Analyse

730 Mio. Euro Verlust: Zusammenlegung der Krankenkassen war „katastrophaler Reinfall“

2020 legte die ÖVP-FPÖ-Regierung die vormals neun Gebietskrankenkassen und die Betriebskrankenkassen zur „ÖGK“ zusammen. Versprochen wurden Einsparungen (Stichwort „Patientenmilliarde“) und weniger Bürokratie. Geblieben ist – mit der Prognose für 2023 einberechnet – ein Verlust von 730 Mio. Euro. Kritik hagelt es aus dem Westen: Der Tiroler Gewerkschafter Bernhard Höfler will die Rückgabe der Kompetenzen an die Bundesländer – und dadurch 30 neue Vertragsarztstellen für Tirol finanzieren.

Das vierte negative Jahresergebnis in Folge – das wird die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) auch 2023 wieder schreiben, sofern sich die Defizit-Prognosen von 350 Millionen Euro bewahrheiten. Dass das Gesundheitssystem massiv in Gefahr ist, davor warnt aktuell vor allem einer: Bernhard Höfler. Er ist Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter:innen in Tirol.

Krankenkassen-Zusammenlegung: Rückgabe der Kompetenzen an Bundesländer gefordert

Er und sein Team bezeichnen die Kassenfusion, anlässlich des kürzlich veröffentlichten Jahresberichts der ÖGK, als „totalen Reinfall“.

„Die von der türkis-blauen Bundesregierung verursachte ‚Kassenfusion‘ war nichts als ein totaler Reinfall: Auf der einen Seite explodieren die Kosten für die Versicherten, auf der anderen Seite fallen immer mehr Leistungen weg.

Höfler meint, dass die Zusammenlegung der Krankenkassen im Jahr 2020 den Versicherten weder die von Sebastian Kurz und Konsorten versprochenen Milliarden gebracht hätte, noch eine bessere Gesundheitsversorgung. Im Gegenteil: Österreich kämpft mit unbesetzten Kassenarztstellen. Wenn Patientinnen und Patienten sich aber für einen Termin beim Wahlarzt entscheiden, müssen sie dann teils monatelang auf die Kostenrückerstattung ihrer Rechnungen warten.

Kassenarztstellen müssen attraktiver gemacht werden

Die Verhandlungen zum Finanzausgleich, die in den vergangenen Wochen sowohl medial, als auch politisch heiß diskutiert wurden, sind nun erneut relevant. Wie auch von Gesundheitsökonom:innen gefordert, müssten vor allem die Stellen für Kassenärztinnen und Ärzte attraktiver gemacht werden. Denn es fehlen nicht etwa die Ärzte in Österreich. Tatsächlich sind sie nur sehr ungleich in den Regionen verteilt – und was noch viel relevanter ist: Die Wahlarztmodelle sind für ausgebildete Mediziner einfach lukrativer, als eine Stelle als Kassenarzt anzunehmen.

Gesundheitssystem in der Krise: Nicht ein allgemeiner Ärzt:innen-Mangel ist das Problem, sondern die Verteilung zwischen unattraktiven Kassenarztstellen und lukrativen Wahlarztmodellen.

Zurück zum Tiroler Gewerkschaftsvorsitzenden Höfler. Der meint, dass die einzig logische Konsequenz wäre, die Zusammenlegung der Krankenkassen zurückzunehmen. Sebastian Kurz habe in seiner Amtszeit völlig grundlos ein funktionierendes System zerstört. Die ÖVP solle laut Höfler ihre Fehler eingestehen und die Kompetenzen an die Länder zurückgeben.

Heuer wird die ÖGK-Landesstelle in Tirol einen Überschuss von 53 Millionen Euro erwirtschaften. Laut Höfler Geld genug, um sechs Primärversorgungszentren und 30 neue Kassenarzstellen zu finanzieren.

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

Ähnliche Artikel

  • Niederösterreich

Exklusiv-News aus Niederösterreich: „Freibad-Eintritts-Preise werden 2026 zwischen 15 und 20 Prozent erhöht“

Nächste Saison werden unzählige Freibäder in Niederösterreich ihre Preise drastisch erhöhen müssen - um 15-20…

18. August 2025
  • Oberösterreich

Klimasünder Elon Musk: Sein Privatjet stößt pro Jahr doppelt so viel CO₂ aus, wie die Stadt Steyr in 5 Jahren

E-Bus statt Privatjet: Seit Anfang Mai düsen neue, nachhaltige E-Busse durch Steyr. In den nächsten…

18. August 2025
  • Kärnten

1 Milliarde Euro Fördergeld für Kärnten von der EU: Das ermöglichte 11.051 heimische Projekte

Von 2014 bis 2020 bekam Kärnten knapp 1 Milliarde Euro an EU-Förderungen. Damit konnte das…

18. August 2025
  • Allgemein

Werft Korneuburg: SPÖ pocht auf 78.000m² Naherholungs-Gebiet auf Halbinsel

Werft Korneuburg: Menschen sitzen am Ufer, die Füße im Wasser, Kinder lassen kleine Boote treiben,…

13. August 2025
  • Niederösterreich

9,6 Milliarden Euro: Schulden von Niederösterreich so hoch wie noch nie

 Wenn man die Bundeshauptstadt Wien ausklammert und alle übrigen acht Bundesländer vergleicht, hat Niederösterreich den…

7. August 2025
  • Gesellschaft

Michael Schwarzlmüller: Zu Besuch beim Cowboy der Kalkalpen

Reichraming: Als Kind liest Michael Schwarzlmüller Karl May-Romane und schaut Westernfilme. Als Erwachsener bietet er…

6. August 2025