Bildcredits: Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons
Anfang April kündigte der amtierende Präsident Donald Trump Einfuhrzölle für nahezu die gesamte Welt an. Damit löst die von ihm geführte Regierung Chaos an den Finanzmärkten und im weltweiten Handel aus. Wir haben Finanzminister Markus Marterbauer und die Ökonomin und Politikwissenschafterin Gabriele Michalitsch nach ihren Einschätzungen gefragt.
NeueZeit: Frau Michalitsch, wie bewerten Sie die verschiedenen Ankündigungen der Trump-Administration?
Gabriele Michalitsch: Mein Eindruck jetzt ist, dass es in Wahrheit ein großes Theater um den „starken Mann“ Trump war. Ich glaube nicht, dass letzten Endes viel von den Ankündigungen Trumps überbleiben wird. Und falls tatsächlich das Verhältnis zu China abkühlt, wird das China mehr Vorteile bringen als den USA. Man kann sich die Frage stellen, ob das alles nur eine Show war, um einen Insiderhandel zu ermöglichen. Ich traue diesen Leuten alles zu und halte das insofern für möglich.
Zur Person:
Gabriele Michalitsch ist Ökonomin und Politikwissenschafterin an der Universität Wien.
Schließen sie sich also den Insiderhandel-Vorwürfen an, die sich ja auch mit Trumps Aussagen decken, dass einer seiner Freunde 900 Millionen Dollar an diesen Ankündigungen verdient hat?
Ja und Musk, Trump selbst und viele weitere könnten in eine Aktion der massiven Bereicherung einiger Weniger involviert gewesen sein. Behaupten will ich das nicht, weil das verschwörungsideologisch wäre. Möglich ist es allemal, aber sicher weiß ich es nicht. Eigentlich müsste dieser Umstand untersucht werden, was aber vom aktuell besetzten US-Justizministerium nicht zu erwarten ist. Wenn von diesen Zoll-Ankündigungen allerdings wirklich so wenig überbleibt, wie aktuell, dann ist das durchaus plausibel.
Herr Marterbauer, viele Menschen fragen sich, warum Trump diese Zölle erlassen hat. Wie bewerten Sie seine Ankündigungen?
Die Politik von Trump ist unverantwortlich und sehr erratisch. Es ist nicht logisch oder anhand von Fakten vorhersagbar, was als nächstes passieren wird, beziehungsweise warum Entscheidungen wie getroffen werden. Diese Politik hat viele negative Auswirkungen, denn sie erzeugt enorme Unsicherheit. Sie ist eine riesige Gefahr für die Weltwirtschaft, verunsichert enorm die Finanzmärkte und die gesamte Wirtschaftspolitik.
Zur Person:
Markus Marterbauer ist der aktuelle Finanzminister. Zuvor war er Chefökonom der Arbeiterkammer und Vizepräsident des Fiskalrats.
Frau Michalitsch, Selbst im US-Kabinett herrschte Uneinigkeit über die Bezollung von chinesischen Technik-Produkten. Ausnahmen für technische Geräte wurden zurückgenommen, nur um danach wieder angekündigt zu werden. In Erwartung der Preisanstiege auf bis zu 2.300 Euro für ein aktuelles iPhone eilten US-Verbraucher:innen in die Geschäfte, um noch Apple-Geräte zu aktuellen Preisen zu bekommen. Ist eine solche Entwicklung auch in Europa und damit Österreich denkbar?
Das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich, im Gegenteil. Ich hoffe, dass die Europäische Union diese erratische US-Politik zum Anlass nimmt, die Beziehungen zu China zu verbessern. Natürlich ist es möglich, dass die Preise für Handys steigen, aber ganz sicher nicht in dem Ausmaß, wie in den Vereinigten Staaten. Das liegt daran, dass sich die Zölle, falls sie kommen, auf uns nur indirekt durch China und die Vereinigten Staaten auswirken werden.
Ratsam ist allerdings für die Politik, die Binnennachfrage in Europa zu stärken. Vor allem Österreich muss im Budget aber auch im privaten Geldbörserl sparen. Neben den riesigen Geldmengen für die Aufrüstung könnte man dieses Geld auch in das Sozialbudget der EU-Staaten fließen lassen und hätte damit weniger soziale Probleme und gleichzeitig weniger Abhängigkeit von den Weltmärkten, da auch die eigenen Bürger:innen sich die im Land hergestellten Dinge und Dienstleistungen eher leisten können.
Herr Marterbauer, laut Prognosen der Welthandelsorganisation wird unter der neuen Zollpolitik der Welthandel, aber vor allem die US-Wirtschaft, einbrechen. Welche Perspektiven hat die österreichische und europäische Wirtschaft, die negativen Folgen abzufedern?
Europa hat das überlegene Wirtschafts- und Sozialmodell und kann daher durchaus mit Selbstbewusstsein auftreten. Europas Stärke ist die Kombination von einem großen und funktionierenden Wirtschaftssystem und gut ausgebauten Sozialstaaten. Darauf müssen und wollen wir auch weiterhin bauen. Unser Credo ist Multilateralismus und internationale Kooperation. Das wird den USA angeboten, aber wenn sie das nicht wollen, wird man eben mit möglichst vielen anderen Ländern der Welt kooperieren. Ich halte zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Kanada für essenziell.
Trump war bereits von 2016 bis 2020 im Amt. Warum geschehen Ihrer Meinung nach diese wirtschaftlichen Zerwürfnisse gerade in der zweiten Amtszeit, wenn er doch auf dem Papier die gleichen Kompetenzen hat?
Eine wesentliche Rolle spielt dabei, wie Trump sich auf sein Amt vorbereitet hat. Man war in der ersten Amtszeit viel schlechter vorbereitet. Jetzt gibt es das von der „Heritage Foundation“ ausgefertigte „Project 2025“. Wenn man sich darin die Kapitel zur Handelspolitik ansieht, geht es vor allem um die Feindschaft zu China. Hinzu kommt, dass sich Donald Trump selber sehr gestärkt fühlt und sich dadurch zu einer Art „Diktator der Welt“ stilisiert, was sein Handeln nochmals rücksichtsloser macht.
Bezogen auf das sog. „Project 2025“: Halten Sie solche Bestrebungen auch in Europa im Besonderen in Österreich für wahrscheinlich?
Was man schon jetzt hat, sind Briefe der US-Regierung an europäische Unternehmen. Darin steht, dass sie nur US-Staatsaufträge bekommen, wenn sie die firmeninternen Diversitäts-Bestimmungen abbauen oder ganz abschaffen. Da kommt es sicherlich auf die Abhängigkeit der Unternehmen von solchen Aufträgen ab und es regt sich auch jetzt schon Widerstand. Wie erfolgreich solche Einflussnahmen sind, ist im Voraus schwer abzusehen.
Halte innereuropäische Entwicklungen für viel gefährlicher als Einfluss von Trump.
Natürlich gibt es auch in Europa Bewegungen, die die gesellschaftliche Teilhabe weiter einschränken wollen. Damit sind sie mit Blick auf Österreich, Deutschland, Frankreich, die Niederlande und natürlich Italien sehr erfolgreich. Diese innereuropäischen Entwicklungen halte ich für viel gefährlicher als den Einfluss von Trump. Aber solange diese verschiedenen rechtsextremen Parteien und Bewegungen nicht in den zentralen Institutionen und Ämtern sitzen, halte ich solche Projekte für (noch) nicht bedrohlich.
Wie schätzen Sie den Einfluss der Zölle und die damit erhöhten Kosten auf Menschen mit niedrigem Einkommen ein?
Ich denke, hier muss man differenzieren. Zunächst bleibt die Frage, wie weit die Zölle überhaupt auf uns europäische Konsument:innen durchschlagen werden. Zusätzlich geht es da hauptsächlich um den Handel mit Gütern, also mit hergestellten Dingen. Die USA exportieren aber auch viele Dienstleistungen. Und wenn man sich die Bilanzen ansieht, haben die Vereinigten Staaten hier sogar einen Überschuss.
Das heißt, wir Europäer:innen kaufen mehr US-Dienstleistungen als sie unsere europäischen, was natürlich bei Gütern andersherum ist. Daher ist erst einmal abzuwarten, wie hoch der tatsächliche Effekt auf unsere Preise sein wird. Wenn es aber Anstiege gibt, trifft es zuerst die Ärmsten, genau wie es schon bei der letzten Teuerung der Fall war. Ausnahmen bilden einen Preisanstieg bei Luxusprodukten, aber ein Smartphone zum Beispiel ist kein Luxusprodukt.
Zuletzt noch eine direkte Frage: Nehmen wir an, ich will mir im Laufe dieses Jahres ein solches Smartphone oder einen Laptop zulegen. Sollte ich dann lieber jetzt zuschlagen?
Nein. Ich glaube, Panikkäufe sind jetzt nicht angesagt. In so einer ungewissen Situation wie jetzt, sind die Folgen und damit auch die Preisentwicklung schwer absehbar. Von Überreaktionen ist aber generell abzuraten, da die Zölle auf Europa wie gesagt nicht direkt durchschlagen werden.
Über die Interviewpartner:innen:
Dr. Markus Marterbauer war, bevor er zum Finanzminister berufen wurde, Chefökonom der Arbeiterkammer und Vizepräsident des Fiskalrats. Er lehrte außerdem Volkswirtschaft.
Dr. Gabriele Michalitsch ist Ökonomin und Politikwissenschafterin. Sie lehrt an der Universität Wien ebenfalls zu Politik, Wirtschaft und politischer Theorie, insbesondere internationale Politik und feministische Wirtschaftstheorie.
Herrn Marterbauer konnten wir schriftlich befragen, Frau Michalitsch trafen wir zum virtuellen Interview.
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