100 Millionen Menschen leben weltweit in Obdachlosigkeit. Dabei mangelt es nicht an Wohnraum: In Europa gibt es fast drei Mal so viele leerstehende Wohnungen wie Obdachlose. Von Kanada über Finnland bis nach Wien versuchen innovative Projekte, Wohnungslosigkeit zu reduzieren. Kanada etwa schenkte 50 ausgewählten Obdachlosen einfach so 7.500 Dollar. Mit Erfolg: Ihre Ausgaben für Alkohol und Drogen sanken um 39 Prozent und sie fanden im Schnitt innerhalb von drei Monaten eine feste Unterkunft. Auch andere Maßnahmen rund um den Globus sind vielversprechend.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass weltweit etwa 100 Millionen Menschen obdachlos sind. In Europa haben rund 4 Millionen Menschen kein Dach über dem Kopf – währenddessen stehen aber 11 Millionen Wohnungen leer. In den USA ist das Verhältnis ähnlich: 3,5 Millionen Obdachlose stehen 18,9 Millionen leeren Immobilien gegenüber.
Es gäbe also ausreichend Wohnraum, um allen Menschen ein Zuhause zu ermöglichen. Genau das versuchen einige Projekte rund um die Welt: Von Kanada über Finnland bis nach Wien – innovative Projekte schaffen es, Obdachlosigkeit drastisch zu reduzieren.
Ein solches Projekt ist das sogenannte „Housing First“. Das Konzept ist einfach: Obdachlose Menschen bekommen hier zuallererst eine Wohnung, sie erhalten ohne Vorbedingungen einen Platz zum Schlafen und Leben. Mit einem Dach über dem Kopf ist es einfacher, Arbeit zu finden oder psychische Erkrankungen zu bewältigen, so die Idee. Die Obdachlosen werden dabei nicht gezwungen, Betreuungsangebote in Anspruch zu nehmen – sie können sich freiwillig entscheiden, Unterstützung bei Jobsuche, Suchtkrankheiten oder anderem in Anspruch zu nehmen.
Housing First kehrt damit herkömmliche Obdachlosenhilfe ins Gegenteil um. Bisher wurde von wohnungslosen Menschen erwartet, zuerst einen Job zu finden oder psychische Leiden abzulegen, bevor sie bei der Wohnungssuche unterstützt werden.
Housing First funktioniert weltweit als Mittel gegen Obdachlosigkeit. In Wien etwa setzt die Hilfsorganisation neunerhaus das Konzept um. In der Pilotphase zwischen 2012 und 2015 konnten 98 Prozent der insgesamt 131 betreuten Menschen in stabile Wohnverhältnisse gebracht werden. Seitdem ist das Programm fixer Bestandteil der Wiener Wohnungslosenhilfe. Die obdachlosen Menschen schließen in Wien einen eigenständigen Mietvertrag ab und können gleichzeitig auf freiwillige Betreuungsangebote zugreifen.
Auch im amerikanischen Bundesstaat Utah und in Finnland hat das Konzept Erfolg. Utah konnte in den ersten zehn Jahren des Housing First die Anzahl der chronisch obdachlosen Menschen um 91 Prozent verringern. In Finnland läuft das Projekt seit 2008: Vier von fünf Obdachlosen finden dadurch den Weg zurück in stabile Wohnverhältnisse.
Lloyd Pendleton, Direktor der Obdachlosen-Taskforce von Utah, sagt, dass Vertrauen entscheidend ist. Er berichtet über eine der ersten Teilnehmerinnen von „Housing First“:
„In der ersten Nacht in ihrer Wohnung legte sie ihre Sachen auf das Bett und schlief auf dem Boden. Die nächsten drei Nächte schlief sie draußen beim Müllcontainer in der Nähe des Wohnhauses. Mit Hilfe ihres Sozialarbeiters zog sie wieder in ihre Wohnung zurück, schlief aber noch mehrere Nächte lang auf dem Boden. Es dauerte über zwei Wochen, bis sie genug Vertrauen entwickelt hatte, dass diese Wohnung ihr gehörte und ihr nicht weggenommen wird“.
Die spanische Region Katalonien bekämpft Obdachlosigkeit mit einem anderen Mittel. Gemeinden dürfen hier seit 2016 leerstehende Immobilien übernehmen, um sie als öffentliche Wohnobjekte leistbar zu vermieten. Voraussetzung dafür ist, dass die Wohnungen seit mehr als zwei Jahren unbewohnt sind. Danach können die Gemeinden mit der Vermietung beginnen. Nach maximal zehn Jahren wandern die Wohnungen wieder in den Besitz ihrer privaten Eigentümerinnen und Eigentümer zurück.
Barcelona, die Hauptstadt Kataloniens, geht noch einen Schritt weiter: Die Stadt fordert im Sommer 2020 14 große Unternehmen auf, ihre insgesamt 194 leerstehenden Wohnungen zu vermieten. Andernfalls, droht Barcelona, übernimmt die Stadt die privaten Leerstände – zu nur 50 Prozent des Marktwertes. So soll zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Helfen die Unternehmen nicht mit, droht ihnen nicht nur der Verlust ihrer Immobilien unter Wert, sie können zudem mit einer Geldstrafe zwischen 90.000 und 900.000 Euro belegt werden.
Einen anderen Weg testet Kanada. 2018 schenkte eine Wohltätigkeitsorganisation in einem Feldversuch 50 ausgewählten Obdachlosen einmalig je 7.500 kanadische Dollar (ca. 4.800 Euro). Einfach so, die Beschenkten mussten sich im Gegenzug zu nichts verpflichten. Nun wurden die Langzeit-Ergebnisse des Versuchs im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die kein Geld bekam, ausgewertet.
Jene Obdachlosen, die das Geldgeschenk erhielten, verbrachten weniger Tage auf der Straße als die anderen und fanden in durchschnittlich drei Monaten sogar eine feste Unterkunft. Von den 7.500 Dollar gaben sie mehr als Hälfte für Miete und Lebensmittel aus, 16 Prozent für Transport und Kleidung und 15 Prozent für Medikamente oder andere Rechnungen. Die Ausgaben für Alkohol und Drogen sanken um 39 Prozent.
Obwohl Geld verschenkt wurde, half die Maßnahme der öffentlichen Hand beim Sparen. Denn: Obdachlosigkeit ist teuer. Sozialausgaben, Obdachlosenunterkünfte oder Notschlafstellen kosten Geld. In Kanada konnten durch die Erfolge der Direktzahlung an die Wohnungslosen insgesamt 405.000 Dollar gespart werden.
Auch das Housing First Programm ist kostengünstiger als Wohnungslosigkeit: Finnland etwa spart durch das Projekt jährlich 15.000 Euro – pro obdachlosem Menschen.
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