Unternehmen beeinflussen durch Lobbying die Politik in der EU und einzelnen Nationalstaaten. Mit fragwürdigen Methoden und viel Geld. Die Neue Zeit hat sich ein paar besonders drastische Beispiele angesehen.
Lobbying wird immer professioneller und geschieht meist auf EU-Ebene. Denn dort werden die großen Vorgaben getroffen, die dann in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Aber natürlich bemühen sich Unternehmen auch in Österreich um wohlwollende Politik.
Aus Sicht einer österreichischen Versicherung ist es zum Beispiel wichtig, gute Lobbyistinnen und Lobbyisten aufs Finanzministerium und die zuständigen Politikerinnen und Politiker anzusetzen. Im Idealfall will sie einen guten Draht zur Ministerin oder zum Minister. Noch ein bisschen besser ist es in Österreich für die Uniqua-Versicherung gelaufen. Hartwig Löger wechselte 2017 direkt vom Vorstand der Uniqua für die ÖVP ins Finanzministerium. „Revolving door“ oder „Drehtür-Effekt“ nennt man diesen unmittelbaren Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik. In Österreich ist das völlig legal.
Als frisch gebackener Finanzminister erklärte Löger alsbald eines seiner großen Ziele. Er wollte die private Pensionsvorsorge ausbauen und dafür die staatlichen Pensionen zurückdrängen. Für Versicherungen wie die Uniqua ist das ein Riesen-Geschäft. Aber für die Bürgerinnen und Bürger? Allein 2018 haben private Pensionsversicherungen eine Milliarde an Pensionsgeldern der Österreicherinnen und Österreicher verspekuliert. Spitzenreiter waren Raiffeisen und ausgerechnet die Uniqua mit der Valida Pensionsversicherung. Sie verzockten über 399 Millionen Euro Pensionsrücklagen.
Das Ganze funktioniert natürlich auch umgekehrt. Dabei sind ehemalige hochrangige Beamte fast noch hilfreicher als Politikerinnen und Politiker. Denn sie kennen das Innenleben der Behörden in- und auswendig. Im Jahr 2018 wechselte ein gewisser Reinald Krueger ins Lobbying des Mobilfunkanbieters Vodafone. Krueger war zuvor 10 Jahre lang Leiter der EU-Regulationsbehörde für Telekommunikation. Also der Aufsichtsbehörde, mit der Vodafone immer wieder Konflikte hat. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Im Zuge der Klimakrise will die EU den Energiesektor stärker reglementieren. Dagegen wehren sich die Konzerne vehement. Die Branche hat auch ein Dauer-Aufreger-Thema: Atomstrom. Umso engagierter ist das Lobbying der Energiekonzerne in Brüssel und den Nationalstaaten – inklusive dem Bemühen um Seitenwechslerinnen und Seitenwechsler zwischen Politk oder Verwaltung und Lobbying. Und wieder ist ein Österreicher am Start: Der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel verfügt über ausgezeichnete Kontakte in der EU. Er galt sogar als möglicher EU-Kommissionspräsident. Daraus wurde nichts. Stattdessen sitzt er im Aufsichtsrat des deutschen Energieriesen RWE und macht sich für seine Interessen stark. RWE macht aktuell durch die Rodung des Hambacher Forsts auf sich aufmerksam. Der Konzern betreibt Kohle- und Atomkraftwerke und zeichnet sich durch einen besonders geringen Anteil erneuerbarer Energien aus.
Im Bereich Klimaschutz zeigen sich die schädlichen Auswirkungen von Lobbying derzeit am deutlichsten. Für zahlreiche Konzerne stehen Unsummen auf dem Spiel. Dementsprechend beschäftigen sie eine ganze Armada an Lobbyistinnen und Lobbyisten. Sie steigen in Brüssel beim Klimaschutz auf die Bremse. Damit das gelingt, versucht kaum mehr ein Unternehmen, den vom Menschen gemachten Klima-Wandel zu leugnen. Die neue Strategie heißt Aufschieben von Maßnahmen und CO2 „neutralisieren“. Also weiter ungebremst CO2 ausstoßen und dafür Bäume pflanzen. Um Klimaschutz-Vorhaben aufzuschieben, wird gern auf die „internationalen Märkte“ verwiesen. Also kurz: „Klimaschutz ja. Aber erst, wenn es alle machen. Sonst haben wir in der EU Wettbewerbsnachteile.“ Dafür wird auf allen Ebenen lobbyiert. Allein die Gasindustrie ließ sich beispielsweise ihr EU-Lobbying 2016 über 100 Millionen Euro kosten. Mehr als 1.000 Personen waren dafür beschäftigt.
Vorbild dafür ist wohl auch der Bankensektor. Im Zuge der letzten Wirtschaftskrise standen mehrere der großen europäischen Banken kurz vor dem Konkurs. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mussten sie retten. „Too big to fail“ hieß es damals. Das bedeutet: Die marktbeherrschenden Banken sind so groß, dass ihr Konkurs die gesamte europäische Wirtschaft mitreißen würde. Zumindest befürchtete man das. Deshalb sollten Banken reguliert und zu große Bankenfusionen in Zukunft verhindert werden. Bei den Instituten herrschte Alarmstimmung: Eine Armee von 1.700 Lobbyistinnen und Lobbyisten mit einem Jahresbudget von 120 Millionen Euro wurde nach Brüssel geschickt.
Mit Erfolg: Sie konnten die Meinung der EU-Verantwortlichen um 180 Grad drehen. Zunächst war die Rede davon, Banken müssten kleiner werden. Die Pleite einer einzelnen sollte nicht mehr die Wirtschaft ganzer Staaten oder Wirtschaftsräume gefährden. Nach konsequentem Lobbying der Großbanken beschloss die EU schließlich das genaue Gegenteil. Europa sei „overbanked“ mit zu vielen kleinen Banken, Großbanken sollten gestärkt werden. Deshalb sind die Rahmenbedingungen für Großbanken heute deutlich besser als je zuvor.
Und daran wird sich in absehbarer Zeit wohl nichts ändern. Denn 80% der Beraterinnen und Berater der EU zu Finanzfragen stammen aus der Finanzindustrie.
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