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1.500 Medikamente fehlten – Wie Europa die Produktion aus Asien zurückholt

2023 gab es 1.515 Meldungen zu Arzneimitteln in Österreich, die gar nicht oder nicht ausreichend verfügbar waren – und der Trend steigt. Ganz Europa ist in der Produktion von Medizinprodukten stark abhängig von einzelnen asiatischen Ländern. Österreich ist besonders betroffen. Die EU beginnt nun, die Produktion von lebenswichtigen Gütern zurückzuholen. 

Österreich hängt am Tropf von Asien – so lautete die bitterste Erkenntnis in der Corona-Pandemie. China und Indien haben ein Monopol bei der Medikamentenproduktion. Warum? Weil Europa in der Vergangenheit Kosten sparen wollte und die eigene Produktion eingestellt hat. Verlagert hat sie die dann häufig in den asiatischen Raum. Diese Entwicklung betrifft auch viele andere Wirtschaftssektoren.

Von der Halbleiterproduktion bis hin zu E-Autos oder Solarpanelen: Der Kontinent hängt von Autokraten und wackligen Lieferketten in Drittstaaten ab. Expert:innen wie der SPÖ-EU-Abgeordnete Günther Sidl raten dem Industriestandort Europa darum dringend, die Produktion zurückzuholen. Es brauche eine Reindustrialisierung meinen sie– nur diesmal ganz im Sinne des Umweltschutzes, also ohne rauchende Schlote.

Zugang zu Medikamenten absichern: Europäischer Zusammenhalt als einzige Chance im globalen Wettbewerb

„Um Lieferengpässen entgegenzuwirken, müssen wir auf einen Wiederaufbau der Arzneimittel-Produktion in Europa setzen. Das ist eine gesamteuropäische Aufgabe und es ist unsere einzige Chance“, forderte Jürgen Rehak.

Rehak, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, forderte das schon 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie. Vier Jahre später macht man nun nach einer Vorbereitungsphase Nägel mit Köpfen – die EU arbeitet an einem Arzneimittelpaket. Die Union hat die Notwendigkeit einer industriellen Wende erkannt.

„Bis 2030 könnte die EU sonst von China so abhängig sein wie derzeit von russischem Gas“, warnt auch der Europaabgeordnete Günther Sidl (SPÖ).

Mitte April 2024 hat sich das EU-Parlament zur Arznei-Gesetzesinitiative positiv positioniert – wie es weitergeht, hängt vom neuen Parlament nach den Europawahlen am 9. Juni ab. Ziel des Pakets ist es, gegen Arzneimittelengpässe, antimikrobielle Resistenzen (AMR) und eine ungleiche Versorgung mit Medikamenten vorzugehen. Gleichzeitig möchte man die Entwicklung neuer Präparate fördern und höhere Umweltstandards etablieren.

1.515 Meldungen wegen Arzneimangels: Die Produktion muss zurück nach Europa

Dass das Gesetzespaket nach den Wahlen dann auch beschlossen wird, ist besonders für das Arznei-Niedrigpreisland Österreich wichtig. Hierzulande sind Apotheken und Großhandel aufgrund des wenig attraktiven Absatzmarkts stark mit sensiblen Lieferketten konfrontiert. Das betrifft selbst überlebenswichtige Medikamente wie Antibiotika, die fast ausschließlich aus Asien kommen.

„Im letzten Jahr gab es 1.515 Meldungen zu Arzneimitteln in Österreich, die nicht oder nicht ausreichend verfügbar waren. Damit ist die Zahl im Vergleich zu den Vorjahren sogar noch gestiegen. Das soll sich mit dem neuen Arzneimittelgesetz ändern“, sagt Günther Sidl, der sich in Brüssel in den vergangenen fünf Jahren für diese Wende eingesetzt hat.

Batterien und kritische Rohstoffe als Vorreiter: Gesundheitsreform hängt vom politischen Willen ab

Wenn alles gut geht, kann die Arzneimittelreform ein wichtiges Vorbild werden. Wie schon die EU-Allianzen für Batterien und kritische Rohstoffe zeigen, ist es jedenfalls möglich, die europäische Produktion zu stärken. Sofern alle Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen und erkennen, dass nationale Alleingänge kaum Effekt haben. Dann ist der Wandel nicht nur Brandlöschung, sondern bietet auch Chancen. Unter heimischer Aufsicht kann die Produktion immerhin sozial gerecht und nachhaltig erfolgen, in Drittstaaten aber ist kein Einfluss möglich.

Im Fall des Arzneimittelpakets würde die Reform Fairness im angeschlagenen Gesundheitssystem stärken. Eine europäische Reindustrialisierung ist also nicht nur ein Weg aus der Abhängigkeit, sondern auch eine Möglichkeit für mehr soziale Gerechtigkeit. „Etwa durch strengere Transparenz- und Meldepflichten für Hersteller und Großhändler sowie einer besseren Koordination auf europäischer Ebene beugen wir Engpässen vor“, erklärt Günter Sidl.

NeueZeit Redaktion

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