Kaum eine junge Frau kennt sie nicht: Ekelerregende Nachrichten, sogenannte „Dick-Pics“, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Die Absender verstecken sich hinter anonymen Decknamen und werden strafrechtlich fast nie zur Rechenschaft gezogen. Was die Nachrichten gemeinsam haben: Sie „passieren“ nicht einfach, sondern verfolgen ein Ziel! Sie sollen Frauen einschüchtern. Gemeinsam gegen Online-Hass laut sein: Wie das geht, zeigen engagierte Frauen aus ganz Europa vor!
Mädchen und vor allem junge Frauen werden immer öfter Opfer von Hassverbrechen im Netz. Fast jede hat schon Erfahrungen damit gemacht. Viele Menschen, vor allem Eltern junger Mädchen, sind sich nicht bewusst, welche Gefahren im Netz lauern. Junge Frauen, die ihre Gedanken im Netz teilen wollen, sind ein beliebtes Opfer von „Hassverbrechern“. Einfach nur, weil sie Frauen sind.
Ein kleines Grüppchen frauenverachtender Menschen bombardiert sie im Internet mit Hass, sexualisierten Übergriffen und Erniedrigungen. Ihr Ziel: Frauen einschüchtern, zum Schweigen bringen und aus dem öffentlichen Raum drängen. Das bringt nicht nur viele Frauen zum Verzweifeln, sondern zerstört auch die Meinungsvielfalt. Nicht nur im Netz. Denn was online passiert, bestimmt längst auch unser Offline-Leben.
Die digitalen Mobber beeinflussen unsere demokratische Meinungsvielfalt und schüchtern vor allem junge Mädchen im Netz ein. Ingrid Brodnig, eine österreichische Autorin und Journalistin, hat sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft und vor allem dem Umgang mit Desinformation und Hasskommentaren auseinandergesetzt.
Sie meint, dass vor allem eine kleine Gruppe hochaktiver Accounts die Kommentarspalten dominiert. Nach dem Motto: Wer am lautesten schreit und die meisten Hass-Kommentare verbreitet, dessen Meinung wird als die Gesamtmeinung aller Kommentierenden angesehen. Aber nicht nur das: Immer mehr Mädchen und Frauen erhalten auch privat adressierte Nachrichten.
„Frauen in ganz Europa erleben Hass im Internet aus einem Grund: Weil sie Frauen sind. Leider kommt es häufig vor, dass Frauen sich nicht trauen, über diese Erlebnisse zu sprechen und sie zur Anzeige zu bringen, weil immer noch oft das Opfer verantwortlich gemacht wird. Wir müssen Frauen ermutigen, ihre Geschichte zu teilen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden“, meint auch Evelyn Regner, Vizepräsidentin im EU-Parlament.
Von schlüpfrigen Angeboten und Dick-Pics über Vergewaltigungsdrohungen bis hin zu bewussten Einschüchterungstaktiken: Im Netz herrscht ein giftiges Klima für jede Frau und die Gesellschaft als Ganzes.
Immer noch gibt es nur unzureichende Gesetze, die Gewalt und Hass im Netz einschränken könnten. „Wir machen keinen Unterschied zwischen digitaler und analoger Gewalt – und das ist nicht gut für unser Meinungsklima und vor allem für junge oder politisch engagierte Frauen!“, meint auch Sawsan Chebli. Sie ist ehemalige Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Staatskanzlei sowie Autorin. Ihr gemeinsames Buch mit Miriam Stein „LAUT – Warum Hate Speech echte Gewalt ist und wie wir sie stoppen können“ erscheint Ende März im Goldmann Verlag.
„Es lohnt sich laut zu sein, auch wenn es wahnsinnig mühsam ist. Aber: wir haben die Möglichkeit etwas zum Positiven zu verändern“, ist sich Chebli sicher.
Sie selbst war als Politikerin und Berliner Staatssekretärin oft von Hassnachrichten und frauenverachtenden Kommentaren betroffen. Das Thema betrifft Frauen quer durch die EU. Deswegen wollen auch die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Evelyn Regner sowie SPÖ-Abgeordnete Theresa Bielowski mit politischen Regelungen Druck auf Hass-Prediger:innen ausüben. Maßnahmen, die die Sicherheit und Freiheit von Frauen online und offline erhöhen, finden sich beispielsweise im „Digital Services Act“ oder der sogenannten „Istanbul-Konvention“. Beides europäische Reglementierungen, die Gewalt gegen alle Menschen im Netz, aber besonders gegen Frauen, stoppen sollen.
Auf Facebook sind 2,6 Milliarden Nutzer:innen aktiv, 307 Millionen davon in Europa. 1,5 Milliarden Menschen tummeln sich auf Instagram. Auch TikTok ist bei jungen Menschen beliebt und verzeichnet eine Milliarde Nutzer:innen. Online-Gewalt ist reale Gewalt und die Auswirkungen sind gravierend. Ein Trennen von gesellschaftlichem Miteinander und Diskussionen in eine Offline- und Online-Sphäre, mache daher wenig Sinn, sind sich Expert:innen und Politiker:innen einig. Man dürfe das Feld nicht jenen überlassen, die kein Interesse an einem Austausch haben, sondern lediglich Hass und Hetze verbreiten wollen, schließt Bielowski ab.
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