Die liebsten Freizeitbeschäftigungen der Wienerinnen und Wiener sind erstens aus dem Fenster schauen, zweitens im Schanigarten „tschechern“ und drittens lesen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Bundeshauptstadt ein in Österreich einzigartiges Angebot an Bibliotheken hat. Hier erfährst du alles, was es über die Büchereien Wien zu wissen gibt.
Im Jahr 1878 gab es nur zwei öffentliche Bibliotheken in Wien. Das sollte sich mit der Entstehung der Arbeiterbewegung drastisch ändern. Zu deren ersten Organisationen gehörten Bildungsvereine und Lesezirkel. Das Proletariat sollte sich schließlich selbst befreien und das intellektuelle Rüstzeug dafür aneignen.
1887 wurde der Wiener Volksbildungsverein gegründet, der Zug um Zug Lesehallen eröffnete, Buchbestände katalogisierte und 1914 bereits etwas mehr zwei Millionen Entleihungen in 27 Zweigstellen verbuchen konnte. 1897 entstand der Verein Zentralbibliothek, der versuchte, die öffentliche Bibliotheksarbeit zu professionalisieren.
Gegen den Bildungshunger der Arbeitenden und Lehrlinge und gegen deren sozialdemokratische Orientierung entstanden um die Jahrhundertwende auch katholische und christlich-soziale Lesevereine und Bücherzirkel.
Ab 1908 wurden die verschiedenen Partei- und Gewerkschaftsbibliotheken zentral erfasst. Der Sozialdemokrat Josef L. Sternerstellte schrieb sogar eine Buch als Anleitung für die etwa eintausend ehrenamtlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekare.
Auf seinem Höhepunkt gab es 60 Arbeiter-Bibliotheken mit rund 2,6 Millionen Entleihungen und mehrere Arbeiter-Kinderbüchereien. Diese internationale Erfolgsgeschichte fand jedoch bald ihr Ende: im Austrofaschismus ab 1934. Politisch unerwünschte Literatur, Romane, Sachbücher, sogar Kinderbücher, fielen der Zensur zum Opfer. Schlussendlich übernahm die Stadt die Bibliotheken der Parteien und Gewerkschaften in ihr öffentliches Eigentum.
Eine zweite, noch größere Zensurwelle folgte im Nationalsozialismus.
Ab 1938 wurden die Arbeiter-Büchereien in Städtische Büchereien umbenannt. Weisungsgebundene Beamte ersetzten die freiwilligen – und politisch „unzuverlässigen“ – Bibliothekare. Während der Bestand an Sachbüchern (im Sinne der Faschisten) vergrößert wurde, verringerte sich der Bestand an Romanen zunehmend. Ab 1941 konnten die Wienerinnen und Wiener überhaupt nur noch einen Roman pro Besuch entleihen.
Als der zweite Weltkrieg endete, waren die Büchereien Wien mindestens so beschädigt wie der Rest Österreichs. Faschismus und Zensur hatten die Bestände so ausgedünnt, dass rasch wieder mit dem Aufbau der „Volksbildung“ begonnen wurde. Neben den allgemeinen Büchereien wurden wieder Kinder- und Spezialbibliotheken für Lehrlinge, für Mitarbeiter des Gesundheitswesens und für Musik eröffnet. Ab 1958 versorgte eine mobile Bücherei, der sogenannte Bücherbus, die Stadtteile, in denen es noch keinen Standort gab. Ein zweiter Bus kam später hinzu.
Anfang der 1980er wurde als Service für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen die Zustellung nach Hause eingeführt. Einzelne Bibliotheken in Wiener Altersheimen werden immer noch von den Büchereien der Stadt mitbetreut.
Heute umfasst das Angebot 1.425.925 Millionen Titel. Darunter Filme, Musikalben, Hörbücher, Notenblätter oder Zeitschriften in 40 Sprachen. Seit 2019 gibt es die wien dings im 15. Wiener Gemeindebezirk, in der Werkzeuge, Bluetooth Lautsprecher und Spielzeug verliehen werden. Das Angebot nutzen rund 10% der Wienerinnen und Wiener regelmäßig – darunter übrigens fünf über Hundertjährige.
Ob jung oder alt: 6,4 Millionen Entleihen gibt es jährlich insgesamt. Die Wienerinnen und Wiener leihen sich damit im Schnitt 37 Werke pro Jahr aus.
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