Der Mutter-Kind-Pass rettet Leben seit 1974. Das Programm zur Vorsorgeuntersuchung war bisher eine Kassenleistung. Die viel diskutierte mögliche Abschaffung seitens der Ärztekammer ist zwar vom Tisch. Für die Zukunft des Vorsorgeprogramms sind dennoch viele Fragen offen, schreibt Eva-Maria Holzleitner, Vorsitzende der SPÖ-Frauen im Gastkommentar.
Die Verunsicherung war groß, nun gibt es doch eine Einigung zwischen der Bundesregierung, der Sozialversicherung und der Ärztekammer: Der Mutter-Kind-Pass soll eine Kassenleistung bleiben. Unser Druck hat Wirkung gezeigt. Das monatelange Hin und Her hat aber eines deutlich vor Augen geführt: Das Vorsorgeprogramm muss in Zukunft finanziell abgesichert werden und auch die notwendige Erweiterung des Angebots entsprechend budgetiert werden.
Der Mutter-Kind-Pass wurde 1974 unter dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky von Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter eingeführt. Mit Hilfe der Vorsorgeuntersuchung ist es gelungen, die Säuglings-, Kinder- und auch die Müttersterblichkeit stark zu senken. Es ist ein Programm, das Leben rettet.
In den Folgejahren wurden die Untersuchungen und Diagnosemöglichkeiten immer wieder ergänzt und an medizinische Entwicklungen angepasst. Labortests wie zum Beispiel die Diagnose von Diabetes in der Schwangerschaft, orthopädische Untersuchungen, Seh- und Hörtests für Kleinkinder und vieles mehr – das Programm hat viel zu einer guten Früherkennung von Krankheiten und der Möglichkeit, Therapien rechtzeitig zu beginnen, beigetragen.
Jetzt ist es wieder Zeit, auf medizinische Entwicklungen einzugehen und das Vorsorgeprogramm an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Dabei spielt besonders die Berücksichtigung und die Therapie von psychischen Erkrankungen eine große Rolle. Studien zeigen, dass sowohl Frauen als auch Kinder besonders von den aktuellen Krisen betroffen sind. Bei der von der Bundesregierung angekündigten Erweiterung des Programms ist im Hinblick auf die psychische Gesundheit nur eine einzige psychosoziale Beratung zum Beginn der Schwangerschaft vorgesehen, das ist sicher zu wenig!
Im Begutachtungsentwurf für das zukünftige Eltern-Kind-Pass-Gesetz ist auch eine Elternberatung vorgesehen. Dabei soll es um die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, um die Aufteilung der Elternzeit oder Auswirkungen von Teilzeit auf die Pension gehen. Das klingt auf den ersten Blick gut, denn die unbezahlte Arbeit muss endlich zwischen Frauen und Männern besser aufgeteilt werden. Aber es sind sehr viele Fragen offen. Wer übernimmt diese Beratung? Welche Ressourcen sind dafür vorgesehen?
Seit Jahren fordert die SPÖ, dass die Frauen- und Mädchenberatungsstellen ihre fixen Kosten wie Miete, Energie und Personal nicht über jährliche Projekte abdecken müssen. Derzeit bangen die Mitarbeiter*innen in vielen, vor allem in kleineren Einrichtungen um deren Bestand. Notwendig ist eine solide Basisfinanzierung.
Wenn allen Eltern nach der Geburt eines Kindes im Rahmen des Vorsorgeprogramms eine Beratung zur Verfügung stehen soll – und diese Beratung auch noch zwischen der 20. und 35. Schwangerschaftswoche für den vollen Bezug des Kindergeldes verpflichtend sein soll, dann ist das mit der derzeitigen finanziellen Ausstattung der Beratungseinrichtungen auf keinen Fall zu bewältigen. Schon jetzt können die Frauen- und Mädchenberatungsstellen kaum die erhöhte Nachfrage aufgrund der Krisen bewältigen. Die finanziellen Erhöhungen der Vergangenheit haben kaum die Inflation abgedeckt und waren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Ich erwarte mir von der Bundesregierung, dass sie das gesamte Vorhaben und die dazugehörige finanzielle Planung auf den Tisch legt, bevor das Gesetz beschlossen wird. Der Mutter-Kind-Pass ist eine Erfolgsgeschichte und ein wichtiger Grundpfeiler der österreichischen Vorsorgemedizin. Die Bundesregierung hat eine große Verantwortung, dessen Bestand auch in der Zukunft zu garantieren.
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