Die Preise in Österreich stiegen im Mai im Schnitt um 8 Prozent – die höchste Inflationsrate seit mehr als 40 Jahren. Haushalte mit geringem Einkommen sind davon besonders hart betroffen. Von Wirtschafts- bis Arbeitnehmer-Vertretern fordern deshalb zahlreiche Expertinnen und Experten eine Anpassung von Sozialleistungen an die Teuerung. ÖVP & Grüne aber wollen Familienbeihilfe, Pflegegeld und Co. trotz Rekord-Preisen nicht erhöhen.
Die Inflationsrate erreichte im Mai einen Wert von 8,0 Prozent. So hoch war sie das letzte Mal im Jahr 1975. Die Hauptursache ist der Krieg in der Ukraine und der damit verbundene Preisanstieg von Energie und Lebensmitteln. Arme Haushalte mit geringem Einkommen sind von der Teuerung am stärksten betroffen. Denn sie geben im Verhältnis zum Einkommen am meisten für Energie und Lebensmittel aus.
Mehrere Expertinnen und Experten fordern daher eine Anpassung der Sozialleistungen an die Teuerung. Darunter fallen zum Beispiel Familienbeihilfe, Wohnbeihilfe, Mindestsicherung und Pflegegeld. Anders als der Mietzins, viele Handytarife oder Parteienförderungen werden diese Sozialleistungen nämlich nicht automatisch an die Inflation angepasst. Und das, obwohl Menschen, die Sozialleistungen beziehen, am stärksten von der Teuerung betroffen sind.
Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, spricht sich in der ORF-Pressestunde „dringend“ für eine Indexierung, also eine Anpassung der Sozialleistungen an die Inflation aus. Denn in Österreich gebe es viele Sozialleistungen, die seit Jahren nicht an die Teuerung angepasst wurden. Wenn die Inflation, wie in den letzten Jahren, nur bei 2% oder darunter liege, dann sei das erträglich. Bei einer so hohen Teuerungsrate wie jetzt sei dieses System aber “nicht mehr durchhaltbar”.
Auch Joel Tölgyes, Ökonom beim Momentum Institut, begrüßt eine Anpassung an den Inflationswert. Der Wirtschaftsexperte meint im Ö1-Mittagsjournal, die Familienbeihilfe habe seit dem Jahr 2000 etwa 30 Prozent an Wert verloren. “Das bedeutet man kann sich heute, mit diesen Sozialleistungen weniger leisten, als das noch vor 20 Jahren der Fall war” Die Familienbeihilfe oder etwa das Pflegegeld wurden zwar in den letzten Jahren immer wieder erhöht, allerdings nicht automatisch und unter der Inflationsgrenze. Der Experte fordert deswegen zunächst eine Anhebung und danach eine automatische Anpassung der Sozialleistungen an die Teuerung.
Eine solche Anpassung plant die Regierung allerdings nicht. Vizekanzler Kogler sprach unlängst noch von “Teurungs-Hysterie”. Diesen Begriff nahm er mittlerweile zurück. Sozialminister Johannes Rauch erkennt auf Ö1-Anfrage zwar an, dass vor allem Menschen mit geringem Einkommen entlastet werden müssen. Er verweist jedoch auf das bisherige Maßnahmenpaket der Regierung. Damit sei “schon viel erreicht worden”.
Doch vor allem der türkise Teil der Regierung sperrt sich gegen eine Anpassung. ÖVP-Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger verweist ebenfalls auf die bisher beschlossenen Einmalzahlungen. Man wolle die Menschen zwar weiter entlasten, aber nicht mit derartigen Maßnahmen. Stattdessen will man ab 2023 die „kalte Progression“ abschaffen.
Allerdings: Schon Ex-Kanzler Sebastian Kurz kündigte im Wahlkampf 2017 die Abschaffung der kalten Progression an. Passiert ist das bisher nicht. Als Grund dafür nannte der damalige Kanzler: Die Abschaffung der kalten Progression würde vor allem Spitzenverdiener entlasten.
Wenn man den ehemaligen Kanzler beim Wort nimmt, dann würden kleine und mittlere Einkommen von der Abschaffung der kalten Progression also vermutlich wenig spüren. Außerdem: Bis 2023 ist es noch lange hin und ein Ende der Teuerung ist nicht in Sicht. Und selbst wenn die Inflation in absehbarer Zeit sinken würde, hieße das nicht, dass auch die Preise wieder sinken. Sie würden nur aufhören zu steigen. Von der Regierung beschlossene Einmalzahlungen helfen genau einmal. Aber an das jetzige Preisniveau werden wir uns langfristig gewöhnen müssen.
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