Eine jahrelange Forderung wird in Österreich erstmals Wirklichkeit: Das Land Kärnten hat das Pilotprojekt „Lohn statt Taschengeld“ ins Leben gerufen. Das „Reallabor 27“ ermöglicht 20 Menschen mit Behinderung am regulären Arbeitsmarkt teilzunehmen und wie alle anderen fair für ihre Arbeit entlohnt zu werden. Das Modell könnte als Vorbild für ganz Österreich dienen.
Eine der größten Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen ist es, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Laut Einstufung der Pensionsversicherungsanstalt sind in Österreich ca. 25.000 Menschen mit Behinderung als arbeitsunfähig eingestuft. Wenn sie den Sprung in das „Arbeitsleben“ dann doch schaffen, sind sie meist in Beschäftigungswerkstätten angestellt, in denen sie maximal ein Taschengeld von 30 bis maximal 100 Euro pro Monat bekommen.
Nach jahrelangen bundesweiten Forderung packt die Kärntner Landesregierung das Problem jetzt selbst an. Gemeinsam mit der Lebenshilfe hat das Land das Pilot-Projekt „Reallabor 27 – Lohn statt Taschengeld“ gestartet. Das soll den 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern den Weg in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen.
Die Zahl 27 bezieht sich auf den Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention, die das gleiche Recht auf Arbeitsmöglichkeit für Menschen mit Behinderungen fordert.
Mit diesem Pilotprojekt setzen wir tatsächlich einen Meilenstein für Menschen mit Behinderung. Ich verwende den Begriff Meilenstein bewusst – denn das Reallabor macht erstmals Inklusion am ersten Arbeitsmarkt zur Realität, so Landesrätin Beate Prettner (SPÖ).
Die erste Phase des Projekts findet an den vier Standorten der Lebenshilfe statt. Dort lernen die Teilnehmenden tägliche Routinen des Arbeitslebens, wie Pünktlichkeit oder Arbeiten im Team, kennen. Nach der Trainingsphase kommen sie in unterschiedliche Betriebe und werden für je 19 Stunden pro Woche angestellt und nach SWÖ-Kollektivvertrag bezahlt. Das sind rund 1.050 Euro brutto. Das Pilot-Projekt läuft erstmals für zwei Jahre unter wissenschaftlicher Begleitung, danach werten Wissenschaftler:innen die Ergebnisse aus.
Für viele Jugendliche ist es üblich, dass ihre Eltern bereits vor dem 18. Lebensjahr ein eigenes Konto für sie eröffnen, um das monatliche Taschengeld einzuzahlen. Später im Erwachsenenleben bekommt man auf sein Konto das monatliche Gehalt, bezahlt darüber Miete und Essen. Was wir als selbstverständlich wahrnehmen, ist für die Projektteilnehmerinnen und Teilnehmer Neuland. Nachdem sie den Dienstvertrag unterschrieben haben, haben sie auch ein eigenes Konto bekommen. Das soll ihnen eine eigenständige Zukunft ermöglichen.
Nach den zwei Jahren können sich die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann entscheiden, ob sie in eine Beschäftigungswerkstätte zurückkehren wollen. Eine sogenannte “Förderwerkstatt” ist eine Einrichtung zur Integration von Menschen mit Behinderung in das Arbeitsleben. Dort bekommen sie aber “nur” Taschengeld. Ziel ist es aber, dass die Unternehmen, in denen sie während des “Reallabors 27” arbeiten, sie weiterhin beschäftigen. Das Land Kärnten finanziert das Projekt mit 550.000 Euro pro Jahr, die EU steuert noch einmal 370.000 Euro Förderung bei.
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