Steiermark

Grazer Gemeinderat beschließt Ende der Verbauung in Graz: Nur ÖVP dagegen

Die letzte Sitzung des Grazer Gemeinderats stand ganz im Zeichen der kommenden Wahl. Mehr als sieben Stunden dauerten die teils heftigen Debatten. Im Vordergrund standen dabei die Themen Verbauung, Wohnen und Kinderbetreuung. Zum Schluss steckte Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) eine schwere Abstimmungsniederlage ein. Die SPÖ setzte gegen die Stimmen der ÖVP einen Antrag für ein Ende der Verbauung durch.

Die Themen Wohnen und Verbauung dominieren den Gemeinderatswahlkampf in Graz

Am 26. September wählt Graz einen neuen Gemeinderat und 17 Bezirksvertretungen. Im Wahlkampf standen bisher vor allem die Themen Wohnen und Verbauung im Vordergrund. Seit 2012 wurden in Graz ganze 68 Hektar verbaut. Das ist eine Fläche, die größer ist als die Vatikanstadt. Da profitorientierte Immobilien-Konzerne, die Wohnanlagen oftmals zu Spekulationszwecken errichten, die Bautätigkeit dominieren, hat sich der Leerstand in Graz massiv vergrößert. Bis zu 38.000 Wohnungen könnten leer stehen. Dennoch wird fleißig weitergebaut, was dazu führt, dass immer mehr Grünflächen verschwinden.

Unterdessen steigen aufgrund der falschen Wohnpolitik der Stadtregierung die Mieten. Mittlerweile ist Wohnen in Graz daher schon teurer als in Wien. Angesichts der katastrophalen Situation sind einer Umfrage zufolge 70 Prozent der Grazer Bevölkerung für eine Leerstandsabgabe. Wenige Wochen vor der Wahl begann sich auch Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) mit Wohnen und Verbauung zu beschäftigen. Zuvor war er jahrelang untätig geblieben. Er kündigte medienwirksam eine Bau-Bremse an und schließt plötzlich auch eine Leerstandserhebung und eine Leerstandsabgabe nicht aus.

Gemeinderat beschließt gegen ÖVP-Stimmen ein Ende der Verbauung in Graz

Naturgemäß versuchten sich im Rahmen der letzten Gemeinderatssitzung vor der Wahl nochmals alle Parteien gut zu positionieren. So forderte die KPÖ, wie schon die SPÖ bei der letzten Gemeinderatssitzung eine Leerstandsabgabe. Obwohl sich mittlerweile auch ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer dafür ausgesprochen hat und Nagl sich offen dafür zeigte, lehnten die ÖVP den kommunistischen Antrag zusammen mit FPÖ und Neos ab. Die längsten und hitzigsten Debatten löste ein Antrag der SPÖ aus.

Die Sozialdemokraten forderten eine vorzeitige Revision des Grazer Flächenwidmungsplans und des Stadtentwicklungskonzeptes. Hinter diesen technischen Begriffen verbirgt sich nichts weniger als ein Baustopp für Immobilien-Konzerne. Die Änderung des Flächenwidmungsplans würde außerdem zukünftiger profitorientierter Verbauung vorbeugen. Eineinhalb Stunden dauerte die anschließende Debatte. Schnell stellte sich heraus, dass die ÖVP alleine auf weiter Flur stand. Obwohl Nagl im Wahlkampf eine Bau-Bremse ankündigte, stellte sich seine Partei vehement gegen den sozialdemokratischen Antrag. Sie verwies dabei, wie schon bei der Leerstandsabgabe auf rechtliche Einschränkungen. Am Schluss steckten die Türkisen jedoch eine schwere Niederlage ein. Abgesehen von der ÖVP stimmten alle Parteien, sogar die FPÖ, dem sozialdemokratischen Vorschlag zu. Damit setzte der Gemeinderat einen wichtigen ersten Schritt für ein Ende der planlosen Bauwut. Ob sie nachhaltig beendet werden kann, dürfte sich jedoch erst in der nächsten Gemeinderatsperiode entscheiden. Damit haben die Wählerinnen und Wähler die letzte Entscheidungsgewalt.

Gratis-Kindergarten scheitert an ÖVP und FPÖ

Gegen Ende der Gemeinderatssitzung brachte die SPÖ einen Antrag für die Einführung des Gratis-Kindergartens ein. Nach Wiener Vorbild möchte sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Aktuell zahlen Eltern in Graz schon bis zu 300 Euro pro Monat für die Betreuung eines Kindes. „Das Geld stünde unseren Familien sofort zusätzlich zur Verfügung, wenn wir die Elternbeiträge in der Kinderbetreuung abschaffen“, argumentierte der SPÖ-Vorsitzende Michael Ehmann im Gemeinderat. Auf den Vorwurf zu hoher Kosten reagierte er entschieden. „Leisten könnte es sich die Stadt – es geht nur um das Wollen!“ ÖVP und FPÖ fehlte jedoch der Wille. Somit fand der sozialdemokratische Antrag keine Mehrheit. Neue Mehrheitsverhältnisse nach der Grazer Gemeinderatswahl könnten jedoch dafür sorgen, dass der Gratis-Kindergarten doch kommt.

Martin Amschl

Ähnliche Artikel

  • Gesellschaft

Fenninger: Woran man bei der Bekämpfung von Kinderarmut gescheitert ist 

Wie kann es sein, dass sich in einem der reichsten Länder der EU, die Zahl…

17. Mai 2024
  • Allgemein

Fünf Jahre Ibiza – Ein Urlaub mit Folgen in 5 Akten

Wo waren Sie am 17. Mai 2019? Eine Frage, die viele Östereicher:innen beantworten können, denn…

16. Mai 2024
  • Burgenland

Von Second Hand-Ware bis zum Übersiedlungsservice: Gemeinnütziges Jobprojekt „Mein Laden“ wird 15

Mattersburg: Seit 2009 fanden rund 550 langzeit-arbeitssuchende Menschen bei "Mein Laden" eine Beschäftigung - viele…

16. Mai 2024
  • International

Teure Züge, billige Flüge: 33 Prozent scheitern bei Buchung von grenzüberschreitender Zugreise

Immer mehr Menschen in Österreich sehnen sich nach einem umweltbewussten Urlaub. Doch Fliegen bleibt in…

16. Mai 2024
  • Niederösterreich

Pleite-Gemeinden in Niederösterreich: Weil Land versagt, soll jetzt EU einspringen

Jeder zweiten Gemeinde in Österreich geht das Geld aus. Was in Oberösterreich schon lang erkennbar…

16. Mai 2024
  • Klimakrise

Verdacht des Amtsmissbrauchs: Welche Rolle spielte Umweltanwalt in Ohlsdorf-Skandal?

Der Ohlsdorfer Bauskandal rund um 19 Hektar Wald, die für eine Schottergrube zerstört wurden, ist…

13. Mai 2024