Am einen Tag lässt die Bundesregierung eine Pflegerin abschieben. Kurz darauf erklärt der Gesundheitsminister: Ohne Zuwanderung gehen uns die Pflegerinnen und Pfleger aus. 50.000 zusätzliche braucht Österreich bis 2050. In der Debatte um Zuwanderung wird meist polarisiert. Spricht man mit zugewanderten Arbeitern und Angestellten, klingt das Ganze plötzlich sachlicher. Sie betonen: Integration kann nur auf Augenhöhe funktionieren. Andererseits ist für sie klar: Das geht nur mit einer gemeinsamen Sprache.
Bis 2050 braucht Österreich 50.000 zusätzliche Pflegerinnen und Pfleger. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Die Grünen) betont immer wieder: Ohne Zuwanderung wird das nichts werden. Gleichzeitig schiebt die Bundesregierung, der eben dieser Minister Rauch angehört, eine Pflegerin nach Indien ab. Die Debatte um Zuwanderung ist emotional aufgeladenen und oft unsachlich. Weltbilder prallen aufeinander. Betriebsrätinnen und Betriebsräte erleben die Folgen der Migration täglich in ihrer Praxis und sind oft selbst zugewandert. Spricht man mit ihnen, klingt das Ganze plötzlich deutlich sachlicher. Die NeueZeit hat sich deshalb mit einigen Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaftsgruppe FSG Vielfalt in Tirol unterhalten.
Von einer Deutschpflicht hält der Swarovski-Arbeiter Murat Celik überhaupt nichts. Gleichzeitig räumt der Sohn einer Gastarbeiterfamilie ein: Dass in seiner Kindheit zuhause kein Deutsch gesprochen wurde, war ein Fehler. Dabei hatten sich seine Eltern sehr gekümmert und viel Wert auf die Ausbildung der Kinder gelegt. Aber daheim sprach man Türkisch. Er selbst hat das anders gemacht: „Ich habe bei meinen Kindern darauf geachtet, dass sie zweisprachig aufwachsen.“
„Eine Hand hat fünf Finger. Diese Finger sind nicht gleich, aber wenn sie mit einer gemeinsamen Sprache kombiniert werden, können sie viel erreichen.“ Murat Celik, Aktivist und Gewerkschafter
Denn das eröffnet neue Chancen. Deshalb meint auch die Arbeiterin und Betriebsrätin Zeynep Altin: „Sprachkurse am Arbeitsplatz wären sehr wichtig.“ So könne man sich besser mit Kolleginnen, Kollegen und Kundinnen oder Kunden verständigen. Sie kennt viele talentierte Kolleginnen und Kollegen, die sehr gut in ihrem Job sind. Doch Verständigungsprobleme bremsen ihre Karrieren. Celik kann sich deshalb durchaus verpflichtende Deutschkurse beim AMS vorstellen, wenn die Jobsuche an mangelnden Sprachkenntnissen scheitert.
Er macht aber auch klar, dass er sich „Respekt und Gleichberechtigung“ erwartet. „Jede und jeder ist gleich viel wert. Egal, welche Religion, welches Geschlecht oder welche Herkunft die Person hat“, sagt Celik.
„Der Arbeitsplatz der Zukunft wird vielfältiger“, meint der ehemalige Lidl-Betriebsrat und Regionalsekretär der GPA Tirol Süleyman Kilic. Denn „Vielfalt fördert Innovation und Kreativität“. Und sie bringe die Chance, verschiedene Stärken zu vereinen. Und das bedeutet nicht zuletzt mehr Leistung. Die wird es auch brauchen, denn mittlerweile fehlen die Fachkräfte in allen Branchen. Drei von vier Unternehmen können Stellen nicht besetzen. Und das ist nur der Anfang. Ohne Gegenmaßnahmen könnten 2040 über 569.000 Stellen nicht mehr besetzt werden. Freilich: Teilweise – beispielsweise im Tourismus – liegt es an den schlechten Löhnen. Doch auch wenn die Bezahlung passt, fehlen immer öfter die geeigneten Bewerberinnen und Bewerber
Für Kilic ist allerdings wichtig, dass man Vielfalt und Integration nicht nur dort lebt, wo sie gut fürs Geschäft sind. Ihm geht es darum, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt – und zwar gemeinsam: „Vielfältige Arbeitsgruppen aus unterschiedlichen Kulturen setzen sich effektiver mit Problemen auseinander“, meint er.
Auch Celik weiß aus seinem Arbeitsalltag, wie sich verschiedene kulturelle Einflüsse ergänzen. Geht man aufeinander zu, werden Unterschiede zur Stärke. Doch beide machen klar: Das kann nur gelingen, wenn man sich gegenseitig versteht.
„Einseitige Verpflichtungen können nie zu einem erfolgreichen Zusammenleben führen.“ Oliver Ranisavljevic, ÖBB-Betriebsrat
„Integration beruht auf wechselseitiger Zusammenarbeit“, fasst es der ÖBB-Betriebsrat Oliver Ranisavljevic zusammen. „Einseitige Verpflichtungen können nie zu einem erfolgreichen Zusammenleben führen.“
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