Weil Sebastian Kurz unbedingt Kanzler werden wollte, hat er 2016 den schon fertig ausverhandelten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung in Österreich abgeschossen. Die SPÖ-Gemeindevertreter präsentieren jetzt einen 5-Stufen-Plan, wie der flächendeckende Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz doch noch kommen soll.
2016 verhandelte der damalige SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern mit seinem ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner über 1,2 Milliarden Euro, die in den Ausbau der Nachmittagsbetreuung fließen sollten – jedes Kind sollte einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz bekommen. Das passte dem damaligen Außenminister Sebastian Kurz aber gar nicht in seine Pläne. Wie aus mittlerweile bekanntgewordenen Chats hervorgeht, arbeitete er mit Thomas Schmid daran, den Ausbau der Nachmittagsbetreuung zu verhindern. Kurz wollte der damaligen großen Koalition keinen politischen Erfolg gönnen, der geplante Ausbau der Kinderbetreuung musste „aufgehalten“ werden.
Wie es dann weiterging, ist bekannt. Die Kinderbetreuungs-Milliarde kam nicht und Mitterlehner wurde bald von Kurz geputscht. Statt mehr Kinderbetreuung bekamen die Menschen im Land den 12-Stunden-Tag.
Der sozialdemokratische Gemeindevertreter-Verband GVV und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser präsentierten einen 5-Punkte-Plan, mit dem der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz nun doch noch kommen soll. „Egal welche Einkommen die Eltern haben – jedes Kind hat ein Recht auf Bildung und Betreuung. Das sind nicht nur Investitionen, die unseren Familien zugutekommen, sondern auch unserer Volkswirtschaft“, sagt Landeshauptmann Kaiser (SPÖ) bei der Präsentation.
Der Plan sieht vor, dass nach einer Bedarfsevaluierung für die Budgetjahre 2023 und 2024 jeweils mindestens eine Milliarde Euro vom Bund aufgebracht werden, damit in den Regionen und Gemeinden die fehlenden Kinderbetreuungsplätze gebaut werden können. Das habe den positiven Nebeneffekt, dass die regionale Bauwirtschaft angekurbelt wird. Zusätzlich soll eine Ausbildungsoffensive vor allem für Kindergartenpädagog:innen gestartet werden und das Berufsbild attraktiver gestaltet werden. Insgesamt 1,7 Milliarden Euro sollen künftig jährlich für Kinderbetreuung im Bundesbudget veranschlagt werden, sieht der GVV-Plan vor.
Ein so umfangreiches Projekt kann freilich von keinem Land und keiner Gemeinde allein gestemmt werden. Alle Beteiligten, von der Gemeinde bis zum Bund, müssen an einem Strang ziehen, betont GVV Kärnten Vorsitzenden Günther Vallant: „Wir wollen nachhaltig sinnvolle und bedarfsgerechte Einrichtungen für unsere Kinder und das Personal. Dazu braucht es Bund, Länder und Gemeinden konstruktiv an einem Tisch, um auch die entsprechende Finanzierung zu gewährleisten.“
Auch Vertreter:innen von Wirtschaft und Industrie pochen auf eine Ausbau der Kinderbetreuung. Derzeit sind es vor allem Frauen, die den Spagat zwischen Familie und Beruf irgendwie bewerkstelligen müssen. Sie werden mangels Betreuungsmöglichkeiten aber oft in die Teilzeitarbeit gedrängt.
Viele Frauen können gar nicht oder nur eingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen. Finanzielle Abhängigkeiten sind oftmals die Folge. Aber nicht „nur“ aus frauenrechtlicher Sicht ist das ein großes Problem. Auch Wirtschaft und Industrie beklagen, dass es für Frauen viel zu schwer ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Das schade wiederum dem Wirtschaftsstandort Österreich.
So betont WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz, wie wichtig ein Ausbau der Kinderbetreuung sowohl für die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, als auch für den Wirtschaftsstandort Österreich ist.
Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich, beklagt das gleiche Problem. Die Industrie habe es schwer, geeignete Fachkräfte zu finden. Gleichzeitig können qualifizierte Frauen nur eingeschränkt arbeiten, weil die Vereinbarkeit mit der Familie nicht funktioniere. „Dadurch, dass die Kinderbetreuung noch nicht so toll ist, wie wir sie gerne hätten, gehen uns auch viele Frauen in der Industrie und der Wirtschaft insgesamt als Mitarbeiterinnen verloren. Das ist ein wesentliches Potenzial für zukünftige Fachkräfte“, sagt Salzer.
Wenn sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen seit Jahren einstimmig nach mehr Kinderbetreuung rufen, stellt sich die Frage, warum diese Forderung bis heute nicht entsprechend umgesetzt worden ist. Für GVV Österreich Präsident Andreas Kollross liegt die Verantwortung dafür bei der ÖVP.
„Dass der Rechtsanspruch auf Kinderbildung und -betreuung nicht schon umgesetzt wurde, liegt allein daran, dass der ehemalige Außenminister Kurz unbedingt Bundeskanzler werden wollte und ein bereits geschnürtes Kinderbildungs- und betreuungs-Paket in der Höhe von 1,2 Mrd. Euro verhindert hat. Und es ist jetzt wieder die ÖVP, die blockiert“, so Kollross.
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