. Deshalb teilt sie staatliche und politische Macht. Die beiden sollen sich gegenseitig kontrollieren und so Missbrauch verhindern. Es ist also beispielsweise Aufgabe der Justiz, gegen Parteien und Politiker zu ermitteln. Wenn die ÖVP sie dafür angreift, untergräbt sie den Rechtsstaat. Außerdem sollte das Parlament Gesetze beschließen und nicht nur abnicken, was die Bundesregierung vorher ausmacht.
Gemeinsam sorgen Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung dafür, dass alle vor dem Gesetz gleich sind. Sie sind Fundament der österreichischen Bundesverfassung und der Demokratie an sich.
Das Antikorruption-Volksbegehren fordert daher, dass das Parlament in seiner Funktion als Gesetzgeber und Kontrollorgan gestärkt wird. Zusätzlich soll die Unabhängigkeit der Justiz ausgebaut werden. Konkret geht es beispielsweise darum, die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) verfassungsrechtlich abzusichern. Die Bundesverfassung soll garantieren, dass die WKStA ungehindert gegen die Politik ermitteln kann. Wie nötig das ist, zeigen die ständigen Angriffe der ÖVP auf sie. Vor allem soll die Politik auch in der Praxis keinen Einfluss darauf haben, wer Richterin, Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt wird. Denn auch da hatte sich die ÖVP eingemischt, wie zahlreiche Chats belegen.
Nicht zuletzt fordert das Volksbegehren echte Antikorruptions- & Transparenzgesetze. So soll man die generelle Amtsverschwiegenheit abschaffen. Denn derzeit müssen Ämter und Behörden Informationen nur in Ausnahmefällen preisgeben. Meist können sie sich auf die Amtsverschwiegenheit berufen. Das Antikorruption-Volksbegehren will dieses Prinzip mit einem Informationsfreiheitsgesetz umkehren: Grundsätzlich soll die Öffentlichkeit Anspruch auf alle politischen Informationen haben. Vereinbarungen von Geheimhaltungsklauseln sollen nur dann geheim bleiben, wenn es sich dabei um international anerkannten schutzwürdige Interessen (z.B. militärische Geheimnisse, sensible Infos zu Außenbeziehungen), oder zutiefst private Informationen von Bürgerinnen und Bürgern handelt.
Insgesamt haben 307.620 Menschen das Volksbegehren unterzeichnet. Das Unterschriften-Sammeln unterstützte insbesondere die zivilgesellschaftliche Organisation #aufstehn: Über 500 Freiwillige waren in ganz Österreich unterwegs, verteilten in über 200 Gemeinden Türhänger in der Nachbarschaft, und machten Werbung für das Volksbegehren. „Nach den Korruptionsskandalen der vergangenen Monate hat uns die Regierung Maßnahmen versprochen. Doch wir warten immer noch. Dabei liegen die Vorschläge, wie wir Korruption, Machtmissbrauch und Manipulation der Medien endlich Einhalt gebieten können, längst auf dem Tisch.“, so Maria Mayrhofer, Geschäftsführerin der NGO #aufstehn.
Damit ein Volksbegehren erfolgreich ist, braucht es mindestens 100.000 Unterschriften – das Antikorruption-Volksbegehren hat diese sogar weit übertroffen. Somit muss es der Nationalrat behandeln. Das Parlament ist allerdings – so wie bei allen Arten von Gesetzesanträgen – nicht verpflichtet, die Forderungen des Volksbegehrens umzusetzen.
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