Im November 1973 beschloss die SPÖ-Alleinregierung die „Große Strafrechtsreform“ und stellte den Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche straffrei, die sogenannte „Fristenlösung“. Heute schränken konservative Regierungen in Polen, Ungarn und den USA Schwangerschaftsabbrüche wieder ein. Die Folge: Bei Fehlgeburten sind seitdem zahlreiche Frauen gestorben.
Es gibt kaum ein Thema, das so stark in die Privatsphäre und das Leben von Frauen hineinwirkt und dabei gleichzeitig derart stark von Außenstehenden diskutiert wird, wie der Schwangerschaftsabbruch. In Österreich ist es grundsätzlich innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft (bis zur 12. Schwangerschaftswoche) erlaubt, eine Abtreibung durch eine Ärztin oder einen Arzt vornehmen zu lassen. Aber das war nicht immer so.
Ob im Frankreich der 50er-Jahre, im Österreich der 60er oder in vielen anderen Ländern: Wenn Frauen ungewollt schwanger wurden, mussten sie sogenannte „Engelmacherinnen“ aufsuchen. Das waren Krankenschwestern, Ärzte, oder manchmal auch einfach nur medizinisch interessierte Privatpersonen, die damals noch illegale Abbrüche vornahmen. Unter den schlimmsten hygienischen Bedingungen führten sie bei ungewollt schwangeren Frauen Abbrüche durch. Die Französin und Schriftstellerin Annie Ernaux, schildert in ihrem Buch „Das Ereignis“, wie sie selbst als junge Frau ungewollt schwanger wurde und einen, im Oktober 1963 noch illegalen Abbruch vornehmen lassen musste. In ihrem Werk wälzt sie die große Frage: Wie ist es, wenn man als Frau abtreiben will, aber nicht darf?
Auch in Österreich stand bis zur „Großen Strafrechtsreform“ in den 70er-Jahren noch Folgendes im Strafgesetzbuch:
Ist die Abtreibung erfolglos gewesen und wurde die Frau aber dabei erwischt, so sollte sie zwischen sechs und zwölf Monaten in den Kerker. Bei erfolgreich zustande gebrachter Abtreibung stand eine Strafe zwischen einem und sogar fünf Jahren an. Wer bei einer Abtreibung half, sollte ebenfalls zwischen ein und fünf Jahren, „wenn er aber gewerbsmäßig zur Abtreibung mitwirkt, zwischen fünf und zehn Jahren bestraft werden.“
Nicht wenige Frauen sind an den Folgen der – oft leider auch unsachgemäß vorgenommenen – Abbrüche gestorben. Ein legaler Zugang zum Schwangerschaftsabbruch stellt für Frauen deswegen vor allem eines dar: Gesundheitsvorsorge. Denn verbieten lassen sich, wie der Blick in die Geschichte zeigt, Abbrüche nie. Ein Verbot drängt Frauen nur in die Illegalität zurück und gefährdet diese dadurch gesundheitlich.
Seit 1.1.1975 ist es für Frauen in Österreich möglich bis zur 12. Schwangerschaftswoche eine Schwangerschaft beenden zu lassen. Das ist als „Fristenlösung“ bekannt. Innerhalb dieser Frist ist ein Schwangerschaftsabbruch zwar immer noch nicht legal, aber zumindest straffrei gestellt. Das heißt der Abbruch ist geduldet und seit nun mehr 5 Jahrzehnten nicht mehr strafrechtlich verfolgt. In Ländern wie Polen, Ungarn oder den USA sind Frauen aber auch heute wieder damit konfrontiert, dass ihnen ihr Recht über den eigenen Körper zu bestimmen, genommen wird. Und auch das führte innerhalb der letzten Monate zu den ersten vermeidbaren Todesfällen schwangerer Frauen.
In Österreich starteten feministische Vorkämpferinnen und sozialdemokratische Abgeordneten vor etwas mehr als fünfzig Jahren eine Bewegung. Sie wollten die Frauen vor unsachgemäß durchgeführten Abtreibungen und hohen Haftstrafen schützen. Deshalb drängten sie darauf den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Am SPÖ-Parteitag in Villach im Jahr 1971 schafften es die Frauen einen politischen Antrag in den damals extrem männerdominierten SPÖ-Gremien einzuschleusen.
Darin forderten sie „der Konfliktsituation der Frau durch Gewährung eigener Entscheidungsfreiheit innerhalb eines medizinisch vertretbaren Zeitraumes vollends Rechung“ zu tragen.
Innerparteilich, aber auch von der ÖVP und der Kirche gab es Widerstand. Aber die Stimmung in der, damals noch „sozialistischen“ Partei änderte sich rasch – viele junge Frauen traten für ihre Rechte ein und ließen sich von ihren Gegnerinnen nicht mehr abbringen.
Schließlich brachten sie die Fristenregelung durch. Diese wurde im Parlament im November 1973 ausschließlich mit den Stimmen der SPÖ beschlossen – die FPÖ und ÖVP stellten sich dagegen. Am 1. Jänner 1975 wurde der Schwangerschaftsabbruch dann straffrei gestellt, blieb aber im Strafgesetzbuch verankert. Dieser „Kompromiss“ ist bis heute umstritten. Viele fordern den Paragrafen gänzlich zu streichen und so das Recht der Frauen über den eigenen Körper zu bestimmen, nochmals zu untermauern.
Die Neuregelung hatte aber nicht nur Auswirkungen auf das Leben zahlreicher Frauen in ganz Österreich. Sie bescherte auch der SPÖ bei den Wahlen 1979 den größten Wahlerfolg in ihrer Geschichte. Ein ausschlaggebendes Wahlmotiv sei – vor allem für die Frauen – die Durchsetzung der Fristenregelung gewesen.
Ein Schwangerschaftsabbruch wird in Österreich, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, nicht von der Sozialversicherung übernommen (außer er ist aus medizinischen Gründen notwendig). Das heißt die Frauen, oder oft auch noch Mädchen, müssen das Geld dafür selbst aufbringen. Die Kosten liegen zwischen 350 und 400 Euro für Methoden wie etwa die Abtreibungspille und bis zu 800 Euro für eine chirurgische Abtreibung. Auch den Tagessatz für das durchführende Spital müssen die Frauen selbst bezahlen.
Manche Bundesländer übernehmen aber die Kosten, wenn Frauen in materiellen Notlagen sind. Die Abteilung für Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht der Stadt Wien zahlt dazu. Allerdings muss das Ansuchen um Übernahme der Kosten vor dem durchgeführten Eingriff erfolgen – und es muss grundsätzlich schriftlich gestellt werden. Auch in Tirol bietet das Land über einen sogenannten Härtefallfonds (HFF) finanzielle Unterstützung.
Unabhängig von den Förderungen der einzelnen Bundesländer variieren auch die Aufzeichnungen wie viele Frauen eine Abtreibung vornehmen. Im Bundesland Salzburg beispielsweise sind die Zahlen von Schwangerschaftsabbrüchen in den letzten Jahren konstant geblieben. Seit 2005 wurden zwischen 750 bis 900 Behandlungen jährlich durchgeführt. Österreichweit schätzen Expertinnen und Expert:innen in einem Bericht des Parlaments 30.000 – 60.000 Abtreibungen im Jahr.
Entgegen der klischeehaften Vorstellung, dass vermeintlich „unvorsichtige“ Mädels oder junge Frauen ungewollt schwanger werden und dann eine Abtreibung brauchen, sprechen die folgenden Zahlen. Tatsächlich sind 60 Prozent aller Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, schon Mutter von einem oder mehreren Kindern. Die Entscheidung eine Schwangerschaft nicht bis zum Ende erleben zu wollen, ist meist eine persönliche – und nicht zuletzt private.
Dennoch versuchen konservative Politikerinnen und Politiker, die Selbstbestimmung der Frauen über den eigenen Körper zu untersagen. Erste Schritte, die nach den internationalen „Anti-Vorbildern“ USA, Polen oder Ungarn, auch hier Raum finden, sind Vorschläge aus jüngster Vergangenheit, Schwangerschaftsabbrüche in einzelnen Bundesländern überprüfen lassen zu wollen. So ließ etwa Tirol mit einer Schwangerschaftsabbruchs-Register aufhorchen, im Burgenland gibt es nach wie vor keine eigene Ärztinnen oder Ärzte, bei denen man eine Abtreibung durchführen lassen kann. Aber auch in Landesregierungen mit FPÖ-Beteiligung drängt man Frauen zurück an den Herd.
Spannend bleibt, wie es 50 Jahre seit Inkrafttreten der Fristenregelung weiter geht. Ob internationale Schocknachrichten von verstorbenen Schwangeren genug Warnung sind und man den Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht und ihre Gesundheit überlässt, oder einen Kampf gegen die Hälfte der Bevölkerung lostreten will.
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