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Wie uns Energie-Genossenschaften vor der Klimakrise retten könnten

Das Regierungsprogramm 2020 – 2024 hat die Zielsetzung, Österreich bis 2030 auf 100% Ökostrom bzw. Strom aus erneuerbaren Energieträgern umzustellen. Die zentrale Innovation dafür sind die sogenannten Energiegemeinschaften und die revolutionäre Integration von Bürgern, Körperschaften und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in den Energiemarkt zur Förderung einer dezentralen Grundversorgung und Teilhabe an der Energiewende. Alles zur Energie-Genossenschaft in Österreich.

Weiterlesen: Was ist eine Genossenschaft?


Salon Cooperativ – Genossenschaften erklärt
Die Kolumne von Autor & Genossenschafts-Experte Christian Pomper

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wurde die Rechtsgrundlage für sogenannte Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) geschaffen. Mit einer EEG wird es möglich, die innerhalb der Gemeinschaft erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen gemeinsam zu nutzen. Die Teilnahme ist freiwillig und offen und das Recht auf freie Lieferantenwahl bleibt unberührt, das heißt der jeweilige Stromanbieter kann beibehalten oder auch gewechselt werden.

Was ist eine Erneuerbare Energiegemeinschaft und wie ist sie aufgebaut?

Eine EEG enthält folgende wesentliche Elemente:

  • eigene Rechtspersönlichkeit;
  • Zweck ist die gemeinsame Nutzung der erzeugten Energie;
  • die Mitglieder müssen in einem bestimmten Nahebereich angesiedelt sein.

Das rechtliche Grundgerüst

Als Rechtsperson steht Gründerinnen einer EEG eine Vielzahl an Rechtsformen zur Verfügung, deren Geeignetheit für das konkrete Gründungsvorhaben abzuwägen ist. Jedoch sprechen die persönliche Haftung bei Personengesellschaften, die Notariatsaktpflicht bei GmbH-Gesellschafterwechsel sowie hohe Gründungskosten und großer organisatorischer Aufwand bei der Aktiengesellschaft eher gegen diese Rechtsformen und lassen diese nur in Einzelfällen als geeignet erscheinen.

Im Vergleich zwischen Genossenschaft und Verein sprechen vor allem die klaren Corporate Governance Vorschriften und ein strukturierter Aufbau der Organe für Genossenschaften, während Vereinen ein eindeutiger gesetzlicher Corporate Governance Rahmen fehlt, was zu einem erhöhten Haftungspotential der Vereinsorgane (zB der Rechnungsprüfer) führen kann. Vereine können jedoch mit geringeren Gründungs- und laufenden Kosten Punkten, was sie für eine Umsetzung im Lokalbereich attraktiv macht.

Eine Energiegemeinschaft bzw. Energie-Genossenschaft in Österreich könnten die dezentrale Grundversorgung mit Energie sowie die Energiewende fördern.
Eine Energiegemeinschaft bzw. Energie-Genossenschaft in Österreich könnten die dezentrale Grundversorgung mit Energie sowie die Energiewende fördern.

Ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile

Der Hauptzweck einer EEG liegt nicht im finanziellen Gewinn, sondern vorrangig in der Erbringung ökologischer, wirtschaftlicher oder sozialgemeinschaftlicher Vorteile für die Mitglieder oder in den Tätigkeitsgebieten. Die Gewinnerzielungsabsicht darf daher nicht das vorrangige Ziel sein, die Erzielung von Gewinnen ist jedoch zulässig, solange die Gewinne nicht ihrer selbst willen erfolgen, sondern den Mitgliedern weitergegeben werden.

Energie-Genossenschaft in Österreich: Die Mitglieder im Mittelpunkt

Als Mitglieder einer EEG kommen natürliche Personen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Gemeinden, Rechtsträger von Behörden und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts in Frage. Explizit ausgeschlossen sind Elektrizitäts- und Erdgasunternehmen.

Daneben müssen teilnehmende Mitglieder wie auch die Erzeugungsanlagen zueinander eine räumliche Nähe aufweisen. Als technisches Kriterium muss deshalb eine Stromnetz-Verbindung im Lokal- oder Regionalbereich bestehen. Im Lokalbereich bedeutet das eine Verbindung auf Trafo-Ebene (Niedrigspannungsnetz), im Regionalbereich auf Umspannwerk-Ebene (Mittelspannungsnetz). Die ausschließliche Nutzung des lokalen bzw. regionalen Stromnetzes führt dazu, dass teilnehmende Mitglieder Netzentgeltreduktionen lukrieren und so den persönlichen Strompreis zu ihren Gunsten beeinflussen können.

Im Kleid der Genossenschaft

Unter Würdigung des zuvor Dargelegten führt die rechtliche und operative Umsetzung einer EEG unweigerlich zur Genossenschaft. Daher verwundert es nicht, wenn die Regierung in ihren Ambitionen einer verstärkten dezentralen Energieversorgung und der Stärkung von regionalen Versorgungskonzepten den Fokus ausdrücklich auch auf genossenschaftliche Systeme legt. Generell scheint der Gesetzgeber in wesentlichen Ausgestaltungsmerkmalen einer EEG die Genossenschaft im Blick gehabt zu haben. So hat die Genossenschaft aus ihrem Selbstverständnis heraus bereits alles, was man für eine EEG braucht. Es liegt ihr quasi in den Genen. Als natürliches Tätigkeitsgebiet ergeben sich die jeweiligen Netzebenen, wiewohl die genossenschaftliche Umsetzung einer EEG überwiegend im Regionalbereich vorteilhaft erscheint.

Genossenschaftlich lässt sich eine EEG als Verbrauchergenossenschaft sowie als Verkaufs-(Absatz-)Genossenschaft einordnen. Der Förderzweck einer Energiegenossenschaft kann damit sowohl in der Förderung der Wirtschaft als auch der Förderung des Erwerbs ihrer Mitglieder liegen. Als Verbrauchergenossenschaft fördert die genossenschaftliche EEG die Wirtschaft der Mitglieder, somit die Haushalte, durch die gemeinschaftliche Beschaffung von Strom im Größeren und dessen Absatz im Kleinen an die Letztverbraucher. Als Absatzgenossenschaft fördert die genossenschaftliche EEG den Erwerb ihrer Mitglieder durch Vertrieb des erzeugten Stroms direkt an die Verbraucher. So ist die genossenschaftliche EEG eine Art der PROSUMER-Genossenschaft, wo die Mitglieder sowohl produzieren als auch konsumieren können. Eine reine Absatzgenossenschaft könnte den produzierten Strom auch an eine EEG verkaufen. Die Flexibilität der Genossenschaft gewährleistet hier zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Ebenso können mehrere erneuerbare Energiequellen bspw Fernwärme (Biomasse) und Strom innerhalb einer Genossenschaft kombiniert werden.

Das Modell der Erneuerbaren Energiegenossenschaft stellt eine optimale Lösung für die aktive, selbstverantwortliche Einbindung des Einzelnen zur Bewältigung der Klimakrise und Einläuten einer Energiewende dar. So findet sich auch hier sich das genossenschaftliche Identitätsprinzip in der Doppelstellung der Genossenschaftsmitglieder als Miteigentümer und Leistungsempfänger wieder, da Träger und Nutzer im Prinzip die gleichen Personen sind.

Die Genossenschaft ist durch ihre Flexibilität aber auch ihrem Selbstverständnis die Rechtsform der Energiewende, die einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung des energiegemeinschaftlichen Potenzials leisten kann.

Mehr Infos:

Praxishandbuch Genossenschaft, Pomper (Hrsg), Linde Verlag 2022

Österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften

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