Der Online-Versandhändler Amazon ist der zweitgrößte private Arbeitgeber in den USA. Bisher hat sich der Konzern standhaft gegen eine Arbeitnehmervertretung gewehrt. In New York stimmte nun erstmals die Mehrheit der Beschäftigten für die Gründung einer Gewerkschaft. Amazon will jedoch Beschwerde gegen die Wahl einlegen.
Bei einer Mitarbeiterabstimmung in einem Amazon Logistik-Zentrum in New York, Staten Island, stimmte erstmals die Mehrheit der Beschäftigten für die Gründung einer Gewerkschaftsvertretung. Das Ergebnis ging mit 2.654 zu 2.131 Stimmen zwar knapp aus – aber zugunsten einer Interessensvertretung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Amazon-Beschäftigte bekommen damit erstmals eine Gewerkschaft.
Bisher hatte es keine andere Niederlassung von Amazon in den USA geschafft, eine Gewerkschaft zu bilden. Der Konzern wehrte sich erfolgreich gegen die Gründung einer Arbeitnehmervertretung. Im April 2021 etwa scheiterte der Versuch in einem Logistikzentrum in Alabama. Die breite Mehrheit der Beschäftigten stimmte dort gegen eine Gewerkschaftsvertretung.
Wie freiwillig die Abstimmung ablief, ist jedoch zu bezweifeln. Das zeigt auch ein Urteil der Arbeitsrechtbehörde NLRB (Nationales Amt für Arbeitsbeziehungen): Amazon habe die Mitarbeiter auf unzulässige Weise zu beeinflussen versucht. Die zweite Abstimmung in Alabama scheiterte ebenfalls – wobei das Ergebnis diese mal weitaus knapper war. Momentan überprüft man jedoch die Gütigkeit einer Reihe von Stimmen – daher ist das endgültige Ergebnis noch unklar.
Amazon wehrt sich seit Jahren gegen die Gründung einer Arbeitnehmervertretung. Ein häufiges Argument des Konzerns lautet, dass die Beschäftigten keine Gewerkschaft brauchen, weil sie mit ihren Sorgen direkt zur Firmenleitung kommen könnten. „Wir sind enttäuscht über den Ausgang der Abstimmung auf Staten Island, weil wir glauben, dass es für unsere Beschäftigten am besten ist, wenn sie eine direkte Beziehung zum Unternehmen unterhalten“, so Amazon in der Stellungnahme zur Gründung der „ALU“ (Amazon Labour Union) in New York. Weitere Taktiken des Großkonzerns sind einzelne Beschäftigte mit Zugeständnissen für sich einzunehmen, sie einzuschüchtern oder Aktivisten einfach zu entlassen.
Der Präsident der neuen Gewerkschaft, Christian Smalls, wurde 2020 selbst als Amazon-Mitarbeiter gefeuert. Er organisierte während der Arbeitszeit eine kurze Protestversammlung vor der Firmenhalle und verlangte für sich und seine Kolleginnen und Kollegen im Logistikzentrum bessere Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus. Einige Tage zuvor hat man einen Mitarbeiter trotz starker Symptome in die Arbeit gerufen. Später wurde dieser positiv auf Corona getestet. Smalls und die anderen Beschäftigten hat man jedoch erst neun Tage später darüber informiert.
Noch am selben Tag der Protestversammlung wurde Smalls entlassen.
Die Ausgangslage für die Gründung einer Arbeitnehmervertretung ist in New York schon im Vorhinein etwas besser, da die Stadt ein gewerkschaftsfreundlicherer Ort ist. In südlichen amerikanischen Bundesstaaten, wie beispielweise Alabama, haben es Gewerkschaft eindeutig schwerer. Das ist auch ein Grund, wieso viele Unternehmen sich genau dort niederlassen.
Die Zahl der US-amerikanischen Arbeitnehmer, die Mitglieder einer Gewerkschaft sind, ist von rund 20% im Jahr 1983 auf 10% im Jahr 2021 gesunken. In privaten Unternehmen beschränkt sich der Anteil sogar nur auf 6% aller Beschäftigten. Dabei sind die Forderungen der Gewerkschaft ALU in New York keine ungewöhnlichen: bessere Arbeitsbedingungen, längere Pausen und Anhebung der Stundenlöhne.
Die Gewerkschaftsbewegung erhofft sich durch die Gründung der neuen Amazon-Gewerkschaft insgesamt Auftrieb. Beispielsweise haben sich Dezember 2021 in einer Starbucks Filiale in Buffalo die Beschäftigten für die Gründung einer Gewerkschaft ausgesprochen. Daraus ist eine breitere Bewegung geworden – mittlerweile gab es an acht Starbucks-Standorten Abstimmungen zugunsten einer Gewerkschaft.
Amazon sagt der neuen Gewerkschaft bereits jetzt den Kampf an. Der Konzern will gegen das Wahlergebnis Beschwerde einlegen. Die Gewerkschaft hätte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedroht, um deren Stimmen zu erhalten, so die Amazon-Argumentation. Angeblich habe man Einwanderern gesagt, sie würden die Sozialleistungen verlieren, würden sie nicht für die Gewerkschaft stimmen.
Das sind dieselben Vorwürfe, die Amazon selbst hinsichtlich der möglichen Manipulation der Gewerkschafts-Wahl in Alabama gemacht wurden. Die Gewerkschaft ALU bezeichnet die Beschuldigungen als absurd und weist sie zurück.
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