360 Beschäftigte haben im Herbst 2020 ihren Job beim steirischen Elektromotoren-Hersteller ATB verloren. Der Mutter-Konzern verlagerte die Produktion von Spielberg ins billigere Ausland und kündigte die steirischen Mitarbeiter. Das könnte sich nun als wirtschaftliches Eigentor erweisen: Durch die ausgelagerte Produktion können Lieferzeiten nicht eingehalten werden. Jetzt muss der Konzern Strafen in Millionenhöhe zahlen, wie die Neue Zeit aus Unternehmenskreisen erfährt. Das Konzern-Management schiebt die Lieferprobleme auf die Corona-Pandemie und spricht trotzdem von einer „insgesamt erfolgreichen“ Verlagerung.
Eigentlich schien die Geschichte der ATB in der Steiermark abgeschlossen zu sein. 360 steirische Beschäftigte verloren beim Elektromotoren-Hersteller im Herbst 2020 ihren Job, weil die chinesischen Eigentümer die Produktion ins billigere Ausland verlagerten. Der Mutter-Konzern nutzte dafür eine Lücke im österreichischen Insolvenzrecht aus, die Belegschaft konnte die Schließung des Werks in Spielberg trotz vollem Einsatz und Protesten nicht verhindern. Jetzt wird die ATB-Geschichte aber doch noch um ein absurdes Kapitel reicher: Die Verlagerung der Produktion ins billigere Ausland könnte ein wirtschaftliches Eigentor für den Konzern sein.
Wie die Neue Zeit aus Unternehmenskreisen erfährt, leidet die Qualität der ATB-Motoren unter der billigeren Produktion, die jetzt in Polen statt der Steiermark stattfindet. Die Kunden sollen mit der Qualität unzufrieden sein und vor allem die Produktionszeiten hätten sich vervielfacht. Weil vereinbarte Lieferzeiten nicht eingehalten werden können, muss der ATB-Mutterkonzern jetzt Strafen in Millionenhöhe zahlen. Das Konzern-Management dementiert Qualitätseinbußen, gesteht aber Lieferverzögerungen ein – der Grund dafür sei jedoch die Corona-Pandemie.
Der Reihe nach.
Die Geschichte der ATB in Spielberg zeigt: Privatisierungen enden oft als Pleiten
Seit 1974 wurden in der Steiermark Elektromoren hergestellt. Das Werk in Spielberg produzierte zuerst für den deutschen Bauknecht-Konzern. Das Geschäft lief gut, immer mehr Arbeitsplätze bescherten der gesamten Region spürbaren Aufschwung. Nach der Pleite von Bauknecht verstaatlichte die Regierung unter dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky das Werk, um die Arbeitsplätze zu erhalten.
Die Probleme begannen mit der erneuten Privatisierung. Der Privatisierungswahn der schwarz-blauen Schüssel-Regierung machte auch vor der ATB keinen Halt: 2001 übernahm zunächst die A-Tec Gruppe das Werk, später die chinesische Wolong-Investorengruppe. Langjährige ATB-Mitarbeiter vermuteten bereits damals, welche Absicht hinter dem chinesischen Einstieg in Spielberg steckte: Know-How der Motoren-Produktion gewinnen, um dann ins billigere Ausland abzuwandern.
Kurz verweigert Gespräch mit ATB-Belegschaft, Türkis-Grün stimmt gegen Reperatur des Insolvenzrechts
Im Sommer 2020 schickte die Investoren-Gruppe das ATB-Werk in der Steiermark dann tatsächlich in Insolvenz. Die lange Geschichte der ATB wird noch einmal skurriler. Denn der Mutter-Konzern nutzt eine Lücke im österreichischen Insolvenzrecht, um die Maschinen günstig nach Polen und Serbien verlagern zu können.
Das Unternehmen beantrage ein sogenanntes „Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung“. Dadurch wurde verhindert, dass andere Investoren den Standort in Spielberg übernehmen können. Stattdessen kaufte der chinesische Mutterkonzern die steirischen Produktionsmaschinen aus der Konkursmasse der eigenen Tochter-GmbH – um sie an Standorten mit billigeren Lohnkosten wieder aufzustellen.
Das Ergebnis: 360 ATB-Beschäftigte in Spielberg haben ihren Job verloren. Alle Versuche, die Kündigungen zu verhindern, scheiterten – auch an der türkis-grünen Bundesregierung. Der ATB-Betriebsrat bat Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mehrmals um Hilfe, doch der verweigerte jede Einladung zu einem Gespräch mit der Belegschaft. Die Bundesregierung stellte sich im Nationalrat auch noch gegen einen SPÖ-Antrag, der vorsah, den Missbrauch des Insolvenzrechts wie im Falle der ATB zu verbieten und die Gesetzeslücke zu schließen. Künftig sind nur mehr 40 von 400 Beschäftigten in Spielberg tätig. Sie kümmern sich um Forschung, Vertrieb und Kundenservice. Die Produktion ist ins Ausland ausgelagert.
Wegen Produktion im Ausland: Lieferschwierigkeiten & Qualitätsprobleme?
Jetzt wird in der ATB-Geschichte ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. Die Elektromoren werden mittlerweile in Polen produziert, nicht mehr in der Steiermark. Der Mutterkonzern bildete für diese Standort-Verlagerung bereits vorausschauend Rücklagen, um etwaige Produktionsschwierigkeiten ausgleichen zu können. Mehrere unternehmensinterne Quellen berichten der Neuen Zeit jetzt: Die Probleme sind noch viel größer als gedacht, die Rücklagen reichen hinten und vorne nicht.
Als das ATB-Werk noch in Spielberg stand, betrug die Durchlaufzeit von der Bestellung eines Motors bis zur Auslieferung rund sechs Wochen. Seit in Polen produziert wird, müssen die ATB-Kunden mehrere Monate auf ihre Motoren warten. Bestellungen, die zu Jahresbeginn 2021 eingegangen sind, können erst zu Ostern abgeschlossen werden. Auch die Qualität der Motoren habe nachgelassen. Die Kunden seien „sehr angefressen“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Das Konzern-Management dementiert in einer schriftlichen Anfrage-Beantwortung Qualitätseinbußen – die Motoren würden weiterhin in gewohnter Qualität hergestellt werden – gesteht aber Lieferverzögerungen ein. Die würden jedoch an der Corona-Pandemie liegen, nicht an der „insgesamt erfolgreichen“ Umstrukturierung des Unternehmens. Man erwarte jedenfalls ein positives Jahresergebnis in Spielberg.
ATB Mutter-Konzern steht vor Strafzahlungen in Millionenhöhe
Laut Neue Zeit Informationen muss der Konzern aufgrund der Lieferprobleme jetzt Strafpönalen in Millionenhöhe zahlen. Die Schließung der steirischen Werks, wegen der 360 Menschen ihren Job verloren haben, könnte für die chinesische Eigentümer-Gruppe also ein wirtschaftliches Eigentor sein. Die Strafzahlungen könnten die erhofften Einsparungen durch die billigeren Lohnkosten im Ausland auffressen. Das Management will „aufgrund des Betriebsgeheimnisses“ keine Angaben zu den Strafpönalen machen.
Zum Weiterlesen: Wie es für die Arbeitslosen von ATB jetzt weitergeht.