Der Bericht der Untersuchungs-Kommission zum Terroranschlag in Wien zeigt: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wusste wohl schon im Vorfeld vom späteren Attentäter. Die Kommission lässt generell kein gutes Haar an der Arbeit der Behörden. Fehlverhalten und mangelnde Kommunikation sind nur einige der gravierenden Fehler. Bis zuletzt versuchte Nehammer jegliche Verantwortung zum nicht verhinderten Anschlag von sich zu weisen. Dazu schwärzte er sogar wichtige Dokumente.
Am 2. November 2020 tötet der Attentäter K.F. in der Wiener Innenstadt vier Menschen, bevor ihn die Polizei erschießt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte den Attentäter schon lange davor auf dem Radar. Die Gefahreneinschätzung zog sich jedoch über zehn Monate hin. Erst für Mitte November 2020 war eine als „Zusammenschau“ bezeichnete Besprechung angesetzt. Auf der Tagesordnung: Das „Gefahrenpotenzial“ von K.F. Der Attentäter kam der Behörden-Besprechung bekanntlich zuvor.
Eine eigens eingerichtete Untersuchungs-Kommission sollte die Arbeit der Behörden im Vorfeld des Anschlags kritisch hinterfragen. Jetzt wurde der Bericht veröffentlicht – mit einem vernichtenden Urteil. Die Kommission unter Leitung der renommierten Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes kritisiert die Behörden aufs Schärfste. Der Endbericht spricht von einem „zerrütteten“ Arbeitsklima im BVT, Problemen beim Datenaustausch zwischen den Behörden und „operativem Fehlverhalten“ beim Staatsschutz. Fazit: Der Anschlag hätte verhindert werden können.
So weit, so schlecht. Jetzt stellt sich die Frage, wer die Verantwortung für das Versagen der Sicherheitsbehörden trägt. Der zuständige Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat bis zuletzt alles getan, um sich selbst davor zu drücken. Er ließ sogar Passagen aus wichtigen Berichten des BVT schwärzen, wie das Online-Magazin ZackZack berichtet. Eine zensierte Stelle betrifft einen Observationsbericht vom 23. Juli 2020, in dem von einem „sich in Wien konsolidierendem internationalen Netzwerk von Islamisten“ die Rede ist. Mit anderen Worten: Der spätere Attentäter K.F. wurde von den Behörden bereits im Juli 2020 als Mitglied eines islamistischen und extremistischen Netzwerks identifiziert.
Weiter wurden Passagen geschwärzt, aus denen hervorgeht, dass die Terrorzelle in Verbindung mit dem IS stand und nur auf das Kommando zum Losschlagen wartete.
Das BVT ist dazu verpflichtet, solche Informationen an die vorgesetzten Stellen weiterzugeben – also auch an den Innenminister. Es fanden auch tatsächlich regelmäßigen Besprechungen statt – zwischen Nehammer, dem ihm untergeordneten Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit und dem BVT. Aber der Innenminister streitet seine Verantwortung ab: Die Informationen konnten vor dem Anschlag nicht mehr rechtzeitig nach oben weitergegeben werden, sagt Nehammer.
Bereits am Tag nach dem Anschlag fanden aber umfassende Razzien gegen die mutmaßlichen Helfer des Attentäters statt. Sie wurden so wie K.F. alle in den BVT-Berichten erwähnt. Die Festnahmen nach den Hausdurchsuchungen verbuchte Nehammer medienwirksam als Erfolg.
Nach den neuesten Enthüllungen fordert die Opposition jetzt geschlossen Nehammers Rücktritt. Die SPÖ sieht „erhebliche Mängel bei der Bekämpfung terroristischer Straftaten.“ Sie fordert außerdem eine komplette Neuaufstellung des Staatsschutzes. Von „Gefahr im Verzug“ sprachen die NEOS. Sogar die ansonsten in der Koalition eher zahm agierende Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer bezeichnet es als völlig inakzeptabel, dass der Untersuchungs-Kommission offenbar Informationen vorenthalten worden sind.
Der Innenminister aber hat weiter nicht vor, die Verantwortung für das Versagen seiner Sicherheitsdienste zu übernehmen. Er kündigt lediglich an, den Verfassungsschutz von Grund auf zu reformieren.
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