Die österreichischen Regierungen kürzen die Sozialleistungen de facto seit Jahren, weil sie Familienbeihilfe, Pflegegeld und Co nicht oder zu wenig an die Inflation anpassen. So kann sich heute eine Familie, die Beihilfe bezieht, um 40% weniger leisten als noch vor 20 Jahren. Das Momentum-Institut schlägt eine Koppelung der Sozialleistungen an die jährliche Teuerungsrate vor.
Jedes Jahr steigt die Teuerungsrate: Brot, Kaffee oder ein Besuch beim Friseur – alles wird etwas teurer. Laut einer Prognose der österreichischen Nationalbank wird das Leben in Österreich 2022 um 3,2% mehr kosten als noch im Jahr zuvor.
Die Regierung kürzt zwar nicht aktiv, aber durch ihr Untätigkeit nimmt sie eine quasi Kürzung der Sozialleistungen in Kauf. Gerade Sozialleistungen werden oft jahrelang nicht oder nur sporadisch an die Inflation angepasst.
Das Momentum-Institut hat nun anhand der Familienbeihilfe, der Studienbeihilfe und des Pflegegeldes den realen Wertverlust der Sozialleistungen errechnet. Wie viel ist der Geldbetrag der Sozialleistungen im Vergleich zum Jahr 2000 heute noch wert?
Die Familienbeihilfe beträgt derzeit für Kleinkinder 114 Euro und steigt dann mit dem Alter der Kinder stufenweise an. Die Familienbeihilfe müsste um 40% höher sein als sie ist, damit sich eine Familie noch genauso viel leisten kann wie vor zwanzig Jahren, schreibt das Momentum-Institut. Also ca. 156 Euro. Auch müsste die Regierung die Studienhilfe von 715 Euro auf knapp 900 Euro und das Pflegegeld von 165 auf 215 Euro erhöhen. So könnte die Entwertung der Sozialleistungen ausgeglichen werden, nicht aber die Verluste, die über die Jahre entstanden sind.
Die Familienbeihilfe ist von Alter und Anzahl der Kinder abhängig. Sie ist besonders drastisch von der Teuerungsrate betroffen. Zuletzt wurde die Familienbeihilfe 2018 erhöht – zwischen 2003 und 2014 überhaupt nicht. In diesen elf Jahren wurden die steigenden Kosten nicht berücksichtigt.
Einer Familie mit einem Kind, das 2000 geboren wurden, sind somit knapp 7.300 Euro verloren gegangen, wie Momentum-Ökonomin Liza Hanzl berechnet. „Nie hat die Erhöhung ausgereicht, um den vorherigen Kaufkraftverlust tatsächlich aufzuholen“, so Hanzl weiter. Betrachtet man also die jeweiligen Teuerungsraten, so ist die Kaufkraft der Familienbeihilfe um 30% weniger, der Studienbeihilfe um 20% und des Pflegegeldes um 28% weniger als noch im Jahr 2000.
Seit 2000 haben es alle Regierungen versäumt, die Sozialleistungen angemessen an die Teuerungsrate anzupassen oder diese überhaupt zu erhöhen.
Die Familienbeihilfe wurde zuletzt 2018 angepasst, nachdem diese elf Jahre nicht erhöht wurde. Die Studienbeihilfe 2017, die Schüler:innen- und Heim-Hilfe 2021 (davor zuletzt 2007). Nur das Pflegegeld wird seit 2020 jährlich um einen Anpassungsfaktor erhöht. Doch auch dieser reicht nicht aus, um die jährliche Teuerung auszugleichen.
Seit 2020 wird das Pflegegeld jährlich um einen Anpassungsfaktor erhöht. Das Gesetz schreibt vor, dass sich der aktuelle Faktor an der Inflation zwischen Sommer 2020 und Sommer 2021 orientiert. Mit 1,8% ist dieser nur viel zu niedrig, um die diesjährige Teuerung abzufedern.
„Obwohl die Preise jedes Jahr steigen, sind einige Sozialleistungen nicht an die Teuerung gekoppelt. Menschen, die auf diese Beihilfen angewiesen sind, können sich so immer weniger leisten“, sagt Ökonomin Lisa Hanzl. Sie schlägt eine dauerhafte Koppelung der Sozialleistungen an die jeweilige Teuerungsrate vor. Nur so könne man das Problem langfristig lösen.
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