Bis zu 1,05 Millionen Menschen haben das ORF-Sommergespräch mit ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz live im Fernsehen verfolgt. Was ihnen der Kanzler zu sagen hatte, stand aber schon vor Beginn des großen TV-Auftritts in ausgewählten Zeitungen. Denn der Pressesprecher von Kurz schickte erlesenen Medien bereits vorab die Antworten, die der Kanzler auf noch gar nicht gestellte Fragen erst Stunden später im Live-Interview gab: Kurz präsentierte einen Corona-Plan, der erst zwei Tage später mit dem Koalitionspartner und den Bundesländern verhandelt wird.
Die traditionellen ORF-Sommergespräche sind wichtige Medientermine für die Chefs und Chefinnen aller Parteien: Die Einschaltquoten sind hoch, die Sendedauer mit einer ganzen Stunde sehr lange. Zum Abschluss der sommerlichen Interviewreihe war Montagabend ÖVP-Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz dran.
Was er auf Fragen, die er eigentlich noch gar nicht kannte, im Live-Interview antworten werde, wusste der Kanzler offenbar schon vorher. Am späten Nachmittag, Stunden vor dem ORF-Sommergespräch, schickte der Sprecher des Kanzlers ein Mail an ausgewählte Zeitungen. Titel des Mails: „Kurz stellt im ORF-Sommergespräch Corona Plan für Herbst vor und plant Steuerentlastungen als Antwort auf steigende Inflation“.
Das Mail des Kanzler-Sprechers liest sich stellenweise wie ein Zeitungsbericht über ein Live-Interview, das noch gar nicht stattgefunden hat. Das Ziel ist klar: Die Medien sollen genau über das berichten, was das Presseteam von Sebastian Kurz ausschickt, nicht über kritische Fragen von ORF-Journalistin Lou Lorenz-Dittelbacher, die das Live-Gespräch später führte.
Die mehr als ungewöhnliche Vorgehensweise sorgt für viel Kritik. „Kurz sitzt nur Zeit ab und blalbat vor sich hin. Wichtig war die Mail an die Redaktionen davor. Mit der hat man sich quasi selbst das Sommergespräch abgeschossen. Interviewer_innen stören nur“, schreibt etwa die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl auf Twitter.
Die Strategie des türkisen PR-Teams ging auf: Am frühen Abend waren die meisten Online-Ausgaben der österreichischen Tageszeitungen voll mit dem „5-Punkte-Plan“ des Kanzlers für den kommenden Corona-Herbst. Manche Medien verkauften das Mail des Kurz-Sprechers sogar als exklusive „Recherche“.
Der PR-Trick des Kanzlers ist auch aus einem anderen Grund bemerkenswert. Erst am Mittwoch findet ein schon länger geplantes Treffen zwischen Bundesregierung und Landeshauptleuten statt. Dort sollten Entscheidungen zu Corona-Maßnahmen im Herbst fallen. Zuletzt hielt sich auch der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein zurück und meinte, man wolle gemeinsam mit dem Koalitionspartner ÖVP und den Länderchefs beraten.
Im Mail des Pressesprechers von Kurz klingt das ganz anders: „Die strategischen Weichenstellungen sind entschieden: Bundeskanzler Sebastian Kurz legt 5-Punkte-Plan im Umgang mit der Pandemie im Herbst und Winter vor“.
Der Kanzler fährt (wieder einmal) über den grünen Koalitionspartner und die Landeshauptleute drüber. Zwar sind für Corona-Maßnahmen demokratische Beschlüsse im Parlament und die Umsetzung in den Bundesländern notwendig, das kümmert Kurz aber offenbar wenig. Im ORF-Sommergespräch verkündete er sogar: Für Geimpfte sei die Pandemie „überstanden“.
Die Realität sieht anders aus. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) etwa berichtet von Hilferufen auf Intensivstationen – die Betten werden langsam wieder knapp. Deshalb sei die Pandemie auch für Geimpfte noch nicht vorbei, denn Menschen müssen im Krankheitsfall unabhängig von Corona ins Spital, wo die Kapizitäten bekanntlich begrenzt sind.
Für die PR-Ansage von Kurz hat Ludwig nichts übrig. Wiens Bürgermeister fordert stattdessen eine Maskenpflicht in allen Geschäften und die Verkürzung der Gültigkeitsdauer von Tests, die für Ludwig gratis bleiben müssen.
Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ist verärgert: „Und täglich grüßt das türkise Murmeltier: Dass der Bundeskanzler immer dann, wenn es kritisch wird, die Landeshauptleute zu Hilfe holt, dann aber vor dem Gespräch Maßnahmen medial bereits im Alleingang ankündigt, passiert nicht zum ersten Mal.“
Der Kanzler kündigt in seinem „5-Punkte-Plan“ außerdem an, künftig die Bettenbelegung an den Intensivstationen als Leitindikator für Maßnahmen heranzuziehen, statt wie bisher die 7-Tages-Indizenz. Der Inzidenzwert sei wegen der Impfungen nicht mehr so aussagekräftig wie noch vor einem Jahr.
Und Kurz legt sich fest: Es soll keinen generellen Lockdown mehr geben. Nach den berühmten Sagern des „Lichts am Ende des Tunnels“ und den bereits überstandenen „gesundheitlichen Folgen der Krise“ erklärt der Kanzler die Pandemie zumindest für Geimpfte wieder einmal für beendet.
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