Am „Erdüberlastungstag“ werden wir jedes Jahr daran erinnert, dass wir angeblich durch unsere Lebensweise die Natur zu stark ausbeuten. Wer aber auf dem Land lebt, ist auf ein Auto angewiesen, wer zur Miete wohnt, kann nicht entscheiden, ob er mit Gas oder Ökostrom heizt. Der Fokus auf die Konsumenten lenkt vom eigentlichen Problem ab: Die Profitgier der Konzerne und deren Marktmacht.
Am 2. August ist „Erdüberlastungstag“. Das ist der Tag, an dem die Menschen alle Rohstoffe aufgebraucht haben, die eigentlich für das ganze Jahr 2023 reichen hätten sollen. Es sind jedoch nicht “die Menschen”, sondern einige wenige Vermögende und große Konzerne, die die Ausbeutung der Natur vorantreiben. Trotzdem wird der Tag jedes Jahr erneut zum Anlass genommen, jeden Einzelnen an seine persönliche Verantwortung für den Klimawandel zu erinnern. „Wenn alle so aufwendig leben würden wie die Menschen in Österreich,“ heißt es zum Beispiel auf ORF.at „wäre der Tag schon am 6. April gewesen“. Die Menschen und ihr maßloser Konsum sind also das Problem, so die Erzählung. So einfach ist das aber nicht.
Ja, wir alle haben einen ökologischen Fußabdruck, und ja, wir in Europa leben um Einiges umweltschädlicher als die Menschen im globalen Süden. Wer aber die Verantwortung für die Ausbeutung natürlicher Ressourcen bei den Konsumenten sucht, lenkt vom eigentlichen Problem ab: Die Profitgier großer Unternehmen. Sie beeinflussen durch ihr Angebot viel stärker, was gekauft und verbraucht wird. Die Konsumenten sind davon stark abhängig. Wer zum Beispiel auf dem Land lebt, ist auf ein Auto angewiesen; Wer in einer Wohnung mit Gasheizung lebt, kann nicht so einfach umsteigen. Ökologische Alternativen sind für die meisten Menschen nicht leistbar. So kosten Bio-Lebensmittel im Schnitt 42 Prozent mehr als konventionelle Ware. Die Konsumenten können der Marktmacht der Unternehmen also wenig entgegensetzen.
Die Verbraucher könnten durch ihre Kaufentscheidung zwar theoretisch einen Beitrag zum Besseren leisten. Doch ihr Einfluss hängt ganz erheblich von der Größe ihres Portemonnaies ab. So ergab eine Studie von Oxfam aus dem Jahr 2021: Die reichsten 10 Prozent sind in Österreich für ein Viertel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Eine kleine Minderheit von Vermögenden überlastet die Erde also viel stärker als die große Mehrheit. Global gesehen ist das Ungleichgewicht sogar noch krasser: Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung blasen 48 Prozent aller CO2-Emissionen in die Luft. Statt also den einfachen Konsumenten ein schlechtes Gewissen einzureden, sollte man lieber den übermäßigen Konsum der Reichen und die Profitgier der Konzerne einschränken.
Eine besonders perfide Täter-Opfer-Umkehr betreibt derzeit der Lebensmittel-Discounter Penny: Anlässlich des Erdüberlastungstages verlangt der Konzern eine Woche lang in allen deutschen Filialen die „wahren Preise“ für ausgewählte Produkte. „Wahre Preise“ bedeutet: alle bei der Produktion entstandenen Umweltschäden werden mit einberechnet und der Gegenwert als Aufpreis verlangt. Einige Produkte werden dadurch fast doppelt so teuer wie bisher. So kostet eine Packung Frankfurter statt 3,19 Euro jetzt 6,01 Euro. Und das während der stärksten Teuerung seit Jahrzehnten. In Österreich ist eine derartige Aktion derzeit nicht geplant.
Mit der Aktion will Penny „Problembewusstsein“ schaffen. Als ob Umweltschutz am fehlenden Problembewusstsein der Konsumenten scheitert. Nicht etwa an den Konzernen, für die Profitmaximierung über allem steht. Oder an einer Politik, die diese Unternehmen gewähren lässt.
Die Mehreinnahmen aus der Aktion will Penny nicht behalten, sondern für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe spenden. Das ist zwar löblich, diese Spenden hätte der Konzern aber auch locker aus eigener Tasche aufbringen können. Immerhin steigerte die Rewe-Gruppe, zu der Penny gehört, ihren Umsatz 2022 um 10,4 Prozent auf fast 85 Milliarden Euro. Wenn es um einen guten Zweck geht, drückt man das dafür nötige Geld aber lieber den Kunden ab, die wegen der Teuerung ohnehin schon jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Aber Hauptsache wir haben nun alle ein Problembewusstsein. Na vielen Dank!
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