Jetzt wird auch gegen ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ermittelt. Er soll in seiner Zeit als Innenminister bei einer Postenbesetzung in der Wiener Polizei eine qualifizierte Bewerberin übergangen haben, weil sie politisch auf der anderen Seite stand. Es gilt die Unschuldsvermutung. Trotz Korruptions-Ermittlungen gegen ihn selbst will Sobotka weiter Vorsitzender des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses bleiben.
So weit ist es in der österreichischen Politik gekommen: Ein ÖVP-Politiker, gegen den wegen Korruption ermittelt wird, ist gleichzeitig Vorsitzender des Untersuchungs-Ausschusses, der mutmaßliche ÖVP-Korruption aufklären soll.
Wolfgang Sobotka ist als Präsident des Nationalrates nach dem Bundespräsidenten formal der zweit-ranghöchste Politiker des Landes. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch. Es geht um mutmaßlichen Postenschacher in der Wiener Polizei. Trotzdem denkt der ÖVP-Mann nicht einmal daran, seinen Vorsitz im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss zurückzulegen.
Obwohl die Rücktrittsaufforderungen der anderen Parteien durchaus heftig ausfallen. Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, richtet Sobotka aus: „Sie sind eine Schande für den Parlamentarismus.“ FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker spottet: „Mittlerweile lachen ja schon die Italiener“. Und selbst der eigene Koalitionspartner, die Grünen, legen Sobotka den Rücktritt als U-Ausschuss-Vorsitzender nahe.
Nur die ÖVP hält ihrem niederösterreichischen Parteiurgestein Wolfgang Sobotka weiter die Stange. Die Volkspartei kann keinen Anfangsverdacht gegen Sobotka erkennen.
Als Nationalratspräsident steht Wolfgang Sobotka per Gesetz die Vorsitzführung von U-Ausschüssen zu. Allerdings könnte Sobotka auch darauf verzichten. Das tat er schon einmal: Beim sogenannten BVT-Ausschuss im Jahr 2018 erklärte er sich als „befangen“ und legte den Vorsitz freiwillig zurück.
Um diesen Vorwurf der Staatsanwaltschaft geht es in den aktuellen Ermittlungen: Wolfgang Sobotka soll 2017 als ÖVP-Innenminister Einfluss auf eine Postenbesetzung in der Wiener Polizei genommen haben. Gesucht wurde damals ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin des Polizeipräsidenten. Mit Andrea Jelinek gab es rasch eine qualifizierte Bewerberin. Ihr vermeintliches Manko: Sie galt eher als SPÖ-nahe. Also machten sich Innenminister Sobotka und sein Bürochef Michael Kloibmüller laut Chats wochenlang auf die Suche nach Gegenkandidaten.
Kloibmüller textete an Sobotka unter anderem: „Wie ich gesehen habe wir bringen unseren mann durch dachte ich den sozen zu zeigen wo der Hammer hängt.“
Die aussichtsreiche Bewerberin Jelinek bekam den Top-Job schlussendlich nicht. Die Korruptions-Ermittler vermuten Amtsmissbrauch von Wolfgang Sobotka. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Sobotka selbst bestreitet die Vorwürfe. Er sei als Minister bei Personalentscheidungen immer den Vorschlägen der Postenbesetzungskommissionen gefolgt.
Die Chats, die zu den Ermittlungen führten, stammen aus dem Handy des ehemaligen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller und sind als „BMI-Chats“ bekannt. Sie könnten vor allem der ÖVP Niederösterreich noch weitere Probleme bereiten, denn das Innenministerium war lange in niederösterreichischer Hand. Von Sobotka bis Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner – sie war von 2011 bis 2016 Innenministerin – tauchen in den Chats mehrere Granden der ÖVP NÖ auf.
Zumindest Wolfgang Sobotka droht, angestoßen durch die Ermittlungen gegen ihn, schon jetzt in zwei weiteren Fällen Ungemach mit der Justiz. Im ersten Fall geht es um eine Postenbesetzung in einer niederösterreichischen Polizeiinspektion, im zweiten um eine Versetzung.
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