Ungarn steht inmitten einer sozialen Krise, die sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens bemerkbar macht – insbesondere in der Gesundheitsversorgung, im Bildungssystem und in der allgemeinen Infrastruktur. Unterfinanzierte Institutionen und Personalmangel verstärken die Missstände, während zentrale Berufsgruppen wie Ärzte und Lehrer zunehmend abwandern.
Gastkommentar von Benjamin Heiling
Benjamin Heiling ist 32 Jahre alt und unterrichtet als Lehrer an einer Berufsschule im Burgenland. Er lebt im nordburgendländischen Illmitz, seine Mutter stammt aus Ungarn. In seiner Heimatsgemeinde ist er als Gemeinderat aktiv und hat deshalb auch gute Kontakte zu Gemeinderäten in Ungarn.
Ungarns Gesundheitssystem befindet sich in einem bedenklichen Zustand. Zahlreiche Krankenhäuser sind überlastet, unterfinanziert und personell unterbesetzt. Ärzte und Pflegekräfte müssen oft unter schwierigen Bedingungen arbeiten, da es an grundlegender Ausstattung, Medikamenten und moderner Technik fehlt. Die mangelnde Finanzierung hat zu einem „Kaputtsparen“ der Krankenhäuser geführt.
Hinzu kommt das Problem mit den Hausärzten: Immer mehr Praxen bleiben unbesetzt, besonders auf dem Land. Niedrige Gehälter und ein hoher Arbeitsaufwand haben viele Mediziner ins Ausland abwandern lassen. Dies führt dazu, dass insbesondere ältere und chronisch kranke Menschen in ländlichen Gebieten oft keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Grundversorgung haben.
Eine weitere alarmierende Entwicklung im Bildungsbereich ist die Tatsache, dass das Bildungssystem mittlerweile dem ungarischen Innenministerium unterstellt wurde. Dies wirft Fragen über die Unabhängigkeit und die Prioritäten im Schulwesen auf. Kritiker befürchten, dass der Staat die Bildung zunehmend politisch beeinflusst und die Schüler nicht mehr zu freiem und kritischem Denken ermutigt werden. Die Lehrer stehen dabei vor großen Herausforderungen: Sie verdienen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr wenig und müssen oft unter schlechten Bedingungen unterrichten. Viele Schulen sind schlecht ausgestattet, und es fehlen Ressourcen für eine zeitgemäße Ausbildung. Der niedrige Verdienst und die harten Arbeitsbedingungen führen dazu, dass immer weniger junge Menschen den Lehrerberuf ergreifen. Langfristig führt das zu einem Personalmangel.
Auch im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel zeigen sich gravierende Mängel. Bahn- und Busverbindungen sind unzuverlässig, insbesondere in ländlichen Gebieten. Oft sind Züge und Busse überfüllt oder in schlechtem Zustand, und Verspätungen sind an der Tagesordnung. Diese mangelhafte Infrastruktur erschwert es vielen Ungarn, insbesondere in ländlichen Regionen, zur Arbeit zu pendeln oder Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen zu erhalten. Die schlechte Verkehrsanbindung führt zu einer Isolation bestimmter Landstriche, was sich negativ auf die Wirtschaft und die Lebensqualität der Bewohner auswirkt.
Die Regierung baut das ungarische Sozialsystem seit Jahren Stück für Stück ab – eine Strategie, die Experten als als „Salami-Taktik“ bezeichnen. Sozialleistungen und Unterstützungsprogramme wurden sukzessive gekürzt, während die Bedürfnisse der Bevölkerung zunehmen. Ein besonders umstrittener Punkt ist die Tatsache, dass das Arbeitslosengeld in Ungarn maximal für drei Monate gezahlt wird. Europaweit eine der kürzesten Fristen. In einem wirtschaftlich angespannten Umfeld, in dem es oft schwer ist, binnen weniger Wochen einen neuen Arbeitsplatz zu finden, stürzt diese Regelung viele Menschen in die Armut.
Trotz der zahlreichen Herausforderungen gibt es auch einige positive Maßnahmen. Pensionisten können in Ungarn die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen, was ihnen Mobilität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Diese Regelung wird von vielen älteren Menschen geschätzt und stellt einen wichtigen sozialen Vorteil dar.
Ungarn steht vor großen sozialen Herausforderungen. Das Gesundheitssystem leidet unter chronischer Unterfinanzierung, das Bildungssystem steht unter staatlicher Kontrolle und die marode Infrastruktur schränkt die Mobilität der Bevölkerung ein. Hinzu kommen der schrittweise Abbau des Sozialsystems und die niedrigen Löhne für zentrale Berufsgruppen wie Lehrer und Ärzte. Die unzureichende Unterstützung für Arbeitslose und die problematische Verkehrsanbindung belasten das Land zusätzlich. Während Maßnahmen wie das kostenlose öffentliche Verkehrsangebot für Pensionisten positive Ansätze zeigen, reichen sie nicht aus, um die umfassenden Probleme des Landes zu lösen. Der soziale Umbruch in Ungarn verlangt nach einer grundlegenden Neuausrichtung, die die Bedürfnisse der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt und langfristige Stabilität für alle schafft.
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