Rechnerisch haben Frauen in Österreich die ersten 46 Tage des Jahres 2022 gratis gearbeitet. Sie verdienen im Schnitt 12,7% weniger als ihre männlichen Kollegen. Mit diesen Maßnahmen gegen Lohnunterschiede könnte die ungleiche Bezahlung bekämpft werden: Betriebe müssen Frauen- und Männer-Löhne transparent offenlegen, systemerhaltende Branchen wie die Pflege müssen besser bezahlt werden und Kinderbetreuungseinrichtungen brauchen längere Öffnungszeiten.
Schnell erklärt
Die Kolumne des Marie Jahoda – Otto Bauer Instituts
Autor: Johannes Rendl
Im Februar 2022 beträgt der sogenannte „Gender Pay Gap“ in Österreich 12,7%. Er gibt an, um wie viel Frauen weniger verdienen als Männer. Im Vergleich zum Vorjahr ist der „Gender Pay Gap“ um 1,6% geschrumpft. Eigentlich ein Grund zur Freude, oder? Leider nein.
Die aktuelle Entwicklung ist ein Effekt der Corona-Politik. Die Löhne von Männern sind unter anderem durch die Kurzarbeit geringer gestiegen als in normalen Jahren. Gleichzeitig haben viele Frauen in schlechter bezahlten Jobs ihre Arbeitsplätze verloren. So sind in der Statistik nur die gutverdienenden Frauen übriggeblieben – und selbst diese verdienen immer noch deutlich weniger als Männer.
Die Folgen sind klar: Niedrige Löhne führen später zu niedrigeren Pensionen. Die Bruttopensionsbezüge von Frauen im Ruhestand waren 2021 um 38% niedriger als die von Männern. Damit ist zählt Österreich im EU-Vergleich zu den Schlusslichtern. Auch auf das Arbeitslosengeld hat geringerer Verdienst einen Einfluss, wie viele Frauen gerade in der Corona-Pandemie erfahren mussten. Ihr Arbeitslosengeld ist in Österreich um 8% niedriger als das der Männer.
Wie kommt es zu diesen Lohnunterschieden? Eine oft gehörte Erklärung ist die Teilzeitarbeit von Frauen. Es stimmt: die Teilzeitquote von Frauen ist 2020 um fast 37% höher gewesen als die der Männer. Frauen verkürzen eher ihre Arbeitszeit, um sich etwa um Kinder zu kümmern.
Dazu kommt: Technische Berufe mit guter Bezahlung sind männlich dominiert und werden in der Regel gut entlohnt. Branchen mit einem großen Anteil an Frauen sind dagegen eher schlechter bezahlt, wie etwa der Dienstleistungsbereich.
Es gibt also erklärbare Gründe für den niedrigeren Verdienst. Jedoch werden im Gender Pay Gap nur ganzjährige Vollzeitbeschäftigungen miteinander verglichen. Nimmt man die Teilzeitbeschäftigung in die Berechnung auf, so liegt der Gender Pay Gap deutlich höher bei 36%. Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat errechnet, dass rund zwei Drittel der Unterschiede in den Stundenlöhnen zwischen Männer und Frauen nicht erklärbar sind – es liegt in diesen Fällen weder an der Branche, dem Beschäftigungsausmaß, der Region oder dem Alter. Man muss also davon ausgehen, dass es sich hierbei um direkte Lohndiskriminierung der Arbeitgeber*innen handelt.
Was können wir gegen diese Diskriminierung unternehmen?
In Österreich sind Betriebe ab 150 Mitarbeiter*innen seit 2011 zwar verpflichtet, einen Einkommensbericht zu erstellen, jedoch hat das noch keine wesentliche Verbesserung gebracht. Der Gender Pay Gap wird zwar kleiner, aber nur in mikroskopisch kleinen Schritten.
Island hingegen hat eines der strengsten Lohntransparenzgesetze: ab 25 Mitarbeiter*innen müssen Firmen nachweisen, dass sie die Belegschaft für gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlen und müssen dafür auch alle drei Jahre ein eigenes Zertifikat erwerben. Dabei werden Ausbildungsdauer und Qualifikation verglichen, auch um klassische Frauenberufe besser stellen zu können. Seit diesem Jahr droht jedem isländischen Unternehmen, das den Gender Pay Gap nicht geschlossen hat, eine tägliche Geldstrafe.
Auch Schweden und Norwegen haben eine lange Tradition der öffentlichen Einsicht bei Steuerdaten. Unternehmen ab 25 Angestellten müssen dort alle drei Jahre Berichte erstellen, die die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen erfassen. Die Sozialpartner führen zusätzliche Gehaltsstatistiken, um Ungleichheiten zu beseitigen. Dementsprechend liegt der Gender Pay Gap in beiden Ländern unter dem EU-Durchschnitt.
Volle Lohntransparenz in allen Betrieben verknüpft mit rechtlichen Konsequenzen für unfaire Bezahlung würde den Gender Pay Gap auch in Österreich schnell schließen.
Arbeit in Branchen, die von Frauen dominiert werden – wie etwa der Dienstleistungssektor – müssen neu bewertet werden. Extremsituationen zeigen, wer unsere Gesellschaft eigentlich am Laufen hält. Während der Corona-Pandemie saßen die sogenannten Systemerhalter*innen an den Supermarktkassen oder pflegten unter anstrengenden und gefährlichen Umständen Alte und Kranke. Sie deckten die Grundbedürfnisse unserer Gesellschaft ab.
Unbestritten ist: Höheres gesellschaftliches Ansehen führt zu besserer Bezahlung aus. Die Krise könnte eine Chance sein, endlich faire Bezahlung in frauendominierten Branchen wie der Pflege durchzusetzen.
Für 38,2% der Frauen ist die mangelnde Kinderbetreuung der Hauptgrund für Teilzeitbeschäftigung, wohingegen das nur bei 5,4% der Männer der Fall ist. In Österreich sind nur 16,6% der Betreuungseinrichtungen für unter-3-jährige Kinder vollzeittauglich, also für Eltern mit Vollzeitjob ausreichend lange geöffnet. Schlusslicht im Bundesländervergleich ist Oberösterreich mit 4,4%, der Spitzenreiter dagegen Wien mit 41,2%.
Auch bei den 3-6-Jährigen haben nur 4 von 10 Einrichtungen ausreichende Öffnungszeiten für Eltern in Vollzeit-Arbeit.
Als ausreichend gelten Öffnungszeiten von mindestens 45 Stunden in der Woche, an jedenfalls vier Tagen davon 9,5 Stunden. Die Schließzeiten dürfen nicht länger als fünf Wochen im Jahr sein. Kurz gesagt: Österreich muss die Öffnungszeiten von Kindergärten und Krabbelstuben rasch erweitern und die Kapazitäten von Betreuungseinrichtungen ausbauen, um die ungleiche Bezahlung von Frauen endlich zu beenden.
Zum Weiterlesen:
www.equal-pay-day.at
www.ronja-verdient-mehr.at
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