Inwieweit sind die (Ex-)Regierungsmitglieder der ÖVP in mutmaßliche Korruptionsskandale wie die Umfragen-Affäre, Steuernachlässe für Superreiche oder Postenschacher involviert? Das soll der derzeit laufende „ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“ klären. Wie genau läuft so ein U-Ausschuss eigentlich ab und was darf er?
Der ÖVP-Korruptions-Ausschuss ist der 27. Untersuchungsausschuss in der Zweiten Republik. Der U-Ausschuss zählt zu den wichtigsten Instrumenten des Parlaments. Er ermöglicht der Opposition, ihre Kontrollfunktion auszuüben und politische Zusammenhänge zu recherchieren, die die Regierung möglicherweise verschleiern will.
Wie genau funktioniert so ein Untersuchungsausschuss, wie kann er eingesetzt werden und was darf er? Die NeueZeit hat Antworten.
Untersuchungsausschüsse geben dem Parlament die Möglichkeit, die Bundesregierung zu kontrollieren. Wenn es also, wie im ÖVP-Ausschuss, um die mutmaßliche Korruption von türkisen Regierungsmitgliedern geht, kann der Nationalrat mithilfe dieses Gremiums nach Fakten suchen, die auf Korruption hinweisen.
Der U-Ausschuss hat jedoch weder die Möglichkeit, Mitglieder der Bundesregierung politisch zur Rechenschaft zu ziehen (sie etwa ihres Amtes zu entheben), noch sie zu verurteilen. Das bleibt selbstverständlich den Gerichten überlassen. Deswegen gibt es auch keine Zeuginnen und Zeugen oder Angeklagten: Man spricht im U-Ausschuss von „Auskunftspersonen“, die vorgeladen und befragt werden können.
Der U-Ausschuss ist für die Oppositionsparteien auch deswegen so wichtig, weil es nur ein Viertel der Abgeordneten braucht, um ihn einzuberufen. Das Untersuchungs-Thema muss eine bestimmte Zeitspanne in der Vergangenheit umfassen und sich auf die Aktivitäten von Regierungsmitgliedern beziehen. Dieses Thema kann im Nachhinein weder vergrößert noch eingegrenzt werden.
Die Dauer eines Ausschusses beträgt 14 Monate, er kann aber auch verlängert werden.
Vorsitzender des Ausschusses ist der Nationalratspräsident, dieser kann sich jedoch auch durch den zweiten bzw. dritten Präsidenten vertreten lassen. Zudem steht dem Vorsitzenden Unterstützung durch einen Verfahrensrichter zur Verfügung – also professionelle juristische Hilfe.
Die zwei zentralen Instrumente eines U-Ausschusses sind erstens das Befragen von Auskunftspersonen und zweitens das Anfordern von Akten zum Untersuchungsgegenstand.
Ein Untersuchungsausschuss darf Unterlagen von allen Organen des Bundes, der Länder und der Gemeinden anfordern, diese müssen der Forderung nachkommen. Der Ausschuss selbst hat jedoch nicht das Recht, Beschlagnahmungen oder Hausdurchsuchungen anzuordnen. Wenn Akten nicht ausgeliefert werden, kann die Justiz eine sogenannte „Exekution“ verlangen.
Von diesem Recht machte sie zuletzt bei Gernot Blümel Gebrauch. Der Ex-Finanzminister brauchte ganze zwei Monate, um die angeforderten Dokumente an den damaligen Ibiza-Untersuchungsausschuss weiterzugeben. Erst nachdem der Verfassungsgerichtshof eine Zwangsexekution durch den Bundespräsidenten anordnete, lieferte Blümel die Akten.
Das wohl wichtigste Instrument von U-Ausschüssen ist das Einladen und Befragen von sogenannten Auskunftspersonen, von denen sich die Abgeordneten im Ausschuss wichtige Infos zum Untersuchungsgegenstand erhoffen. Die Auskunftspersonen müssen erscheinen, bei Fernbleiben können sie auch vorgeführt werden – oder das Bundesverwaltungsgericht verhängt eine Geldstrafe.
Auskunftspersonen dürfen zur Unterstützung von einer Vertrauensperson begleitet werden. Die hat jedoch kein Rederecht, im Unterschied zu einem Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren.
Für die geladenen Personen besteht Wahrheitspflicht. Für Personen des Öffentlichen Dienstes ist es auch nicht erlaubt, sich auf die Geheimhaltungs-Pflicht zu berufen. Bei einer Falschaussage vor dem U-Ausschuss drohen bis zu drei Jahre Haft.
Das Delikt der Falschaussage wirft die Staatsanwaltschaft aktuell unter anderem Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinem Kabinettschef vor – sie sollen das Kontroll-Gremium belogen haben. Es gilt die Unschuldsvermutung, die Ermittlungen laufen.
Nachdem der U-Ausschuss alle Auskunftspersonen angehört und die „Beweisaufnahme“ abgeschlossen hat, wird ein Bericht erstellt. Im Anschluss werden die Ergebnisse des Ausschusses im Nationalrat diskutiert.
Zu den bekanntesten U-Ausschüssen der jüngeren Geschichte zählen neben dem Ibiza-Ausschuss die Untersuchungen zur Eurofighter-Affäre oder zum BVT-Skandal. Ohne die Hilfe der U-Ausschüsse wären viele Tatsachen wohl bis heute im Dunkeln geblieben.
Ein Untersuchungsausschuss leistet wesentliche Aufklärungsarbeit in politischen Affären. Er hat klare und faire rechtliche Spielräume, an die sich alle Abgeordneten, aber auch die Auskunftspersonen halten müssen.
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