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Kommentar: Die Tabaklobby verdient auf Kosten von Suchtkranken – In Neuseeland bald nicht mehr

Um dem Alltag, der Schnelllebigkeit und dem permanenten Leistungsdruck zumindest kurzzeitig zu entkommen, greifen viele zum Feierabendbier oder zur Pausen-Tschick. Zweiteres, nämlich das Rauchen, will Neuseeland als erstes Land der Welt bald komplett verbieten. Und hinterfragt damit: Warum müssen wir eigentlich Drogen konsumieren, um zu rechtfertigen, dass wir mal eine Pause brauchen? 

Zum Weiterlesen: Kommentar: Staaten sollten lieber die Finanzmärkte regulieren statt das Rauchen zu verbieten

Wer kennt’s nicht: Die To-Do-Liste ist gefühlt zehn Seiten lang, die Kollegin sitzt einem wegen eines gemeinsamen Projekts im Nacken und der Chef ruft auch nach Feierabend nochmal an. Wochen mit Überstunden sind bei vielen Menschen mittlerweile normal. Hinzu kommen private Verpflichtungen, wie der ausstehende Wohnungsputz oder familiäre Angelegenheiten. Um aus dem Hamsterrad aussteigen und „um wieder runter kommen zu können“ ist der Griff zum Gläschen Wein/ Bier am Abend oder zur Zigarette zwischendurch oft nicht weit. Neuseeland schlägt nun ein neues Gesetz vor, mit dem man bis 2025 so gut wie komplett rauchfrei werden will. Ob das die Lösung aller Probleme sein kann?

Wie aus einer Suchterkrankung Profit wird

Der Griff zum Feierabendbier oder zur Tschick zwischendurch hat nicht zuletzt auch durch die Pandemie eine neue Bedeutung bekommen. Aus „einem Genuss“, den man sich zuvor ab und an gegönnt hat, wurde eine Notwendigkeit, ohne der man den Alltag nicht mehr ertragen konnte. Rund eine Million Menschen in Österreich weisen ein problematisches Trinkverhalten auf. In keinem anderen EU-Land gibt es zusätzlich dazu so viele junge Menschen, die nikotinabhängig sind.

Während die Tabak- und Alkohol-Lobby die unzumutbaren Lebenssituationen der Menschen ausnutzt und mit deren Süchten massenweise Geld generiert, plädieren verschiedenste Seiten immer noch auf die Eigenverantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten. Als wäre eine Suchterkrankung etwas, das man sich aussuchen kann. Dass der Staat und das Gesundheitssystem dann auch noch die gesundheitlichen Folgen von Alkohol- und Nikotinabhängigkeit schultern soll, ist mehr als fragwürdig.

Ein gutes Leben für alle

Zum „guten Leben für alle“ zählt seit jeher eine angemessene Wohnsituation, ein Job, der einen nicht komplett auslaugt und dessen Einkünfte für’s Leben reichen, genug Zeit für Familie, Freunde sowie Hobbies und natürlich auch Gesundheit. Für einen Großteil der linken und akademisch gebildeten Blase gehört auch das geliebte Feierabendbier oder die Tschick zum „guten Leben“ dazu. Es wird behauptet, dass man Drogen eigenverantwortlich und in „gesundem“ Maße konsumieren könne. Das mag für gewisse Schichten ganz bestimmt richtig sein.

Es negiert aber, dass gerade Menschen aus weniger wohlhabenden Milieus oft keine bewusste Entscheidung für den Drogenkonsum treffen. Studien aus Neuseeland zeigen, dass Menschen aus bildungsferneren und finanziell schlechter gestellten Schichten drogenabhängig werden, weil die Sucht häufig von Generation zu Generation weitergetragen wird. Die meisten werden in sehr jungen Jahren abhängig und leiden ein Leben lang unter den gesundheitlichen Folgen. Die Tabaklobby freut’s.

Warum der Schritt zu einem rauchfreien Neuseeland mutig ist

Natürlich lösen Tabak- oder Alkoholverbote noch lange nicht alle anderen Probleme. Aber so realistisch muss man bleiben: Die Welt kann nicht an einem Tag komplett verändert werden. Fragen wie gutes Wohnen, Work-Life-Balance oder soziale Umverteilung sind immer noch zu klären. Was die Pläne der neuseeländischen Regierung aber erreichen, ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion. Nämlich darüber, warum Menschen in unserem derzeitigen System zu Drogen greifen (müssen). Und vor allem warum Großkonzerne mit Suchterkrankungen derart hohe Gewinne einfahren können.

Als erstes Land der Welt unterwirft sich Neuseeland nicht den Profitinteressen der Tabaklobby, sondern stellt die Gesundheit der Menschen in den Mittelpunkt ihrer Politik. Und das wird man, wenn nicht jetzt, dann zumindest in ein paar Jahren als mutig einstufen.

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

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