Tempo - von Mati Randow

„Wenn viele Junge Marco Pogo wählen, zeigt das: Wir fordern Alternativen!“ – Kommentar zur Bundespräsidentschafts-Wahl

In wenigen Monaten endet die Amtszeit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Bis auf die FPÖ will keine der fünf Parlamentsparteien den Amtsinhaber herausfordern. Die heimischen Parteien versagen damit auf ganzer Linie.

Foto: Klara Pernsteiner


Tempo – Kolumne von Mati Randow
Mati Randow ist Schulsprecher in Wien und organisiert unter Schüler:innen Widerstand gegen die türkis-grüne Corona-Politik.

Die Präsidentschaftswahl im Herbst wird die erste bundesweite Wahl seit über drei Jahren sein. Damit sind drei Geburtenjahrgänge, rund 230.000 junge Menschen, zum ersten Mal bei einer überregionalen Wahl stimmberechtigt. Schon jetzt fühlen sich laut aktueller SORA-Studie nur sechs (!) Prozent der Jugendlichen von der Politik vertreten. Vier von fünf finden, ihre Interessen werden nicht berücksichtigt und 88 % bewerten Politiker:innen als zu kurzsichtig und populistisch agierend. Es ist also nicht unerheblich, was den vielen jungen Staatsbürger:innen, die in den letzten Jahren volljährig geworden sind, präsentiert wird.

Und das Bild, das sich hier zeichnet, ist desaströs. Den jungen Menschen präsentiert sich der 78-jährige Alexander Van der Bellen, der zwar beliebt ist, unzweifelhaft aber auch für eine alte Politiker:innen-Generation steht und alles andere als ein Signal der Erneuerung ist.

„Was sind eigentlich die Erfolge von Van der Bellen?“

Als Präsident hat er sich für das wichtigste Thema der Zukunft und Gegenwart, den Klimaschutz, eingesetzt. Gleichzeitig ist in seiner Amtszeit das Verhältnis der Jugend zur Politik dramatisch schlechter geworden sowie Österreich in etlichen Rankings zu Demokratie, Pressefreiheit und Co. abgestürzt.

So konnte der Präsident im Interview mit ZIB2-Moderator Martin Thür selbst einfache Fragen zu seinen Erfolgen nicht beantworten, etwa: Wann war Van der Bellen in den letzten Jahren mutig? Wann hat er etwas gegen Anfeindungen der Justiz getan? Was sind eigentlich seine Erfolge? Bis auf Angelobungs-Schmähs und den „So sind wir nicht“-Sager ist bisher wenig Substanzielles geblieben.

Heute reicht das Amtsverständis von Van der Bellen nicht mehr

Vor ein paar Jahrzehnten hätte es vielleicht für eine erfolgreiche Präsidentschaft gereicht, ab und zu aufzutreten, zu kalmieren und hier und dort Akzente zu setzen. Doch heute reicht das nicht mehr. Wenn eine Krise die nächste jagt und sich viele junge Menschen gar nicht mehr entscheiden können, wovor sie am meisten Angst haben sollen, ist ein solches Amtsverständnis unpassend und schlicht aus der Zeit gefallen.

Ähnlich unpassend ist die Zurückhaltung der Oppositionsparteien, niemanden gegen den De-Facto-Regierungskandidaten Van der Bellen aufzustellen. In den letzten Jahren war politisch und gesellschaftlich vieles anders als jemals zuvor. Wenn man sich bei der Frage der Gegenkandidatur nun auf ein konservatives „Das war schon immer so“ bezieht, hat man daraus definitiv die falschen Schlüsse gezogen, die gesellschaftliche Stimmung nicht erkannt.

Wenn viele Junge Marco Pogo wählen, zeigt das: Wir fordern Alternativen

Es ist skurril, dass mit Marco Pogo nun der Vorsitzende einer klassischen Spaßpartei (der „Bierpartei“) der Einzige zu sein scheint, der die richtigen Schlüsse gezogen hat. Seine Schmähs sind mindestens so gut wie die Van der Bellens und auch darüber hinaus hat der Bierpartei-Vorsitzende einiges zu bieten. Er steht für ein Ende des Weiter-So und bekämpft die einsetzende Resignation bei Wähler:innen.

Wenig überraschend gefällt das vielen Bürgerlichen nicht – „Managementconsultant“ Nina Hoppe etwa sieht in der Kandidatur Marco Pogos gar eine Gefährdung der Demokratie. Nicht die Angelobung rechtsextremer Minister:innen durch Van der Bellen oder Alternativlosigkeit bei der Wahl zum höchsten Amt im Staat werden als demokratiegefährdend gesehen, sondern ein Frontman einer Bierband, der sein passives Wahlrecht ausübt – elitärer geht es wohl kaum.

Ich frage mich wann endlich verstanden wird, dass es sich auf diese Weise langfristig nicht ausgehen kann. Wenn sich nur sechs Prozent der Jugendlichen von der Politik vertreten fühlen, heißt das auch, dass ganze 94 % noch nicht angesprochen wurden, noch begeistert werden können. Unsere Generation birgt also ein großes politisches Potential.

Dieses Potential nicht auszuschöpfen, das wird der demokratischen Verantwortung und der Vorbildwirkung uns gegenüber nicht gerecht.

Wenn in Folge viele junge Menschen Marco Pogo wählen, ist das kein Zeichen der Politikverdrossenheit. Im Gegenteil: Es zeigt, dass wir mit den „seriösen“ Optionen nichts anfangen können. Es zeigt, dass wir Alternativen einfordern.

Mati Randow

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