Gesellschaft

16h zum Billiglohn im Schlachthaus: Gesetz soll Profitgier der deutschen Fleischindustrie bremsen

Die deutsche Fleischindustrie beutet billige Arbeitskräfte aus Osteuropa aus, um selbst möglichst viel Profit zu machen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter schuften unter miesesten Lebensbedingungen – und das mitten im wohlhabenden Deutschland.

Mitten im Sommer 2020 kommt es in mehreren deutschen Fleischfabriken zu einem riesigen Corona-Ausbruch unter den Beschäftigten. Mehr als 8.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter infizieren sich in Nordrhein-Westfalen, dem größten Bundesland der Republik, mit dem Virus. Sogar die umgebenden Ortsgebiete Gütersloh und Warendorf müssen gesperrt werden.

Mensch und Tier werden für ein Stück Fleisch ausgebeutet

Der Grund für den Mega-Ausbruch: miserable Arbeitsbedingungen bei dem größten Unternehmen der deutschen Fleischindustrie, „Tönnies“. Erst durch den riesigen Corona-Cluster wurde die Öffentlichkeit auf die unmenschlichen  Arbeitsbedingungen beim Fleisch-Giganten Tönnies aufmerksam.

Wie kam es zu dem Mega-Ausbruch?

Man muss hart gesotten sein, um die Arbeit in einem Schlachthaus auszuhalten, besonders während einer globalen Pandemie. Denn die Beschäftigten arbeiten schwer, stehen Schulter an Schulter und hacken Tonnen an Fleisch in Stücke – für viele nicht unbedingt ein Traumjob. Für viele Wanderarbeiterinnen und Arbeiter aus Rumänien, Polen und Bulgarien ist es jedoch eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Die Betriebe stellen sie unter Sub-Unternehmen an, sie sind Beschäftigte zweiter Klasse.

Abseits von der harten Arbeit im Werk bei eisigen Temperaturen und feuchter Umgebung erwartet sie auch nach der Schicht keine Entspannung. Sie wohnen zusammen in engen Zimmern, fahren mit den Öffis zur Arbeit oder teilen sich Autos. All dies sind gerade zu ideale Bedingungen, um an Covid-19 zu erkranken.

Das Vertragswirrwarr der Fleisch-Giganten

Hinter der Fleischtheke steckt oft extreme Ausbeutung

Um Arbeiterinnen und Arbeiter möglichst wenig bezahlen zu müssen, hat sich die deutsche Fleischindustrie in den letzten Jahren ein ausgetrickstes Netz an Vertragsformaten zusammengeschustert. Es gibt kaum mehr als Zeit- oder Leiharbeit, die Verträge sind höchst prekär, denn die Bezahlung liegt weit unter dem deutschen Mindestlohn (9,35€/Stunde) und die Schichten dauern bis zu 16 Stunden. Angeworben werden sie durch Vermittlungsagenturen in ihren osteuropäischen Heimatdörfern, die dafür eine Provision kassieren. Alle gewinnen – nur die Beschäftigten nicht.

Deutschland als Lohndumping-Paradies

Der EU-Bericht „Meat-up-FFire“ fand heraus, dass Deutschland die mit Abstand laschesten Regelungen zum Schutz von Beschäftigten in Schlachthöfen hat. In vergleichbaren Ländern wie Dänemark sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark gewerkschaftlich organisiert. Außerdem stellen die Betriebe die Beschäftigten direkt an, statt über dubiose Sub-Unternehmen.

Ende 2020 verabschiedete der deutsche Bundestag das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz. Es schreibt einige Verbesserungen wie eine elektronische Arbeitszeiterfassung vor. Außerdem wurde ein Verbot von Leiharbeit erlassen. Ob die Unternehmen ihren Beschäftigten deshalb wirklich bessere Arbeitsbedingungen bieten, bleibt fraglich. Es ist gut möglich, dass sie erneut Schlupflöcher finden, um sich den Regelungen zu entziehen und ihre Masche fortzuführen.

Gastartikel von HesaMag / Bethany Staunton.
HesaMag ist eine zweimal im Jahr erscheinende Zeitschrift, die vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI) herausgegeben wird.

Johanna Pauls

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