Armut ist in Österreich auf dem Vormarsch. Immer mehr sind auf Lebensmittelgutscheine, Heiz- und Mietkostenzuschüsse der Volkshilfe angewiesen. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Volkshilfe arbeiten am Limit.
Das Sozialbarometer der Volkshilfe erhebt die Stimmung in der Bevölkerung zu sozialpolitischen Themen. Eine der Fragen lautet: Wie viele Kinder in Österreich sind arm? Die meisten schätzen jedes 10. – 20. Kind. In Wirklichkeit aber ist jedes 5. Kind in Österreich arm!
Nach einer kurzen Schrecksekunde stellt sich dann die Frage. Wo sind die alle? Denn die meisten von uns haben ein romantisch-verklärtes Bild von Armut. Wir kennen sie aus Büchern, Filmen und von Reisen. Aber bei uns? Ja, ein paar Leute vielleicht. Aber jedes fünfte Kind?
Helga Ahrer ist sozialdemokratische Landtagsabgeordnete in der Steiermark und ehrenamtliche Helferin beim Volkshilfe Bezirksverein Leoben. Sie kann aufklären, wo all die armen Kinder sind: In faktisch jeder Schulklasse und Kindergartengruppe. Vermutlich sogar unter den Freundinnen und Freunden der eigenen Kinder. Oder im eigenen Bekanntenkreis. Unbemerkt. Denn Armut ist in Österreich mit viel Scham behaftet. Obwohl sie jede und jeden treffen kann, wollen sich die meisten Betroffenen nicht dieser empfundenen Schmach aussetzen – und ihre Kinder schon gar nicht. Arme Familien sind deshalb wahre Meisterinnen darin, ihre Not zu verbergen. Das macht es auch Helferinnen und Helfern so schwer. Denn nur die wenigsten Betroffenen fragen nach Hilfe. „Wenn wir Hinweise kriegen, dann meistens von Lehrerinnen und Lehrern, denen was auffällt. Oder direkt vom Sozialreferat“, erklärt Ahrer. Doch oft bleibt Armut versteckt und verschlimmert sich so – gerade jetzt in der Corona-Krise.
Dass Armut in Österreich um sich greift, spüren die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des Volkshilfe Bezirksvereins Leoben deutlich. Immer mehr Menschen benötigen Heiz- und Mietkostenzuschüsse. Auch Mobilität ist ein immer größeres Thema. Und der Schulstart der Kinder kostet oft einfach mehr, als da ist. Für viele Familien bedeutet Weihnachten mehr Frust als Freude: Es ist einfach kein Geld für Geschenke da. Zusätzlich zum restlichen Druck kommen dann noch enttäuschte Kinderaugen am 24. Dezember.
Die Ehrenamtlichen der Volkshilfe kommen kaum mehr nach, immer öfter legen sie Überbrückungshilfen aus der eigenen Tasche aus. „Für viele geht es ums blanke Überleben!“ Ahrer ersucht im Gespräch mit Nachdruck darum, das auch so zu erwähnen. „Schreibens des, des müssen die Leute wissen“, fällt sie kurz aus der Rolle der routinierten Politikerin, die ohnehin weiß, wie sie ihre Botschaften anbringt. Diesmal will sie auf Nummer sicher gehen.
Schon vor Beginn der Corona-Krise war es für viele Familien und besonders Alleinerzieherinnen knapp. Eine der Ursachen dafür ist, dass Frauen – gerade alleinerziehende Mütter – oft nur Teilzeit arbeiten. Einerseits weil sie nicht mehr Zeit neben der Arbeit zu Hause haben. Andererseits, weil Unternehmen Interesse an Teilzeitverträgen haben. Sie rechnen sich.
Besonders bitter schaut es für immer mehr Menschen aus, die nun durch Corona arbeitslos werden. Sie stehen meist unverschuldet vom einen Tag auf den anderen mit 55% ihre Einkommens da. Die Ausgaben bleiben aber nicht nur gleich hoch: Wer Kinder hat, braucht Geräte und Internetverbindungen fürs Homeschooling.
„Wir müssen zu einer Neubewertung der Arbeit für Kindererziehung und Pflege daheim kommen. Das machen fast ausschließlich Frauen und zwar unentgeltlich“, erklärt Ahrer. So können sie weniger bezahlt arbeiten, was geringere Einkommen, später niedrige Pensionen am oder unter dem Existenzminimum bedeutet. Die derzeit unentgeltliche Arbeit bei Erziehung und Pflege ist aber gesellschaftlich unersetzlich. Deshalb muss sie in Zukunft entsprechend entlohnt werden, betont Ahrer.
Dazu kommt der Gender Pay Gap, der sich natürlich in der Pension fortsetzt. Vor allem Frauen sind deshalb oft von Altersarmut betroffen. Außerdem: wer Teilzeit gearbeitet hat und arbeitslos wird, erhält fast nie Arbeitslosengeld über der Armutsgrenze. Das ist auch ein zweiter Hebel, der viel Leid lindern könnte: Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. So würden Familien nicht mehr plötzlich in die Armut abrutschen. Gerade angesichts der Corona-Krise wird diese Forderung immer dringlicher.
Doch auch jede und jeder kann etwas beitragen. „Nicht wegschauen“, ist das wichtigste, betont Ahrer. Wenn Freundinnen oder Freunde der Kinder häufig Einladungen zu Geburtstagsfeiern mit immer neuen Ausreden nicht annehmen, kann das daran liegen, dass das Geld für ein passendes Gastgeschenk fehlt. Oder bei banalen Alltagsgesprächen mit Bekannten. In Österreich wird gern gelästert, bevorzugt über das Wetter. Genau hinhören lohnt sich trotzdem: „Jetzt kommt auch noch der Winter!“ Dabei kann es um Vorfreude auf den Sommer gehen. Immer öfter aber meinen Menschen damit Angst vor Heizkosten, die das Haushaltsbudget sprengen.
Wer Sorge hat, Bekannte, Nachbarinnen und Nachbarn, Schulfreundinnen und -freunde der Kinder, … könnten betroffen sein, hat mehrere Möglichkeiten. Selbst direkt das Gespräch zu suchen ist gut, aber nicht immer leicht. In solchen Fällen kann man Armutsbetroffenen helfen, indem man beispielsweise die Volkshilfe im Bezirk verständigt. Die Helferinnen und Helfer nehmen dann diskret Kontakt mit den Betroffenen auf.
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