Haben jemals in der Geschichte so viele Menschen auf der ganzen Welt gleichzeitig so ähnliche Erfahrungen gemacht wie im Frühjahr 2020?
Angst vor einem unsichtbaren Feind; Sorge um die eigene Gesundheit, um Angehörige und Freunde; Wochenlange Isolation und Beschränkungen der sozialen Kontakte; zuvor (zumindest in weiten Teilen der Welt) unvorstellbare staatliche Eingriffe in das Privatleben als Normalzustand. Jetzt, Mitte Juni, am Ende des Tunnels der Isolation, sind wir mit einer ungewissen wirtschaftlichen Zukunft konfrontiert. Was wir gerade erlebt haben und immer noch erleben, ist auch abseits vom medialen Wahnsinn und der täglichen Inszenierungen der Politik ein Jahrhundertereignis. Dabei ist die Corona-Krise nicht die erste globale Krise dieses Jahrtausends und auch nicht die einzige gefährliche Krise, die derzeit akut ist. Und eines haben alle Krisen gemeinsam: Sie sind unvorstellbar teuer.
Ungerechte Krisenrettung 2008
Die Weltwirtschaftskrise 2008 wurde durch eine milliardenschwere Schuldenübernahme der Nationalstaaten (und damit der Steuerzahler) bewältigt. Zwölf Jahre später ist die Bilanz ernüchternd: Banken im Privatbesitz wurden mit Steuergeld gerettet, die Verantwortlichen nirgends auf der Welt an den Kosten beteiligt. Die Krise hatte eine Beschleunigung der Ungleichheit zur Folge. Die Mittelschicht befand sich aber schon vor der Finanzkrise in einem schleichenden Abstieg. Die Überschuldung der amerikanischen Mittelschicht hatte erst zum Platzen der Immobilienblase und damit in die Krise geführt. Diese hat die Entwicklung nur noch einmal vorangetrieben.
Wer zahlt die Corona-Zeche
Insgesamt war der staatliche Eingriff 2008 alternativlos. Auch die Folgen der Corona-Krise können nur durch massive Investitionen der öffentlichen Hand bewältigt werden. Unabhängig davon, ob das Krisenmanagement jetzt funktioniert, weil etwa genug Mittel für betroffene Wirtschaftszweige bereit gestellt und vor allem ausreichend sozialpolitische Maßnahmen ergriffen werden (wonach es derzeit eher nicht aussieht), stellt sich die Frage nach der langfristigen Finanzierung. Gibt es, wie etwa von der Kanzlerpartei gefordert, keine neuen Steuern, tragen Arbeitnehmer und Konsumenten die Last der Krisenmaßnahmen zu über 80 Prozent (!) mit ihren Steuern. Zudem wird nach dem Eindämmen der Krisenfolgen durch das Aufnehmen neuer Schulden erneut ein Sparkurs notwendig sein, der sowohl Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem treffen und zu einem Ausverkauf der öffentlichen Infrastruktur führen könnte. Schon jetzt wurde z.B. vorgeschlagen, die Anzahl der Spitalsbetten zu reduzieren. Auch das Anheben von Massensteuern wie der Mehrwertsteuer stand bereits im Raum.
Mehr Ungleichheit, weniger Lebensqualität
Eine wahrscheinliche Folge der Corona-Krise wäre damit eine weitere Beschleunigung der Ungleichheit. Und das hätte Auswirkungen auf uns alle, die den meisten nicht bewusst sind: Zahlreiche Studien belegen, dass höhere Ungleichheit etwa zu einer Verringerung der Lebenserwartung führt, die Zahl der Gewaltverbrechen und die Kindersterblichkeit dagegen steigen. Steigende Ungleichheit bedeutet mehr Stress für jeden einzelnen, eine stärkere Ellbogenmentalität und einen nachhaltigen Verlust von sozialem Frieden und damit von Lebensqualität. Dazu kommt, dass die steigende Ungleichheit die wirtschaftliche Erholung nach der Krise bremst und weitere Wirtschaftskrisen wahrscheinlicher macht. Zu guter Letzt bedeutet mehr Ungleichheit, dass die Demokratie nicht richtig funktionieren kann, weil finanzielle Einzelinteressen immer größeren Einfluss auf die Politik bekommen – zu Lasten der Interessen der Allgemeinheit. Dabei könnten Krisen auch anderes bewältigt werden: Mit der Besteuerung der größten Vermögen des Landes.
Wer von der Krise profitiert, soll zahlen
Das vermögendste Prozent der Österreicher hatte bereits im Jahr 2016 etwa 41 Prozent des Gesamtvermögens und war damit reicher als jemals zuvor in der Nachkriegsgeschichte. Dabei handelt es sich noch um gemäßigte Schätzungen ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Vermögen von Multimilliardären. Weil die großen Vermögen außerdem schneller wachsen als die Wirtschaft, steigt die Ungleichheit automatisch und von Jahr zu Jahr schneller. Und wie sich nach der Finanzkrise gezeigt hat, gehören die Reichsten zu den größten Krisenprofiteuren.
Die Reichsten könnten also problemlos einen entscheidenden Beitrag zur Krisenfinanzierung leisten und zu einer umfassenden Entlastung der arbeitenden Bevölkerung beitragen. Weil die Vermögen heute so stark bei so wenigen konzentriert sind, machen Vermögenssteuern auch dann noch Sinn, wenn sie verhältnismäßig wenige Menschen treffen. Ohne neue Steuern bedeutet die Corona-Krise, dass ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung ihren Lebensstil zukünftig spürbar anpassen müssen wird. Für die Reichsten würde dies bei angemessener Beteiligung an den Kosten der Krise dagegen nicht gelten. Deswegen sind Vermögenssteuern auch die Steuern mit dem geringsten negativen Einfluss auf die Wirtschaft. Für Vermögende bedeuten höhere Steuern nicht, dass sie weniger konsumieren oder weniger Urlaube machen können, dass sie mehr (oder überhaupt) arbeiten oder auf den Kauf einer weiteren Eigentumswohnung in der Innenstadt verzichten müssten. Und auch hohe Steuersätze, etwa bei einer Erbschaftssteuer, wären durch das schnelle Wachstum großer Vermögen bald wieder kompensiert.
Ohne Vermögensbesteuerung wird es eine lange Krise
Wahrscheinlich werden wir in einigen Jahren fast ungläubig auf dieses seltsame Frühjahr 2020 zurückschauen. Das unvorstellbare wird wieder unvorstellbar sein, das Tragen von Masken nur an ein paar Tagen im Jahr sozial akzeptiert. Leider erwartet uns auch nach der Corona-Krise keine heile Welt. Werden die Folgen des Coronavirus ohne angemessenen Beitrag der Vermögendsten bekämpft, wird der Weg aus der wirtschaftlichen Krise ein langer, wobei weitere krisenhafte Entwicklungen zu befürchten sind. Und dann ist da noch die andere große Krise unserer Zeit: Die Klimakrise ist auch was ihre Kosten betrifft die mit Abstand größte Herausforderung für unsere Zivilisation.
Gesellschaft am Scheideweg
Bewegen wir uns in eine Zeit zurück, in der nur Arm und Reich existierten und Wirtschaftskrisen wie Kriege an der Tagesordnung waren, oder stehen uns goldene Jahrzehnte des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und Umbaus bevor? Wie gerecht die Kosten der Krisen auf alle verteilt werden, wird entscheidenden Einfluss auf diese Frage haben.
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