MAN bekam seit März 2019 öffentliche Aufträge um mehr als 180 Millionen Euro Steuergeld. Dazu kommen noch 2,4 Millionen Forschungsförderung und rund 11 Millionen Corona-Hilfen für die Kurzarbeit. Und die MAN-Belegschaft in Steyr erwirtschaftete 2019 einen Gewinn von 20 Millionen Euro. Trotzdem will der Konzern das Werk in Oberösterreich zusperren und stattdessen billiger im Ausland produzieren, nur um den eigenen Profit noch weiter zu steigern.
180 Millionen Euro – so viel Steuergeld bekam der „MAN Truck & Bus Vertrieb Österreich“ seit März 2019 aus öffentlichen Aufträgen. Verteidigungsministerium, Land Oberösterreich und weitere öffentliche Stellen kaufen fleißig Fahrzeuge bei MAN, aber der Konzern will sein Werk in Steyr wie berichtet zusperren.
Trotz den staatlichen Aufträgen in Millionenhöhe halten sich sowohl die Bundesregierung als auch die schwarz-blaue Landesregierung vornehm zurück, wenn es darum geht, die Jobs bei MAN zu retten. Man will zwar das Unternehmen „in die Pflicht nehmen“, mit weiteren Kauf-Interessenten für das Werk zu verhandeln (ÖVP-Landeshauptmann Stelzer) oder „den Standort wettbewerbsfähig machen“ (ÖVP-Wirtschaftsministerin Schramböck). Aber für mehr als politische Bekundungen reicht es nicht, selbst eingreifen wollen Landeshauptmann und Bundesregierung nicht.
Dabei hätte die öffentliche Hand durch ihre Auftragsvergabe ein Druckmittel in der Hand, heißt es aus der Gewerkschaft: Entweder die Jobs bleiben in Österreich, oder es gibt keine staatlichen Aufträge mehr.
Am MAN-Werk in Steyr hängen bis zu 8.400 Jobs
Am Werk in Steyr mit seinen 2.300 Arbeitsplätzen hängen bundesweit mit allen Zulieferbetrieben 8.400 Jobs, berechnet die „Initiative Wirtschaftsstandort OÖ“. Das Forschungsinstitut WIFO geht von österreichweit 5.900 weniger Arbeitsplätzen aus, wenn MAN in Steyr zusperrt. Klar ist also: Es geht um viel.
„Hier sind Schicksale damit verbunden“, sagt die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer. „Ich habe einen kurz vor der Pension stehenden Arbeiter getroffen. Er ist stolz darauf, im Werk zu arbeiten. Sein Sohn steht mitten im Erwerbsleben und arbeitet auch bei MAN. Und seine Enkelin hat gerade eine Lehre im Werk angefangen.“
Sperrt der Konzern seinen Standort in Oberösterreich zu, verliert die ganze Familie ihre Arbeit. Ein anderer Arbeiter sagt zum Standard: „Ich habe einen Kredit aufgenommen und ein Haus gekauft, weil ich der Garantie von MAN vertraut habe, über zehn Jahre Arbeit zu haben“. Und jetzt? „Ich fühl mich einfach nur hintergangen“.
Bei Kündigungen drohen dem Konzern Milliarden-Strafen
Die Garantie, das ist der sogenannte Standortsicherungs-Vertrag. Unternehmen und Belegschaft hatten sich erst 2019 auf eine Vereinbarung geeinigt, die Kündigungen bis Ende 2030 ausschließt. MAN hat den Vertrag einseitig aufgelöst. Dadurch drohen dem Konzern laut dem Rechtsexperten Meinhard Lukas, Rektor der Linzer Universität, Milliarden-Zahlungen. Wird die Stammbelegschaft gekündigt, könnte sie wegen des Standortversicherungs-Vertrages bis 2030 Entschädigungen einklagen. Dafür müsste MAN 1,1 bis 1,4 Milliarden Euro an die Gekündigten zahlen, schätzt Lukas.
Um mittelfristiges Geld scheint es dem Konzern ohnehin nicht zu gehen. Als Reaktion auf das klare Nein der Belegschaft zu den Übernahme-Plänen des Investors Siegfried Wolf will das Unternehmen in den kommenden Wochen alle 278 Leasingarbeiter kündigen. Trotzdem sollen wohl weiterhin 86 LKWs pro Woche vom Band gehen. Das ist „wirtschaftlicher Wahnsinn“, sagt Betriebsrat Helmut Emler. Denn ohne Leasingarbeiter sind Sonderschichten am Wochenende nötig, um gleich viel produzieren zu können wie bisher. Und die Wochenend-Schichten müssen entsprechend entlohnt werden.
Die MAN-Belegschaft in Steyr erwirtschaftete 2019 20 Mio. Gewinn
Das kann sich MAN leisten, denn der deutsche Mutterkonzern „Traton“ machte allein im ersten Quartal 2021 einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro. Das Management korrigierte daraufhin sogar seine eigene Prognose nach oben: Für das restliche Jahr erwartet man 5 – 7 Prozent Umsatzrendite, also Gewinnanteil am Umsatz.
Auch der Standort in Oberösterreich scheint gut zu laufen. 2019 erwirtschaftete die MAN-Belegschaft in Steyr mehr als 20 Millionen Euro Gewinn.
Das reicht den Konzern-Bossen offenbar nicht: Sie wollen noch mehr Profit. Die Produktion soll von Steyr nach Polen verlagert werden. Dort können die LKWs billiger gebaut und der eigene Gewinn vergrößert werden.
Konzern staubt öffentliche Aufträge und staatliche Förderungen ab
Währenddessen kauft die öffentliche Hand weiter kräftig bei MAN ein. ASFINAG, Verteidigungsministerium, Land Oberösterreich und weitere öffentliche Stellen vergaben an den LKW-Bauer seit März 2019 Aufträge in Höhe von mehr als 180 Millionen Euro, schlüsselt das Portal „Offene Vergaben“ auf. Die staatlichen Einkäufe aus Steuergeld haben die MAN-LKWs zum Marktführer in Österreich gemacht.
Und auch öffentliche Förderungen staubte der Konzern ab: Seit 2017 rund 2,4 Millionen Euro Forschungsgeld und in der Corona-Krise rund 11 Millionen Euro für die geförderte Kurzarbeit.
Die SPÖ schlägt eine staatliche Beteiligung an MAN vor, um die Jobs zu retten. Wenn ohnehin schon Steuergeld in Aufträge und Förderungen fließen, sollen auch die Arbeitsplätze im Land bleiben. Die Sozialdemokraten wollen, dass die österreichische Beteiligungsgesellschaft ÖBAG mit 10 Milliarden Euro 20 Prozent des Werks in Steyr übernimmt.
„Die Politik muss aufhören, nur zu moderieren, sie muss auch gestalten. Landesregierung und Bundesregierung müssen Verantwortung übernehmen“, sagt SPÖ-Landeschefin Birgit Gerstorfer. Nachsatz: „Wir sind bereit.“