Der ÖVP-Wirtschaftsbund von Harald Mahrer will Corona-Arbeitslose zwingen, jede Arbeit anzunehmen. Das Arbeitslosengeld soll nach kurzer Zeit immer weniger werden. Außerdem sollen Arbeitssuchende stundenlang in die Arbeit zu pendeln. Die Notstandshilfe wollen Mahrer und Co befristen. Wer länger keine Arbeit findet, würde alles verlieren. Wien, das Burgenland und Kärnten gehen einen anderen Weg.
Ab dem vierten Monat ohne Job soll das Arbeitslosengeld weniger werden. Das fordert der Wirtschaftsbund, die ÖVP-Fraktion in der Wirtschaftskammer. Wer schon einmal auf Arbeitssuche war, weiß: So lange dauern oft allein die Auswahlverfahren von Unternehmen. Es ist also kaum möglich, kürzer arbeitslos zu sein. Das ist wohl auch Wirtschaftsbund-Chef Harald Mahrer (ÖVP) klar.
Zwar würden Arbeitssuchende in den ersten Monaten etwas mehr Arbeitslosengeld erhalten, unterm Strich aber weniger. Der Wirtschaftsbund behauptet damit sinngemäß: Wer länger arbeitslos ist, will das auch sein. Gerade in der momentanen Situation ist das schlicht Unsinn: auf knapp 435.000 Arbeitssuchende kommen gerade einmal 81.000 freie Jobs. Außerdem will der Wirtschaftsbund die Notstandshilfe zeitlich befristen. Wer länger keine Arbeit findet, müsste dann sein gesamtes Vermögen aufbrauchen, bevor sie oder er Mindestsicherung beziehen kann. Nachdem derzeit auf eine freie Stelle mehr als vier Arbeitslose kommen, würde das viele treffen.
Trotzdem fordern die türkisen Unternehmerinnen und Unternehmer, den Druck auf die Corona-Arbeitslosen noch weiter zu erhöhen. Sie wollen Arbeitssuchende zwingen, Arbeitsplätze auch dann anzunehmen, wenn sie 1,5 Stunden von ihrem Wohnort entfernt sind. Das würde täglich drei Stunden im Auto oder in öffentlichen Verkehrsmitteln bedeuten. Wie Menschen nebenbei leben oder gar für ihre Familie sorgen sollen? Was das für den CO2-Ausstoß bedeutet? Diese Antworten bleibt der Wirtschaftsbund schuldig. Für Langzeitarbeitslose will er die Begrenzung überhaupt abschaffen. Wer in Graz länger arbeitslos ist, könnte also gezwungen werden, in Wien zu arbeiten. Außer Arbeit und Schlafen bliebe dann nichts mehr vom Leben.
Dahinter steht vor allem Druck aus Gastronomie und Tourismus. Seit Jahren steigert die Branche
ihre Gewinne, indem sie geringe Löhne zahlt. Lange, anstrengende Dienste, kurze Ruhezeiten und minimale Gehälter kommen dazu. Dass viele Betriebe die erlaubten Arbeitszeiten bei weitem überschreiten, es mit den vorgeschriebenen Mindest-Ruhezeiten nicht sehr genau nehmen und dazu neigen, Überstunden nicht voll abzugelten, macht die Sache nicht besser.
Da spielen heimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurecht nicht mit. Anstatt faire Löhne zu bezahlen und vertretbare Arbeitsbedingungen zu bieten, setzen viele Unternehmerinnen und Unternehmer daher auf Arbeitskräfte aus Osteuropa. Die niedrigen Löhne in ihren Heimatländern drängen sie in die Jobs. Doch sie drohen nun auszubleiben. Viele von ihnen haben sich im letzten Jahr andere Arbeit gesucht. Zumindest fürchtet das der Wirtschaftsbund.
Deshalb sollen Arbeitssuchende gezwungen werden, auch schlecht bezahlte Jobs mit unzumutbaren Arbeitszeiten weit weg von ihrem Wohnort anzunehmen. Die Erfahrung der letzten Jahre lehrt: Wenn Harald Mahrer und der Wirtschaftsbund etwas fordern, werden es Sebastian Kurz und die türkise ÖVP bald umsetzen.
Dass es auch anders geht zeigen das Burgenland, Kärnten und Wien: die Konjunkturprogramme dort schaffen Jobs in der Pflege, bilden Arbeitslose und Jugendliche zu Fachkräften aus und sorgen dafür, dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben. Denn nur dann können sie mehr ausgeben. Das stärkt die Wirtschaft zuverlässig und verteilt Wohlstand gerecht. Außerdem fehlen in Österreich ohnehin Pflegerinnen, Pfleger und viele andere Fachkräfte. Von Billiglöhnen profitieren nur einige wenige – zum Beispiel im Wirtschaftsflügel der ÖVP.
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