Niederösterreich

NÖ-Gemeinde schreibt Geschichte: Gramatneusiedl hat keine Langzeitarbeitslosen mehr

Eine niederösterreichische Gemeinde schreibt Geschichte. Sämtliche Langzeitarbeitslose von Gramatneusiedl haben ein Recht auf eine Beschäftigung eingeräumt bekommen. Und alle haben dieses Recht auch wahrgenommen. Und auch alle haben etwas davon: die Betroffenen, die Gemeinde und das AMS. „Die Arbeitslosen vom Marienthal“ in einer Neufassung – diesmal mit Happy End.

Redakteure und Reporterinnen von CNN, BBC, New Yorker, ZDF und anderen Medien pilgern derzeit in die 3.800-Seelen-Gemeinde Gramatneusiedl, um ein weltweit einmaliges Experiment vor Ort zu besichtigen. In der kleinen Gemeinde östlich von Wien wird Sozialgeschichte geschrieben – zum zweiten Mal nach 90 Jahren.

Jedem Einwohner, der länger als zwölf Monate arbeitslos ist, wird ein staatlich finanzierter Job zugesichert. „Es ist das weltweit erste Modellprojekt einer Arbeitsplatzgarantie“, so der Initiator und Leiter des Arbeitsmarktservice Niederösterreich, Sven Hergovich. „Es gibt keinen einzigen Langzeitarbeitslosen in Gramatneusiedl mehr.“

Das Job-Projekt ist günstiger, als Arbeitslosigkeit finanzieren zu müssen

Die Idee des im Oktober 2020 gestarteten Projekts in Gramatneusiedl ist:  Langzeitarbeitslose werden mit allen Rechten und Pflichten beim AMS-Projekt MAGMA (Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal) angestellt und arbeiten dort in sinnvollen und notwendigen Bereichen wie Möbelaufbereitung, Gärtnerei und Grünraumpflege in der Gemeinde. Auch in einer Kräutermanufaktur und beim Buchprojekt „Gramatneusiedl entdecken“ wirken die vorherigen Langzeitarbeitslosen mit.

„`Beschäftigung fördern statt Arbeitslosigkeit´ finanzieren lautet unser Motto. Denn jede und jeder Langzeitarbeitslose verursacht Kosten von 30.000 Euro im Jahr“, erklärt AMS-Leiter Hergovich. „Diese 30.000 Euro stecken wir in die Schaffung von Jobs für sie und geben ihnen eine Arbeitsplatzgarantie“.

Die Arbeitslosen vom Marienthal

Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von den Universitäten Wien und Oxford. Sie überprüfen, wie sich das Leben der Betroffenen durch die neuen Jobs verändert und welche Auswirkungen das auf die Gemeinde hat. Damit knüpft das Projekt an eine andere Studie an, die bis heute als Leuchtturmprojekt der Soziologie gilt.

„Die Arbeitslosen vom Marienthal“ hieß eine wissenschaftliche Studie von Maria Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel. Darin wurden im Jahr 1933 die Auswirkungen von Massenarbeitslosigkeit auf die Betroffenen und deren Familien wissenschaftlich untersucht. Marienthal ist ein Ortsteil der Gemeinde Gramatneusiedl.

Diese Studie ist heute ein Klassiker der soziologischen Literatur. Fast alle gedruckten Exemplare sind übrigens verloren gegangen, weil sie von den Nationalsozialisten schon im Mai 1933 als Werke „wider den Deutschen Geist“ auf Scheiterhaufen der großen Bücherverbrennungen gelandet sind.

Gerd Millmann

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