Steiermark

Nur ein Bewerber für einen 200.000€-Job: Türkiser Postenschacher in der Holding Graz

Letzte Woche deckte der Grazer Rechnungshof auf, wie die ÖVP ihre Macht in der städtischen Holding missbraucht – die NeueZeit hat berichtet. Dieser Skandal ist nur die Spitze des Eisbergs. Seit Gründung der Holding im Jahr 2010 etablierte Bürgermeister Siegfried Nagl dort ein System, das vor allem der ÖVP und ihren Verbündeten hilft. Eine lange Liste an Beispielen zeigt die türkise Freunderlwirtschaft in der Holding. Auf der Strecke bleiben dabei die Grazerinnen und Grazer.

ÖVP-Bürgermeister Nagl färbt die Holding Graz um

Die Holding Graz ist für Gemeinde-Dienstleistungen wie öffentlicher Verkehr, Müllabfuhr oder Wasserversorgung zuständig.

Wir schreiben das Jahr 2010. Siegfried Nagl ist seit sieben Jahren Bürgermeister von Graz. Er koaliert seit 2008 mit den Grünen und beginnt mit ihnen eine Umfärbungs-Aktion, wie sie die steirische Landeshauptstadt noch nicht gesehen hat. Wichtigstes Werkzeug ist dabei die „Holding Graz“.

Diese wurde am 29. Juni 2010 gegründet und ist seitdem für kommunale Dienstleistungen zuständig – darunter öffentlicher Verkehr, Straßenerhaltung- und reinigung, Grünraumpflege, Freizeiteinrichtungen, Müllabfuhr, Kanal und Wasserversorgung. Knapp 3.000 Personen arbeiten für die Holding. An den führenden Stellen sitzen jedoch ausschließlich Vertraute oder Verbündete des Bürgermeisters. Was in der Holding genau vor sich geht, ist für die Öffentlichkeit oft nicht einsehbar. Denn ÖVP und Grüne beschlossen, die Oppositionsparteien aus dem Aufsichtsrat zu werfen.

Im Vorstand der Holding werden Nagls Koalitionspartner versorgt

Seit Gründung der Holding fungiert Wolfgang Malik als Vorstandsvorsitzender. Er diente zuvor viele Jahre als Politsekretär der ÖVP-Landeshauptleute Josef Krainer jun. und Waltraud Klasnic. Der Vorstand der Holding wurde unmittelbar nach der Gründung auf drei Personen erweitert. Dieser Vorgang diente hauptsächlich dazu, die Grünen in Person von Barbara Muhr zu versorgen. Muhr blieb bis Anfang 2021 im Vorstand und wechselte danach als Geschäftsführerin zur Messe Graz. Dieser Posten wurde extra für sie geschaffen.

Ihre Nachfolge trat schließlich der FPÖ-Mann Markus Perz an. Er war der einzige Bewerber. Bei einem Jahresgehalt von 200.000 Euro ist das geringe Interesse an diesem Top-Posten doch sehr verwunderlich. Kenner des Systems Nagl vermuten, dass die FPÖ, mit der er seit dem Jahr 2017 regiert, versorgt werden musste. Anderen potentiellen Bewerbern wurde daher schon im Vorfeld signalisiert, chancenlos zu sein.

Türkiser Postenschacher auf allen Ebenen

Die türkise Freunderlwirtschaft in der Holding betrifft nicht nur die oberste Führungsebene. Seit 2010 gibt es zahlreiche Beispiele für politisch motivierte Postenbesetzungen. Eins davon ist Richard Peer.

Anders als andere Manager war er früher nicht nur für eine Partei, sondern gleich für ÖVP und FPÖ tätig. Bis 2008 fungierte Peer als Pressereferent von Stadtrat Werner Miedl (ÖVP). Danach machte er sich selbstständig und arbeitete unter anderem für die FPÖ. 2016 kehrte er als Verantwortlicher für den Social-Media-Auftritt des Bürgermeisters zur ÖVP zurück. Seit 2019 leitet Peer die Marketingabteilung der Holding Graz. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Broschüren zu Projekten wie Murgondel oder U-Bahn wie Presseaussendungen der ÖVP klingen.

Das Wechseln der Loyalitäten hat sich letztes Jahr auch für Katrin Nachbaur bezahlt gemacht. Sie gehörte einst zu den engsten Vertrauten von Frank Stronach. Für dessen Partei saß sie ab 2013 im Nationalrat. 2015 wechselte sie dann in den Parlamentsklub der ÖVP. Seit 2020 ist Nachbaur Geschäftsführerin der Energieagentur der Grazer Holding.

Mächtige und hochdotierte Posten der Stadt werden ohne Hearing oder nur mit einem einzigen Bewerber vergeben. Da drängt sich die Frage auf: Wer ist in der Holding eigentlich für die Personalpolitik zuständig?

Wenig überraschend hat auch in diesem Bereich ein ÖVP-Mann das Sagen. Leiter der Personalabteilung ist seit 2013 Peter Stepantschitz. Zuvor fungierte er als Büroleiter des Bürgermeisters. So schließt sich der Kreis des Systems Nagl in der Holding.

Martin Amschl

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