Credits: Peter Knorr
Barocke Kulissen, römische Spuren und mittelalterliche Urkunden: St. Pölten blickt auf eine beeindruckende Geschichte zurück. Seit 866 Jahren besitzt die niederösterreichische Landeshauptstadt das Stadtrecht – ob sie damit auch die älteste Stadt Österreichs ist, bleibt umstritten. Um Antworten darauf zu bekommen, reisen wir zurück ins Mittelalter.
866 Jahre trägt die niederösterreichische Landeshauptstadt nun schon auf ihrem Buckel. Dementsprechend viel hat sie zu bieten: Spaziergänge durch die charmanten Altstadtgassen, Kulturabende im Festspielhaus oder Erkundungstouren durch das moderne Landhausviertel – hier ist für alle was dabei!
St. Pölten mangelt es nicht an Vielfalt, darin sind sich alle einig. Fragt man danach, ob St. Pölten mit seinen 866 Jahren eigentlich die älteste Stadt Österreichs ist, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Historikerinnen und Historiker diskutieren schon seit Jahren darüber – für eine klare Antwort müssen wir tiefer in die österreichische Geschichte eintauchen. Genauer gesagt, ins Jahr 1159.
Wir befinden uns also im Jahr 1159: St. Pölten hieß nicht St. Pölten, sondern “Traisma”, vom FM4 Frequency Festival hat noch lange niemand was gehört und bis die ersten Töne der klassischen und zeitgenössischen Musik im Festspielhaus ertönen, werden noch einige Jahrhunderte vergehen. Dafür hat der Passauer Bischof Konrad II. den ersten großen Meilenstein für die heutige Landeshauptstadt gesetzt: Traisma bekommt das erste offizielle Stadtrecht verliehen. Damit besitzt die Stadt eines der – wenn nicht das – ältesten dokumentierten Stadtrechte im heutigen Österreich.
Der einzige Haken: Es existiert kein Original-Schriftstück mehr – lediglich vier historische Dokumente, sollen die Stadtrechte nachweislich begründen. Thomas Lösch, Historiker im Magistrat St. Pölten, erklärt, dass diese absolut ausreichend seien, um das Jahr der Ernennung, nämlich 1159, verlässlich nachweisen zu können. Das sei unbestritten, beteuert Lösch.
Trotzdem hält die Behauptung, St. Pölten sei die älteste Stadt Österreichs, einer genaueren historischen Prüfung nicht stand – zumindest nicht ohne Zusatz. Vielmehr ist die Antwort abhängig davon, wie man „älteste Stadt“ definiert: Siedlungskontinuität, Jurisdiktion oder das bloße Vorliegen einer Urkunde?
Zeit für ein paar Begriffsdefinitionen:
Denken wir an eine „Stadt“ im historischen Sinn, meinen wir den rechtlichen Status. Erst mit der Verleihung des Stadtrechts durch den Landesherrn bekam eine Siedlung bestimmte Privilegien wie ein eigenes Gericht oder das Marktrecht. Wenn man allerdings davon spricht, welcher Ort am längsten bewohnt ist, meint man die Siedlungskontinuität und spricht von einer „Stadt“ im archäologischen Sinn.
Beantworten wir Zweiteres, dann zählt St. Pölten zwar zu den ältesten Siedlungen Österreichs, wird aber von Wien, damals Vindobona, und Enns, damals Lauriacum, haarscharf überholt. Alt sind sie aber allesamt: Die ersten Spuren der drei Städte führen zurück bis ins alte Rom.
Wenn man also fragt: „Ist St. Pölten die älteste Stadt Österreichs?“, dann lautet die Antwort: Ja, im juristischen Sinn der frühesten Stadtrechtsverleihung. Aber: Nur, wenn man auf die Abschriften des Originals vertraut. Besteht man auf eine noch existierende Original-Stadtrechtsurkunde, ist man in Enns an der richtigen Adresse. Die oberösterreichische Stadt bekam am 22. April 1212 durch den Babenberger Herzog Leopold VI. das Stadtrecht verliehen – Die Original-Urkunde kann im “Museum Lauriucum” besichtig werden. Deshalb trägt Enns auch ganz offiziell den Titel “älteste Stadt Österreichs”.
Eine eindeutige Antwort auf die Frage zu bekommen ist gar nicht so einfach und wie so oft Interpretationssache. Eines wird aber klar: St. Pölten hat eine lange Geschichte hinter sich, die dazu einlädt, beim nächsten Besuch in der niederösterreichischen Landeshauptstadt erkundet zu werden. Egal ob virtuelle Zeitreise mit XR-Brillen oder doch die ganz klassische Stadtführung – die Möglichkeiten ins alte “Traisma” einzutauchen sind fast grenzenlos!
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