Österreich

„Ich wurde hinausgeprüft“: Sie durfte nicht Chefin werden, weil die ÖVP einen Parteifreund wollte

Die erfahrene Finanzbeamtin Christa Scharf hätte 2017 Chefin des oberösterreichischen Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding werden sollen. Aber plötzlich wurde ein ÖVP-Bürgermeister zum neuen Vorstand bestellt. ÖVP-Klubchef August Wöginger soll den Chefposten für seinen Parteifreund organisiert haben – die Staatsanwaltschaft ermittelt. Im Interview mit der NeuenZeit schildert Christa Scharf jetzt detailliert, wie der Postenschacher abgelaufen ist.

Christa Scharf wurde beim Finanzamt übergangen, weil ein ÖVP-Politiker Chef werden musste. Im Interview erzählt sie, wie das gelaufen ist.

NeueZeit: Wie ist es Ihnen nach der Entscheidung, einen schlechter qualifizierten ÖVP-Bürgermeister statt Ihnen zum Chef zu machen, gegangen?

Christa Scharf: Ende März 2017 hat mich Michael Leitner (der Bürgermeister, für den die ÖVP intervenierte, Anm.) selbst angerufen und gesagt: „Hallo ich bin jetzt der neue Vorstand“. Dann habe ich mir eine Woche Urlaub genommen. Ich war wirklich wütend, weil ich mir gedacht habe: Das kann es nicht sein.

Die Korruptions-Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Der bestreitet auch gar nicht, sich in die Postenbesetzung eingemischt zu haben. Er spricht aber nur von einem „Bürgeranliegen“, das er weitergeleitet habe. Das sei ein ganz normaler Vorgang. Was denken Sie sich, wenn Sie sowas hören?

Das sind Schutzbehauptungen. Man behauptet halt solange es geht, dass da nicht viel dahinter ist. Aber wenn man weiß, wie solche Sachen laufen, die Netzwerke, die es überall gibt, dann kann man sich das andere dazu denken.

Politische Netzwerke?

Natürlich. Ich hatte kein Netzwerk. Ich habe mich auf mein Können und meine Qualifikationen verlassen und war politisch nie tätig, war immer völlig neutral. Und dann hat man im Vorfeld meiner Bestellung schon gehört, wie es halt am Land so ist: Eigentlich gibt es schon jemanden, der den Posten bekommt. Es ist irgendein Bürgermeister.

Dieser Bürgermeister, der es schlussendlich geworden ist, hat sich kurz davor einem Hearing gestellt für den Vorstandsposten in einem anderen Finanzamt, dem Finanzamt Freistadt-Rohrbach-Urfahr. Da ist er es nicht geworden, weil er einfach nicht geeignet war. Das weiß ich aus erster Hand von der regionalen Personalleiterin. Er sollte den Posten bekommen, aber die Personalleiterin hat ihre Unterschrift verweigert.

Also hat sich ÖVP-Bürgermeister Michael Leitner wo anders beworben…

Das nächste Amt, das dann ausgeschrieben war, war das Finanzamt Braunau-Ried-Schärding. Da hat man die regionale Personalleiterin aus der Begutachtungskommission entfernt, völlig unüblicherweise. Und jemanden aus dem Ministerium in Wien genommen. Dann hat man das Spielchen gemacht und den Herrn Leitner durchgedrückt.

Die Besetzung der für die Personalentscheidung verantwortlichen Begutachtungskommission war also der Hebel?

Ja. Vorsitzender der Kommission war der damalige Regionalmanager und heutige Vorstand des Finanzamtes Österreich, Siegfried Manhal. Ich war ein dreiviertel Jahr schon interimistische Leiterin des Finanzamtes und hatte mit Herrn Manhal fast täglich Kontakt. Und er hat mich wirklich gelobt, gelobt, gelobt. Ich habe da sogar E-Mails, in denen er mir sein höchstes Lob ausspricht für die großartigen Leistungen, die ich erbringe. Und so weiter und so fort. Aber kurz vor Weihnachten war dann plötzlich alles anders. Das war, nachdem die Bewerbung von Herrn Leitner im anderen Finanzamt schiefgegangen ist.

Wer war dafür verantwortlich, die Kommission zu besetzen?

Normalerweise macht der Vorsitzende einen Vorschlag. Das Ministerium muss dann seinen Sanktus geben. Aber in meinem Fall wusste plötzlich keiner mehr, wie es überhaupt zur Zusammensetzung gekommen ist.

Wie ist dann Ihr Hearing für den Vorstandsposten gelaufen?

Das war eine Vorführung. Die Fragen beim Hearing waren so gestellt, wie wenn man wen rausprüfen will. Also zum Beispiel: „Was machen Sie, wenn …“? „Ja und wenn das nicht funktioniert, was machen Sie dann?“ „Und wenn das auch nicht funktioniert, was machen Sie dann?“ „Und wenn…“ – also so richtig in die Enge treiben. Genau das wars.

Und ich bin natürlich nervös geworden. Fachlich konnte man mir nichts anhaben. Aber beim Auftreten – wie soll ich beweisen, wie meine Präsentation war? Es gibt ja kein Video davon. So haben sie das angelegt.

Wie war die Stimmung in der Belegschaft im Finanzamt, nachdem ÖVP-Bürgermeister Michael Leitner zum neuen Chef bestellt wurde?

Eigentlich haben sich die meisten lustig gemacht. Der neue Chef wusste nicht, was in einem Finanzamt abläuft. Er wusste nicht, was man in einem Führungskräfte-Meeting macht. Er kannte die Verfahren nicht. Er kannte die Programme nicht. Also fachlich null. Er kam einfach da hinein und hatte keine Erfahrung.

Er war auch nie da. Er ist, wenn es gut ging, ein oder zwei Mal im Monat für ein oder zwei Stunden vor Ort gewesen. Er ist um 10 Uhr gekommen und um 12 Uhr war er schon wieder weg. Und sonst weiß ich nicht, was er gemacht hat. Wir haben uns wirklich gefragt: Wie geht das mit seiner Dienstzeit?

Zum Weiterlesen: Schmid Geständnis: „Kreise der ÖVP OÖ“ haben bei Finanzamt-Postenschacher mitgeholfen

Philipp Stadler

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