Armatya Sens Leben ist geprägt von seinen frühen Erfahrungen mit Hunger und Rassenunruhen. Im Oktober wurde er mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels geehrt. Seine Arbeit widmet der Wirtschaftswissenschafter dem Kampf gegen Ungleichheit.
Armatya Sen wurde 1933 im indischen Santiniketan als Sohn einer wohlhabenden Akademikerfamilie geboren. Sein Großvater lehrte an der dortigen Unversität Sanskrit, eine altindische Sprache, und indische Kulturgeschichte. Sen verbrachte seine Kindheit in Mandalay, vorwiegend aber in Dhaka. Der Vater war Universitätsprofessor und lehrte dort. Als Bursch spielte er mit dem Gedanken in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten und Sanskrit zu studieren, auch Mathematik und Physik reizten ihn. Doch zwei einschneidende Erfahrungen brachten den jungen Mann dazu, sein Leben den Wirtschaftswissenschaften zu widmen.
Zum einen waren es die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Hindus in seiner Heimat. Armatya Sen selbst ist Hindu, fühlt sich aber sein Leben lang eher als Inder oder schlicht Mensch. So war er auch erzogen worden. Eines Tages – Sen war noch ein Kind, die Familie lebte in Dhaka – betrat ein verzweifelt um Hilfe schreiender, blutender Mann ihr Haus. Es war ein muslimischer Tagelöhner, der von Hindu-Extremisten niedergestochen worden war. Sens Vater brachte ihn ins Krankenhaus, doch jede Hilfe kam zu spät: Der Mann erlag seinen Verletzungen.
Zuvor berichtete er Sen und seinem Vater, dass ihn seine Frau wegen der Unruhen gewarnt hatte, nicht in eine Hindu-Gegend zu gehen. Doch der Tagelöhner hatte keine Wahl: Not zwang ihn, das Risiko auf sich zu nehmen. Im Alter von 8 Jahren erlebte Sen so, wozu Rassismus führt und dass Armut auf viele Arten töten kann.
Das zweite Trauma seiner Kindheit war die große Hungersnot in den Bengalen 1943. Zwischen zwei und drei Millionen Menschen verhungerten damals. Armatyia Sen war gerade erst zehn Jahre alt, doch eines fiel ihm auf: Keiner seiner Schulfreunde und sonstigen Bekannten war davon betroffen, geschweige denn verloren sie ihr Leben. Nicht einmal die Mittelklasse spürte damals die Auswirkungen der Katastrophe. Aber in den ärmsten Gesellschaftsschichten wütete der Hunger.
Dem jungen Armatya wurde erneut auf brutale Art vor Augen geführt, was gesellschaftliche Ungleichheit bedeutet. Ähnliche Erfahrungen sollte er im Lauf seines Lebens noch öfter machen. Beispielsweise als er in Kalkutta studierte und nur wenige Straßenecken von der Universität entfernt die Menschen in Hunger und Elend starben. Sie prägen seine Arbeit bis heute.
Armatya Sen wurde bewusst, was beide Tragödien verhindert hätte: wirtschaftliche Gerechtigkeit. Doch er studierte nicht nur deshalb Wirtschaftswissenschaften. Spätestens wenn er vom „exzentrischen Charme der Ökonomie“ schwärmt, wird klar, dass Neugierde und Faszination für wirtschaftliche Zusammenhänge ebenso wichtige Triebfedern waren.
Das entspricht auch dem Zugang, der in seiner Schulzeit in einer Privatschule in Dhaka gefördert wurde. Dort waren Neugier und Interesse, etwas herauszufinden, deutlich höher angesehen als Leistung und Noten. In seiner Biografie zitiert er eine damalige Lehrerin, die über eine Mitschülerin meinte: „Sie ist eine wirklich gute Denkerin und trotzdem hat sie äußerst gute Noten.“
Armatya Sens Leben spielte sich stets auf Universitäten ab. Er studierte in Kalkutta, danach in Cambridge Wirtschaftswissenschaften. Doch Wirtschaft als Selbstzweck ist für ihn sinnlos, deshalb belegte er zusätzlich sein Studium der Philosophie.
Nach seinem Abschluss lehrte er an den meisten namhaften Universitäten der Welt: Stanford, Harvard, das M.I.T., Berkely, die London School of Economics, Cambridge und Oxford sind nur einige Stationen seiner beeindruckenden Karriere als Universitätsprofessor.
Doch Armatya Sen vergas nicht, warum er sich der Ökonomie verschrieben hatte. Seine Forschungsarbeit drehte sich stets um die Frage, wie soziale Gerechtigkeit in der Wirtschaftswissenschaft abgebildet werden kann. Wirtschaft nicht als Selbstzweck, sondern zum Wohle der Menschen. In Demokratie sieht er den Schlüssel dazu.
Sen ist auch einer der Väter des Human Development Index der UNO. Anhand verschiedener ökonomischer und gesellschaftlicher Faktoren beschreibt er den Wohlstand von Staaten. Und ob breite Teile der Bevölkerung von diesem Wohlstand profitieren. Denn für ihn ist klar: „Globale Gerechtigkeit gelingt nur, wenn wir uns die Welt teilen.“
Für seine Arbeit wurde ihm bereits 1998 der Friedensnobelpreis verliehen. Neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt er im Oktober 2020 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seine Dankesrede nützte Armatya Sen für ein Plädoyer für Meinungsfreiheit, Frieden, Verteilungsgerechtigkeit und den Mut zur Meinungsverschiedenheit. Denn nichts ist für den 86-jährigen Wissenschaftler „… so wichtig wie die Möglichkeit, über Dinge zu streiten, bei denen wir möglicherweise uneins sind.“
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