Private Banken können durch Kreditvergabe neues Geld per Knopfdruck erzeugen. Dadurch kommt immer mehr Geld in Umlauf. Die Macht der Geldschöpfung wird dabei zunehmend missbraucht, um Reiche noch reicher zu machen. Die Staaten lassen es geschehen und sparen noch dazu beim Sozialstaat. Neben Umverteilungsmaßnahmen wie Vermögens- und Erbschaftssteuern braucht es auch eine andere Geldpolitik. Eine, die zum Beispiel Kreditvergabe stärker reguliert oder vollständig demokratisiert.
Wie entsteht eigentlich Geld? Ist Geld nicht einfach vorhanden? Sollte die gesamte Menge an existierendem Geld nicht eigentlich gleich bleiben? Ein Blick in die vergangenen Jahrzehnte zeigt: Die Geldmenge veränderte sich und stieg auf ein Rekordhoch. Das Mehr an Geld wurde aber ungleich verteilt: Die meisten Menschen der Welt wurden ärmer, während einige Wenige immer reicher wurden. Die Erklärung dafür liegt in unserem Geldsystem.
Geld entsteht durch Kreditvergabe. Jedes mal, wenn eine Bank einem Schuldner einen Kredit gewährt, wird neues Geld in die Welt gesetzt. Es ist nämlich nicht so, dass die Bank auf die Spareinlagen anderer Kunden zugreifen muss, um den Kredit auszuzahlen. Der Bankangestellte tippt lediglich den entsprechenden Betrag in ein Computerprogramm und sofort scheint dieser am Konto des Kreditnehmers auf. Das bedeutet: Geld wird in unserem Geldsystem aus dem Nichts geschöpft, quasi per Knopfdruck.
Mit jedem Kredit, den Banken vergeben, erhöhen sie also die Geldmenge. Das Entscheidende ist: Es sind private Banken, die durch ihre Kreditvergabe die Geldmenge erhöhen, und keine staatlichen Institutionen, wie zum Beispiel die Zentralbank.
Aber ist nicht eigentlich die Zentralbank, in unserem Fall die EZB, die Institution, die über das Drucken von neuem Geld und somit über die Höhe der Geldmenge entscheidet? In der Theorie: Ja! Die Praxis sieht aber anders aus. Denn es gibt zwei verschiedene Arten von Geld: Buchgeld und Zentralbankgeld.
Buchgeld ist das Geld, das von privaten Banken vergeben wird und als Zahl auf unserem Konto aufscheint. Private Geschäftsbanken können im Prinzip so viel Buchgeld schöpfen, wie sie wollen. Sie müssen lediglich die sogenannte „Mindestreservepflicht“ einhalten. Das heißt, sie müssen einen geringen Teil, nämlich 1 %, ihrer Buchgeldeinlagen in Form von Zentralbankgeld bei der EZB halten. Dieses Zentralbankgeld kann nur von der EZB geschöpft werden und existiert zum einen in Form von Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank und zum anderen als Bargeld.
Obwohl die Geschäftsbanken in der Theorie von der Zentralbank abhängig sind, können sie in der Realität beliebig viele Kredite vergeben. Das zur Einhaltung der Mindestreservepflicht nötige Zentralbankgeld holen sie sich dann im Nachhinein. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 kommt die Zentralbank nämlich jeder Forderung privater Banken nach Zentralbankgeld verlässlich nach. Wieso tut sie das?
Zum einen war das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren zu niedrig. Unternehmen haben wenig investiert und die Nachfrage war gering. Damit die Wirtschaft nicht schrumpft, hat die EZB den Banken immer neues Geld zukommen lassen und so die Nachfrage künstlich am Leben erhalten. Denn fatalerweise haben auch die Staaten zu wenig investiert. Damit es Wirtschaftswachstum geben kann, muss aber irgendjemand investieren, also Geld ausgeben. Wenn weder die Unternehmen noch die Konsumenten investieren, müsste eigentlich der Staat einspringen. Das heißt: Er müsste sich verschulden.
Die meisten Regierungen der Euro-Zone, allen voran Deutschland, halten jedoch nach wie vor am Glauben an den „schlanken“ Staat fest. Der Staat müsse sparen, heißt es immer wieder. Dabei wäre das Gegenteil richtig, wie zum Beispiel die Ökonomin Anne Pettifor immer wieder betont. Denn was haben die Menschen von einem ausgeglichenen Staatshaushalt, wenn sie auf der anderen Seite immer ärmer werden.
Die EZB ist also durch das schwache Wirtschaftswachstum und die fehlenden staatlichen Investitionen gewissermaßen dazu verdammt, die Banken mit immer neuem Geld zu versorgen. Die Folge ist, dass in der Praxis die privaten Geschäftsbanken bestimmen, zu welchem Zweck und wie viel Geld in Umlauf kommt. Geldschöpfung ist damit de facto privatisiert.
Das hat weitreichende Folgen, denn Banken sind profitorientierte Unternehmen. Ihnen geht es in erster Linie um Zinsgewinne, die sie mit Krediten machen. Banken vergeben nur dann Kredite, wenn sie glauben, dass der Kredit auch zurückgezahlt wird. Ansonsten machen sie ein Verlustgeschäft. Dadurch haben vermögende Menschen die besseren Konditionen, um Kredite zu erhalten – und können ihr Vermögen damit auch leichter vermehren.
Wenn jemand zum Beispiel schon viele Immobilien (und damit Vermögen) besitzt, wird er leicht an Kredite kommen, um sich noch mehr Immobilien zu kaufen. Denn er kann sein bereits vorhandenes Vermögen als Sicherheit bieten. Jemand, der hingegen ein Unternehmen gründen möchte, und damit auch wirklich neuen Wert schaffen würde, aber kein Vermögen besitzt, das er als Sicherheit anbieten könnte, wird unter Umständen Schwierigkeiten haben, einen Kredit zu bekommen. Private Geldschöpfung verstärkt auf diese Weise die Konzentration von Vermögen und damit die Ungleichheit in der Gesellschaft.
Der Ökonom Adair Turner schätzt, dass nur 15 % des seit den 1990er Jahren neu geschaffenen Geldes zu produktiven Zwecken in die Realwirtschaft geflossen ist. Die restlichen drei Viertel der Kredite wurden vergeben, um damit bereits existierende Vermögenswerte, vor allem Grundstücke und Immobilien, zu kaufen. Oder um damit zu spekulieren.
Ein großer Teil des neu geschaffenen Geldes floss also auf den Immobilienmarkt. Das Ergebnis ist, dass Wohnungspreise und Mieten immer teurer werden – und das schon seit vielen Jahren.
Wegen dieser Exzesse fordern immer mehr Experten sowie Initiativen aus der Zivilgesellschaft eine anderes Geldsystem: Der Ökonom Norbert Bernholt von der “Akademie solidarische Ökonomie” schlägt vor, Geldschöpfung zu demokratisieren, indem man das Geldschöpfungs-Privileg in die Hände von Regierungen übergibt. Das würde dafür sorgen, dass sich gewählte Regierungen für ihre Geldpolitik vor der Bevölkerung verantworten müssen. Denn dann würde der Staat entscheiden, wofür und wie viel neues Geld zur Verfügung gestellt wird.
Kritiker führen ins Feld, dass Regierungen dann ungehemmt Geld in die Welt setzen würden, um sich Wählerstimmen zu erkaufen. Politikern, so die Kritik, könne man die Macht der Geldschöpfung nicht anvertrauen, denn sie würden sie maßlos ausnutzen. Was wir jedoch aktuell erleben, ist, dass private Banken das Geldschöpfungs-Privileg ausnutzen – nur geht es ihnen nicht um Wählerstimmen, sondern um Profit.
Möglicherweise würde es aber auch genügen, wenn Staaten einfach mehr investieren und dafür Schulden aufnehmen. Staatsschulden sind nämlich lange nicht so problematisch, wie konservative und wirtschaftsliberale Kräfte behaupten. Ein Staat funktioniert anders als ein Privathaushalt. Während Privatpersonen ernste Schwierigkeiten bekommen können, wenn sie ihre Schulden nicht zurückzahlen, kann ein souveräner Staat mit einer stabilen Wirtschaft auch auf lange Sicht hoch verschuldet sein, ohne dass es zu Problemen kommt.
Japan zum Beispiel ist aktuell mit etwa 13 Billionen Dollar verschuldet. Das entspricht ungefähr 260 % des Bruttoinlandsprodukts. Für europäische Verhältnisse eine unglaubliche Zahl. Japan hat jedoch eine gut funktionierende Wirtschaft – und noch dazu eine moderate Inflationsrate. Sie lag im Oktober 2022 bei nur 3,7%.
Auch die USA haben sich während der Präsidentschaft Joe Bidens stark verschuldet: 1,9 Billionen US-Dollar wurden insgesamt investiert, um die Infrastruktur und die Energiewende voranzubringen.
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