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Ein Kinderzimmer im Karton: Finnland schenkt allen Babys eine Box mit kompletter Erstausstattung

Finnland hat die weltweit niedrigste Sterblichkeitsrate bei Babys und Schwangeren. Und das alles wegen einer Kiste aus Karton! Der Staat schenkt werdenden Familien dort eine sogenannte „Mutterschaftsbox“. Im Einsteigerpaket für frischgebackene Eltern sind nicht nur unzählige sinnvolle Geschenke zur Geburt wie Unisex-Strampler, Bettwäsche oder warme Outdoor-Kleidung enthalten, die Box dient gleichzeitig auch als Babybett.

Die Kartonbox, die alles kann: So könnte man die Babybox, die seit 85 Jahren in Finnland an werdende Familien vergeben wird, auch beschreiben. Was anfangs nur bedürftigen Müttern und deren Kindern zu einem gleichberechtigten Start ins Leben verhelfen sollte, ist heute aus der finnischen Kultur nicht mehr wegzudenken.

Eine Kartonbox, die zur niedrigsten Mütter- und Kindersterblichkeit verhalf

Die Babybox wird seit 1937 von der finnischen Sozialversicherung KELA verteilt. Damals war sie sozial bedürftigen Frauen und deren Kindern vorbehalten. Im Jahr 1949 entschied man, die Babybox allen werdenden Müttern zur Verfügung zu stellen. Ursprünglich wollte man damit der sinkenden Geburtenrate und der Müttersterblichkeit während Schwangerschaften und Geburten entgegenwirken.

Daher führte Finnland 1949 eine neue Regelung ein: Mütter, die die Kartonkiste erhalten wollten, mussten vor Vollendung des vierten Schwangerschaftsmonats eine Vorsorgeuntersuchung machen. Dadurch konnte die Sozialversicherung Frauen nicht nur mit den nötigen Utensilien für ihr Baby versorgen, sondern auch die Betreuung durch Ärztinnen und Ärzte während der Schwangerschaft gewährleisten. Die Sterblichkeitsrate von Schwangeren und Babys konnte dadurch drastisch gesenkt werden. In Amerika sterben im Jahr 2015 noch 5,82 von 1.000 Schwangeren, in Finnland lediglich 1,7.

43 sinnvolle Geburts-Geschenke vom Staat

Wer ein Baby erwartet, kann zwischen der Kartonkiste oder 140 Euro Elternzuschuss wählen. 95 Prozent der Mütter entscheiden sich bei ihrem ersten Kind für die Kartonbox. Nicht nur wegen des emotionalen Werts, sondern weil der Inhalt der Box umgerechnet weit mehr als 140 Euro ausmacht.

Im heurigen „Pop-up“-Kinderbett befinden sich 43 verschiedene Artikel: Darunter farbenfrohe Unisex-Strampler, eine Decke mit Bärenmotiv, warme Outdoorkleidung bestehend aus Overall, warmen Socken und zwei paar Hauben. Außerdem gibt’s einen Schlafsack mit süßem Robben-Motiv oder Bettwäsche mit bunten Vögeln drauf. Auch Mulltücher, Spielsachen und ein kleines Toilet-Set mit Thermometer, Kinderzahnbürste und Co. befinden sich in der Kartonbox.

Ein Paradies für Familien

Die Babyboxen stoßen weltweit auf Begeisterung. In Frankreich, Schottland und Irland wurden ähnliche Kartonkisten verteilt und auch im Internet werden solche Boxen zum Verkauf angeboten – mit teils horrenden Summen um die 600 Euro. Die finnische Sozialversicherung will die Boxen dennoch nicht zum Verkauf anbieten. Sie dienen lediglich den finnischen Familien und sind fix im Staatsbudget verankert.

Generell sind die skandinavischen Staaten ein Paradies für Familien. Kaum woanders ist die staatliche organisierte Kinderbetreuung so gut ausgebaut und damit die Gleichstellung der Geschlechter derart vorangeschritten. Neun Wochen Elternurlaub mit 70% des vorherigen Gehalts sind beispielsweise für frischgebackene Väter eingerechnet. Auch um Kindergarten- und Volksschulplätze muss sich in Finnland niemand Sorgen machen. In Österreich hingegen bekommen Eltern schon vor der Geburt einen Stress, einen geeigneten Betreuungsplatz zu finden. In Finnland organisiert das, wenn man selbst nichts Passendes finden kann, alles der Staat.

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

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