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Wie bitte? Bankomat-Betreiber will 771% höhere Gebühr von 1500-Seelen-Gemeinde, sonst sperrt er zu

In Kemeten (BGLD) hätte die Gemeinde an den Bankomatbetreiber plötzlich um 771% mehr Gebühren pro Jahr – also ganze 23.500 Euro – bezahlen sollen. Aber das ist nicht der einzige „Bankomat-Eklat“: Immer mehr Gemeinden können die Kosten für einen eigenen Bankomaten nicht mehr stemmen, weil Bankinstitute exorbitante Gebühren verlangen. Um die Bargeld-Versorgung der Österreicherinnen und Österreicher in jeder Gemeinde sicher zu stellen, fordert die SPÖ ein eigenes Gesetz – und einen Bankomat in jeder Gemeinde.

In vielen Gemeinden, vor allem im ländlicheren Raum, gibt es keine Möglichkeit mehr, Geld zu beheben. Bankfilialen schließen und kommen ihrem Versorgungsauftrag nicht mehr nach. Das kritisierte Kommunalsprecher und GVV-Vorsitzender Andreas Kollross (SPÖ) in einem Pressegespräch am Donnerstag. Er fordert deswegen ein eigenes Gesetz, um die Bargeldversorgung der Österreicherinnen und Österreicher in den Gemeinden sicher zu stellen.

Bankensektor macht Rekordgewinne und will trotzdem Gebührenerhöhung für Bankomat in 1500-Seelen-Gemeinde

SPÖ-Kommunalsprecher Andreas Kollross und Bürgermeister Wolfgang Koller aus Kemeten beim Pressegespräch: „Jeder Österreicher und jede Österreicherin sollte in der eigenen Gemeinde Zugriff auf sein Bargeld haben.“

23.500 Euro – so viel Geld mehr pro Jahr hätte die 1500-Seelen-Gemeinde Kemeten im Mittelburgenland an den Bankomat-Betreiber zahlen sollen. Das ist eine Gebührenerhöhung von 771 Prozent, die dem Bürgermeister Wolfang Koller ins Gemeindeamt flatterte. Würde die Gemeinde das nicht zahlen, sperre der Bankomat-Betreiber zu.

Während immer mehr Menschen am Land nicht einmal mehr Herr oder Frau über ihr eigenes Bargeld sein können, ohne die Ortschaft verlassen zu müssen, macht der heimische Bankensektor Rekordgewinne. Im Vorjahr waren es 10,2 Milliarden Euro. Würde derselbe Sektor in jeder Gemeinde einen Bankomaten aufstellen, wären das Kosten von rund 11 Millionen Euro. Also nur 0,1% des Gewinns. Die SPÖ will den Bankensektor zu diesem Versorgungsauftrag verpflichten, „denn die Leute haben ein Recht auf ihr eigenes Bargeld.“

„Unsere Bankfiliale ist nur mehr ein Automatenraum und einmal die Woche kommt eine Dame und macht Beratungen. Für unsere Leute ist das ganz schlecht. Da kein Personal da ist, gibt es dauernd Probleme. Der Bankomat ist oft defekt, das Papier leer oder Ähnliches. Für ältere Menschen ist das ein echtes Problem,“ erzählt auch Brigitte Parxmarer, Bürgermeisterin von Flauring in Tirol. 
Rund 450 Gemeinden in ganz Österreich sind laut Expert:innenschätzung derzeit ohne Bankomat, oder müssen extra für den Zugriff auf ihr Bargeld bezahlen. 2021 waren es noch 317 Gemeinden, doch immer mehr Bankfilialen am Land schließen. „Bargeld ist Teil unseres Alltags und unserer Identität und wird es auch bleiben“, meinte ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner in einer ersten Stellungnahme auf die SPÖ-Forderungen. Doch ist das wirklich so?

Unser Bargeld! Banken haben Versorgungsauftrag

Dass die Bargeldverfügbarkeit schon jetzt in unzähligen Gemeinden ein Problem ist, zeigt ein Blick nach Niederösterreich.

„In Niederösterreich gibt es mehr als 100 Gemeinden, in denen es nicht einmal mehr einen Bankomaten gibt. Da greift dann eines ins andere: Fehlt der Bankomat, dann hat das Folgewirkungen für die jeweilige Ortschaft bzw. für den Bäcker, das Wirts- und Kaffeehaus, das Lebensmittelgeschäft. Denn, wenn die Menschen in den Nachbarort fahren müssen, um Geld zu beheben, dann kaufen sie sich dort ihr Salzstangerl und die Milch, sie gehen dort auf einen Kaffee oder essen“, so der Landesparteichef der SPÖ Niederösterreich, Sven Hergovich.

Einen Bankomat in jeder Gemeinde, das forderte der rote Landespolitiker schon im Frühjahr. Vernachlässigte Regionen sollten so wieder belebt werden und eine „Region der kurzen Wege“ fördern.

Einen Bankomat in jeder Gemeinde, das gibt’s nicht überall und hat Folgen für die ländliche Region. // Foto von Mika Baumeister auf Unsplash

Denn das sei nicht nur klima- und umweltfreundlich, sondern würde auch die Lebensqualität steigern. Gerade ältere Menschen leiden stark darunter, wenn das Ortsleben und der Ortskern aussterben. Wenn sie in der eigenen Ortschaft nicht einmal mehr Bargeld beheben können, sind sie noch stärker auf das Auto oder oft auch auf andere Menschen angewiesen.

„Das Land verfügt mit der Hypo NÖ über eine Landesbank und könnte für ausreichend Bankomaten sorgen“, formuliert Hergovich. Die Hypo NÖ habe ihren Quartalsgewinn auf fast 20 Millionen Euro erhöht. „Dass die Landesbank vom Land den Auftrag erhält, in den 97 Gemeinden ohne Bankomaten einen zu errichten, kann also kein Problem sein“, sagt der Landespolitiker.

Ohne Bankomat und Ortskernbelebung: Stirbt der ländliche Raum aus?

Die finanzielle Situation der Gemeinden ist seit Jahren, spätestens aber seit der Pandemie, höchst angespannt und verschärfte sich durch die Teuerung enorm. Gestiegene Energiekosten, höhere Rechnungen für die Straßenbeleuchtung, explodierende Kosten bei Bauprojekten. Laut SPÖ sollte es nicht auch noch Aufgabe der Gemeinde sein einen Bankomat im Ort zu installieren, geschweige denn Unsummen dafür zahlen zu müssen. Vielmehr meint Kommunalsprecher Kollross, dass es Aufgabe der Banken wäre, die Bargeldversorgung der ländlichen Bevölkerung abzusichern. Ein eigenes Gesetz soll das ermöglichen: Ein Bankomat in jeder Gemeinde in ganz Österreich.

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

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