Stichwort - Kolumne von Paul Stich

Stichwort Grüne: In 2 Jahren von der „Aufdecker-Partei“ zu türkisen Marionetten

Die selbsternannte „Aufdecker-Partei“ der Grünen will den Untersuchungs-Ausschuss nicht verlängern. Ein neuer Ausschuss könnte erst 2022 so richtig zu arbeiten beginnen. Der grüne Umfaller verschafft Kanzler Kurz eine wichtige Verschnaufpause – und rettet ihm vielleicht sogar seine Kanzlerschaft.


Stichwort
Die Kolumne von Paul Stich,
Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich.

Das Gegenteil von Gut? Gut gemeint! Ein Paradebeispiel dafür liefern aktuell die Grünen in der Regierung. Grünen-Klubchefin Sigi Maurer kündigt an, dass sie und ihre Partei der Verlängerung des (bisher äußerst erfolgreichen) Ibiza Untersuchungs-Ausschusses nicht zustimmen werden.

Wir werden uns wundern, was alles möglich ist, hat Norbert Hofer im Präsidentschaftswahlkampf 2016 versprochen. Und auch wenn er es wohl nicht ganz so gemeint hat: Eine grüne Partei, die einen U-Ausschuss zu möglicher Postenschacherei, illegalen Parteispenden und Korruption abdreht – das hätte man vor wenigen Jahren wohl noch für undenkbar gehalten.

Der nächste grüne Umfaller: Sigi Maurer und Co drehen den U-Ausschuss ab

Aber zurück zur Sache: Sigi Maurer hatte natürlich, ganz im Sinne der regierungsinternen Message-Control, ein passendes Wording bei der Hand. Das Nein der Grünen zu einer Verlängerung sei kein Problem, schließlich könne die Opposition ja jederzeit einen neuen U-Ausschuss einsetzen.

Bei genauerer Betrachtung fällt dieses grüne Kartenhaus jedoch schon beim kleinsten Windstoß in sich zusammen. Ja, die Opposition kann im Herbst wieder einen neuen U-Ausschuss einsetzen. Doch was Maurer verschweigt: Das gesamte Prozedere zur Vorbereitung wird erneut einige Monate in Anspruch nehmen. Schon beim aktuellen U-Ausschuss musste die Opposition sogar bis zum Verfassungsgerichtshof, um den gewünschten Untersuchungsgegenstand durchzusetzen, weil ÖVP und Grüne mit allen Kräften blockierten.

Voraussichtlich wird ein neuer U-Ausschuss erst 2022 (!) so richtig zu arbeiten beginnen können. Die Grünen verschaffen dem Bundeskanzler damit eine wichtige Verschnaufpause. Und das inmitten einer Phase, in der der Kurz massiv unter Druck gerät, da gefühlt jeden Tag neue brisante Details durch die Arbeit des U-Ausschusses auf den Tisch kommen.

Machen wir uns nichts vor: Die Grünen geben Kurz und seinem Team ausreichend Zeit, eine neue Strategie zu entwickeln und Zeit zu gewinnen. Ohne Not retten sie Kurz damit vielleicht sogar seine Kanzlerschaft.

Nicht auszudenken, wie Werner Kogler und Sigi Maurer auf all das reagieren würden, wenn ihre Partei nicht in der Regierung, sondern in Opposition wäre.

Aus dem ÖVP-Dilemma entkommen

Das besonders spannende daran? Die Grünen begehen nun genau dieselben Fehler, die sie (allen voran die heutigen Parteispitzen Werner Kogler und Sigi Maurer) über Jahre hinweg teilweise zurecht an der SPÖ kritisiert haben. Nämlich aus Angst vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ vieles mitzutragen, das eigentlich den eigenen Ansprüchen widerspricht.

Das Problem daran: Natürlich weiß die ÖVP um ihren Trumpf in der Hand und setzt ihn entsprechend ein. So diktiert sie seit Jahren (selbst unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern) das politische Geschehen. Und solange wir die Mehrheiten in diesem Land nicht drehen, wird das auch so bleiben. Die Grünen sind nun ebenso in diesem Tritt gefangen. Nicht einmal zwei Jahre haben sie gebraucht, um aus einer selbsternannten “Aufdecker-Partei” zu türkisen Marionetten zu werden.

„Wir müssen die ÖVP in Opposition schicken“

Der grüne Umfaller ist einzeln betrachtet ein weiteres Armutszeugnis für die grüne Regierungsbeteiligung und gleicht einer Selbstaufgabe. Dennoch zeigt uns dieses Beispiel deutlich, woran man im politischen Österreich arbeiten muss. Denn es gibt genau einen Weg, um sicherzustellen, dass das Land von den Machenschaften des „Systems Kurz“ befreit wird: Wir müssen die ÖVP in Opposition schicken und für Mehrheiten jenseits von ÖVP und FPÖ sorgen.

Die Leistung von arbeitenden Menschen muss sich wieder lohnen, Medien müssen wieder ohne Druck aus dem Kanzleramt berichten können und die Reichsten der Reichen müssen endlich einen fairen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten. Aber all das wird mit Kurz und seinen Freunden nichts – und es wird erst recht nichts, indem andere Parteien im Sigi-Maurer-Stil den Steigbügelhalter spielen. Der gute Wille allein ist zu wenig.

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Paul Stich

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