Steiermark

Neue Enthüllungen im Fall Wiki: Der ÖVP-nahe Verein vervierfachte die Bastelbeiträge für Kinder

Anstatt Geld wie vorgesehen für Kinderbetreuung zu verwenden, baute Wiki um 1,5 Millionen Euro eine Tanzhalle. Jetzt kommt der Verdacht auf, dass der eigentlich gemeinnützige ÖVP-nahe Verein bewusst Gewinn machen wollte. Eine Vervierfachung des Bastelbeitrages für Kinder deutet darauf hin. Als Reaktion friert der Grazer Stadtsenat jetzt, gegen die Stimmen der ÖVP, alle Förderungen für Wiki ein.

Chronik des Skandals um Wiki

Kinderbetreuung wird in der Steiermark oftmals von privaten Trägern angeboten. Der größte Player ist seit vielen Jahre Wiki. Dieser ÖVP-nahe Verein beschäftigt 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Insgesamt betreuen sie 8.000 Kinder in der gesamten Steiermark. Den Jahresumsatz von 50 Millionen Euro erwirtschaftet der Verein dabei fast ausschließlich in ÖVP-regierten Gemeinden. Politische Vernetzung war der Schlüssel des Aufstiegs von Wiki. Obmann Bernhard Ederer war von 2005 bis 2019 ÖVP-Landtagsabgeordneter und ist aktuell Bürgermeister der Gemeinde Naas. Im Wirtschaftsbeirat sitzt unter anderem die ehemalige schwarze Justizministerin Beatrix Karl. Das alles wäre noch nicht zum Politikum geworden, hätte Wiki nicht Kinderbetreuungsgelder zweckentfremdet, um für 1,5 Millionen Euro eine Tanzhalle zu bauen. Laut Gesetz sind aber alle Überschüsse wieder in Kinderbetreuung zu investieren. Die Tanzhalle wurde dann zu allem Überfluss noch an einen Verein vermietet, als dessen Vizepräsident Ederer fungierte.

Ein Rechtsgutachten stellte schließlich fest, dass Wiki seiner gleichnamigen Kinderbetreuungs GmbH 5 Millionen Euro schuldete. Wie dieses für die steirischen Kinder vorgesehene Geld verwendet wurde, ist noch nicht restlos geklärt. Fakt ist, dass es nach Auffliegen der Unregelmäßigkeiten zur Auflösung der Kinderbetreuungs GmbH kam. Sie gemeinsam mit den Verbindlichkeiten im Trägerverein auf. Den Skandal konnten die Verantwortlichen damit aber nicht mehr abwehren. Seit zwei Wochen ermittelte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Wiki.

Vervierfachung des Bastelbeitrages für Kinder deutet auf Gewinnabsicht von Wiki hin

Neu aufgetauchte Unterlagen sorgen jetzt für eine Ausweitung des Skandals. Alleine seit 2016 hat Wiki den monatlichen Bastelbeitrag von 5 auf 20 Euro erhöht. Alleine in Graz betraf die Preisexplosion 2.000 Eltern. Wiki bescherte dieser Schritt Neueinnahmen von 360.000 Euro pro Jahr. Umgerechnet ist das fast eine viertelte Tanzhalle. Laut Unterlagen haben Vorstände und Aufsichtsrat von Wiki die Erhöhung mit Gewinnabsicht kalkuliert. Das widerspricht eindeutig dem gemeinnützigen Vereinszweck. Laut Obmann Ederer wurden die Bastel- und Projektbeiträge nicht für externe Zwecke verwendet. Der Bau einer Tanzsporthalle fällt für ihn übrigens weiterhin nicht in den Bereich der Zweckentfremdung. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Qualitätssteigerung die Vervierfachung der Bastel- und Projektbeiträge eigentlich für die Kinderbetreuung bewirkt haben soll.

Graz friert gegen Stimmen der ÖVP Förderungen für Wiki ein

Die Erhöhung des Bastelbeitrages mit mutmaßlicher Gewinnabsicht blieb nicht der einzige Aufreger in der letzten Woche. Jetzt prüft der Landesrechnungshof, ob 6,5 Millionen Euro, die in den letzten Jahren an Wiki gingen, korrekt verwendet wurden. Mit weitaus mehr Geld, 10 Millionen Euro pro Jahr, unterstützt die Stadt Graz den ÖVP-nahen Verein. Der Grazer SPÖ-Chef Michael Ehmann, der auch als Vorsitzender des Gemeinderats-Kontrollausschusses fungiert, forderte daher den Stadtrechnungshof auf, Wiki zu prüfen. Das geschieht seit letzter Woche. Diese Prüfung hat jetzt erste Konsequenzen. Der Grazer Stadtrat lehnte die neuesten Förderanträge von Wiki mehrheitlich ab. Es handelte sich nicht um große Summen. Dennoch ist die Symbolwirkung nicht zu unterschätzen. Im Stadtsenat stimmte übrigens nur die ÖVP für die Bewilligung der Förderungen. Damit halten die Türkisen als einzige Partei Wiki die Treue. Bei den zahlreichen personellen Überschneidungen ist das nicht verwunderlich.

Für die anderen Grazer Parteien ist jedoch klar, dass es bis auf Weiteres keine städtischen Subventionen für Wiki gibt. „Erst müssen alle Fragen rund um einen möglichen Fördermissbrauch aufgeklärt werden“, so das einhellige Statement. Zieht man in Betracht, was in der kurzen Untersuchungsphase alles ans Licht kam, ist in den nächsten Wochen mit weiteren Enthüllungen zu rechnen. Es ist zu hoffen, dass der Skandal um Wiki restlos aufgeklärt wird. Fördergelder für die steirischen Kinder muss ihnen auch vollständig zugutekommen.

Martin Amschl

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