Allgemein

1.800 von 2.000 Gemeinden ausgenommen: Neues Gesetz bringt wieder keine Transparenz

Einen „Turbo gegen Vetternwirtschaft und Korruption“. Den versprach die schwarz-grüne Bundesregierung mit dem Informationsfreiheitsgesetz. Bürgerinnen und Bürger sollen dadurch einfacheren Zugang zu Informationen von „allgemeinem Interesse“ haben. Doch 1.800 von 2.000 Gemeinden sind von dem neuen Gesetz ausgenommen.

ÖVP und Grüne haben das neue Informationsfreiheitsgesetz präsentiert. Es soll Bürgerinnen und Bürgern leichteren Zugang zu Informationen von „allgemeinem Interesse“ ermöglichen. Das Amtsgeheimnis sei damit Geschichte. Will ein Bürger zum Beispiel wissen, warum sein Kind keinen Kindergartenplatz bekommen hat, müssen die zuständigen Stellen es ihm erklären. Möchte eine Dorfbewohnerin erfahren, warum ihr Bürgermeister seine privaten Grundstücke in Bauland umwidmen hat lassen, kann sie von ihm Auskunft verlangen – und es bei Nicht-Auskunft gesetzlich einklagen.

Regierung macht Schluss mit Korruption – oder doch nicht?

Das neue Informationsfreiheitsgesetz der Bundesregierung soll für Bürgerinnen und Bürger einen „gläsernen Staat“ und mehr Transparenz bedeuten. Von einem „Turbo gegen Vetternwirtschaft und Korruption“ sprach Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Auch ihr Parteikollege und Grünen-Chef Werner Kogler ist überzeugt: Die Regierung hätte einen „monumentalen Kulturwechsel“ und eine „Transparenzrevolution“ hinbekommen.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler ging in einer Pressekonferenz auf die Details des neuen Gesetzes ein: Sie meinte Geheimhaltung sei die Ausnahme, „Informationserteilung und Transparenz wird in Zukunft die Regel sein“. Verwaltungsorgane von Bund, Ländern und Gemeinden sind durch das Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet, proaktiv Auskunft zu erteilen. Alle Verwaltungsorgane? Nein. Denn tatsächlich sind über 1.800 von 2.093 österreichischen Gemeinden vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen.

Wieder keine Transparenz: In über 1.800 Gemeinden gilt neues Informationsfreiheitsgesetz der Regierung nicht

Das neue „Recht auf Information“ kann jede und jeder, sofern die Behörden es nicht einhalten, beim Verwaltungs- und Verfassungsgericht einklagen. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus, denn die Regierung hat eine „österreichische Lösung“ hingelegt: Gemeinden unter 5.000 Einwohnern sind von dem Gesetz ausgenommen. Die Regierung rechtfertigt dies mit dem zu hohen Verwaltungsaufwand für Gemeinden.

Der Verwaltungsaufwand könnte durch vermehrte Bürger-Anfragen tatsächlich steigen. Kritische Stimmen sprachen sich deshalb für sogenannte „Transparenzbeauftragte“ in Gemeinden aus. Diese sollten Anfragen der Bürgerinnen und Bürger abarbeiten. So wäre gewährleistet gewesen, dass Gemeindevertreter und Amtsleiter das Tagesgeschäft weiter bearbeiten können, die Bürgerinnen und Bürger aber gleichzeitig ihre gewünschte Auskunft erhalten. Doch auf diesen Vorschlag ging die Regierung nicht ein.

„Wer den gläsernen Staat will, muss ihn auch ermöglichen“

Wenn der Gesetzgeber das Thema Transparenz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger umsetzen will, muss er gleichzeitig dafür sorgen, dass es genügend Ressourcen gibt. Die roten Gemeindevertreter quer durch Österreich kritisieren, dass genau das von der Regierung zu wenig bedacht wurde.

Auf Bundesebene etwas zu beschließen, und keinerlei Überlegungen dabei anzustellen, wie das vor Ort in den Gemeinden auch umgesetzt werden kann, ist für uns jedenfalls der falsche Weg. Wer den gläsernen Staat will, muss diesen auch ermöglichen.

Kritik gab es aber nicht nur von der Oppositionsbank, auch Anti-Korruptions-Organisationen sind enttäuscht. Zum Beispiel die international agierende NGO Transparency International. Sie stellt dem Gesetz von Schwarz-Grün kein gutes Zeugnis aus. Die Regierung habe einerseits „unendlich lange“ gebraucht, um zumindest einmal bis „ins Vorzimmer des Gesetzes“ zu gelangen. Andererseits sei die 5.000-Einwohner-Grenze nur Augenauswischerei.

Insgesamt sind rund 1.834 von 2.093 Gemeinden vom neuen Gesetz ausgenommen. Ein Gläserner Staat für alle Österreicherinnen und Österreicher? Wieder einmal Fehlanzeige.

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

Share
Veröffentlicht von
Romana Greiner
Tags: Alma Zadic Amtsgeheimnis Bundesregierung featured Grüne informationsfreiheitsgesetz Karoline Edtstadler ÖVP Werner Kogler

Ähnliche Artikel

  • Oberösterreich

Klimasünder Elon Musk: Sein Privatjet stößt pro Jahr doppelt so viel CO₂ aus, wie die Stadt Steyr in 5 Jahren

E-Bus statt Privatjet: Seit Anfang Mai düsen neue, nachhaltige E-Busse durch Steyr. In den nächsten…

18. August 2025
  • Kärnten

1 Milliarde Euro Fördergeld für Kärnten von der EU: Das ermöglichte 11.051 heimische Projekte

Von 2014 bis 2020 bekam Kärnten knapp 1 Milliarde Euro an EU-Förderungen. Damit konnte das…

18. August 2025
  • Allgemein

Werft Korneuburg: SPÖ pocht auf 78.000m² Naherholungs-Gebiet auf Halbinsel

Werft Korneuburg: Menschen sitzen am Ufer, die Füße im Wasser, Kinder lassen kleine Boote treiben,…

13. August 2025
  • Niederösterreich

9,6 Milliarden Euro: Schulden von Niederösterreich so hoch wie noch nie

 Wenn man die Bundeshauptstadt Wien ausklammert und alle übrigen acht Bundesländer vergleicht, hat Niederösterreich den…

7. August 2025
  • Gesellschaft

Michael Schwarzlmüller: Zu Besuch beim Cowboy der Kalkalpen

Reichraming: Als Kind liest Michael Schwarzlmüller Karl May-Romane und schaut Westernfilme. Als Erwachsener bietet er…

6. August 2025
  • Frauen

Amalie Pölzer: Wer war die Namensgeberin des Amalienbads?

Hätten Sie gewusst, dass das Amalienbad am Reumannplatz nach der 1. weiblichen Gemeinderätin von Favoriten…

5. August 2025