Kommentar

Krankenhaus-Architektur: Wer auf Bäume schaut, ist schneller gesund

Karge Räume, grelles Licht und überall Hektik: willkommen im Krankenhaus! Einem Ort, der oft weit weg von dem ist, was wir als Erholungsort oder „Wohlfühl-Atmosphäre“ bezeichnen würden. Doch gerade die bräuchten wir, wenn wir schnell wieder gesund werden wollen. Deshalb setzen Spitäler wie zum Beispiel das Agatharied Krankenhaus in Bayern auf modernes Design, Naturmaterialien und einen Ausblick ins Grüne. Ein Kommentar.

Wer schon einmal ein Krankenhaus von innen gesehen hat, hat eigentlich alle gesehen. Die Architektur und die Inneneinrichtung von einem Krankenhaus unterscheiden sich meist nicht großartig, egal ob es das Wiener AKH oder die Berliner Charité ist. Lange Gänge, grelles Licht, kaum Fenster und hektisch herumlaufende Menschen. Wie sollen wir da gesund werden, wenn selbst das Krankenhaus kranker scheint, als man selbst.

Wie kann man Mut und Hoffnung bei langen, leeren Gängen schöpfen?

Niemand ist gerne in Krankenhäusern. Denn sie sind vor allem praktische Orte – so aufgebaut, dass man Menschen möglichst effizient helfen kann. Große Gebäude, viele Ambulanzen unter ein einzelnes Flachdach gepackt – das ist prinzipiell gut, doch so banal es klingt: optisch gibt es Aufholbedarf!

Niemand würde sein Zuhause so einrichten, wie es ein Krankenhaus tut. Gelb-grün gestrichene Wände, keinerlei Deko, gerade mal auf der Kinderambulanz finden sich ab und an bunte Zeichnungen, die dem tristen Haus Leben einhauchen. Trotzdem müssen kranke Menschen oft mehrere Wochen in diesen charme-befreiten Gebäuden ausharren.

Kein Wunder, wenn Mut und Hoffnung bei Patienten schnell weg sind, wenn sie sich die dritte Woche in Folge in einem langgezogenen Gang verirren oder sich die lieblos-gelbliche Wandfarbe in die Netzhaut brennt. Mein letzter Krankenhausaufenthalt dauerte zum Glück nur eine Woche, aber die Gesamtatmosphäre, der Geruch nach aufgewärmten Essen und Desinfektionsmittel hat mich wahrscheinlich mehr geprägt, als die Krankheit selbst.

Krankenhaus-Architektur: Wer auf Bäume schaut, ist schneller wieder gesund

Als Kontrast dazu steht folgendes Phänomen, das Roger S. Ulrich in den 80er-Jahren erforschte. Damals formulierte er es noch vage: „View through a window may influence recovery from surgery.“

Der Blick durch’s Fenster könnte den Heilungsverlauf nach einer OP positiv beeinflussen!

Doch seine späteren Forschungsergebnisse aus dem Jahr 1984 änderten alles, was wir bis dahin über den Zusammenhang von der Architektur eines Krankenhauses und unserem Wohlbefinden wussten: Menschen, die nach einer Operation auf Bäume schauten, brauchten tatsächlich weniger Medikamente und konnten schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden, als jene Patienten, die bloß eine graue Mauer vor ihrem Spitals-Fenster hatten.

Blick auf Bäume und Natur: So sieht der Ausblick aus dem Zimmer einer Reha Klinik für Kinder und Jugendliche in Bad Erlach bei Wiener Neustadt aus. Der Blick aus den meisten Krankenhäusern ist weniger hübsch, doch das sollte sich ändern! Bildcredits: (C) kokon

Erklärt ist dieser Sachverhalt schnell: Wer krank ist, ist anfälliger für Reize und kann sich schlechter orientieren. Wer also will, dass die Menschen schnell wieder gesund werden, sollte sie eher nicht in labyrinthartige Gänge zwingen, in denen es 24 Stunden am Tag keinen ruhigen Moment gibt. Sondern viel mehr auf “Healing Architecture“ (also: Heilende Architektur) setzen.

Krankenhaus: Es sollte um die Patienten gehen, nicht um’s Geld

Krankenhäuser gelten vor allem als eines: ein Geschäft. So sehr wir das nicht wollen, unser Gesundheitssystem ist immer noch gewinnorientiert ausgerichtet. Es sollte daher im Interesse der Krankenhäuser sein, die Patient:innen möglichst schnell wieder entlassen zu können. Trotzdem wird statt die Menschen in den Fokus zu rücken, immer noch jeder Cent dreifach umgedreht.

De facto werden die Spitäler bei Neubauten gezwungen die günstigsten Träger zu verwenden – selten ohne zu eruieren, ob das auch langfristig die rentabelste Variante ist.

Krankenhaus-Architektur und Wohlbefinden: Es geht auch anders!

Es gibt aber auch positive Beispiele. Die meisten Kinderstationen zum Beispiel. Hier sind die Wände weniger kahl und mit mehr Bildern versehen, das Licht wärmer und die Stimmung weniger hektisch. Oder das Krankenhaus Agatharied in Bayern. Hier gibt es mehr Licht, runde Gänge und einen ersten Eindruck, der nicht abschreckend, sondern einfach nett ist. Auch die Reha Klinik in Basel setzt auf solch einen Eindruck. Möglichst viel Grün schmückt das Bild. Hier vergisst man schnell, warum man eigentlich da ist. Etwas Besseres gibt es wohl nicht, um schnell wieder gesund zu werden: Sich nicht jeden Tag wieder daran zu erinnern, dass man gerade eigentlich krank ist.

Erik Mehrle

Erik hat mit 16 mit Poetry Slams begonnen und so seine Liebe für's Schreiben entdeckt. Durch ein Praktikum ist er zur NeuenZeit gekommen - um zu bleiben. Neben seiner Arbeit als Redakteur hilft er uns bei jedem technischen Problem und managed im Hintergrund alles, damit unser Redaktionsalltag rund läuft. Wenn er nicht in der Redaktion ist, spielt er leidenschaftlich Schach und Poker, liebt Filme schauen und versucht sich im Programmieren - gerade lernt er die Programmiersprache Python.

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